Mercedes E 250 CDI Cabrio - Sonnen-Taxi
Nur allzu gerne würde sich Mercedes ein Stück vom sportlichen Image des BMW 3ers oder 5ers abschneiden. Seit Jahr und Tag sind die Bayern die dynamische Messlatte in der Mittel- und Oberklasse. Gerade das 3er Cabriolet ist in seiner Liga ein Klassiker ohne Gleichen. Doch die Bayern machten einen Fehler und setzten bei der aktuellen Cabrio-Generation der 3er-Reihe auf eine Klappdach-Konstruktion. Viele Cabriofans wendeten sich verärgert ab und machten das A5 Cabriolet von Audi noch stärker, als seine Vorgänger ohnehin schon waren. Mit dem Aufstieg des langweilig- müden CLK zum E-Klasse Cabriolet hatte sich Mercedes viel vorgenommen und wollte jüngere Kunden von BMW und Audi weglocken. Die offene E-Klasse sollte in eine Lücke stoßen, die ein träges CLK- Cabriolet nie füllen konnte. Doch letztlich gingen die Stuttgarter in eine ganz andere Richtung.
Das Mercedes E-Klasse Cabriolet ist ein sanfter Entschleuniger. Schon das Design ist wenig dynamisch und bereits auf den ersten Kilometern macht der Sonnenanbeter aus Stuttgart keinerlei Hehl daraus, dass er keine derart sportlichen Ambitionen hegt wie der Konkurrent 3er BMW oder der elegant-sportliche A5 ohne Dach. Mercedes achtete bei der Entwicklung peinlich darauf, eine Reiselimousine mit allem Komfort zu entwickeln, bei der ganz nebenbei das Dach zu öffnen ist. Bei geschlossenem Dach hat man vom Geräuschniveau das Gefühl in einem Fahrzeug mit festem Dach Platz genommen zu haben. Interieur und Komfortdetails sind aus Limousine und T-Modell bestens bekannt. Wüsste man es nicht besser – man könnte auch in der Coupé-Variante sitzen. Sogar die Bedienmodule für Dach- und Windschottbedienung wurden hinter einer kleinen Klappe auf der Mittelkonsole versteckt. Das Geräuschniveau setzt selbst bei mittleren und höheren Geschwindigkeiten Maßstäbe.
Wer das Dach öffnet, kann dies nicht nur im Stand, sondern sinnvollerweise auch bei langsamer Fahrt tun, um sich beim zu kurzen Ampelstopp nicht völlig der Lächerlichkeit Preis zu geben. Ist das Stoffdach nach etwas zäher Prozedur erst einmal hinter der Fondsitzen verschwunden, beginnt die Sonnentour. Mercedes kennt seine Kunden, die sich für ein E-Klasse Cabriolet entscheiden. Sie sind zumeist um die 60 und somit hat man dem Viersitzer alle Details mitgegeben, die die sonntägliche Ausfahrt auch bei offenem Dach möglichst komfortabel machen können. Neben der standesgemäßen Sitzheizung gibt es unfangreiche Verstellmöglichkeiten der bequemen Stühle, Nackenheizung per Gebläse und einen elektrisch ausfahrbaren Windschott.
Auf Knopfdruck fährt nicht nur hinter der zweiten Sitzreihe ein Schott aus, sondern von innen nahezu unsichtbar auch im oberen Teil des Windschutzscheibenrahmens. Sieht von außen schrecklich aus und unterstreicht nochmals den wenig dynamischen Charakters des sonnenverwöhnten E-Klasse Modells. Doch es wirkt. Sind alle Schutzmaßnahmen erst einmal ausgefahren, kommt bis Tempo 120 kaum noch ein Lüftchen in den Innenraum. Wer seine Haare durchblasen lassen möchte, fährt die Windschotts ein oder die Seitenscheiben herunter. Dann gibt es Cabriogefühle.
Bei heißem Wetter macht eine Sitzlüftung die Autofahrt bekanntlich deutlich kommoder. Aber die versteckte Ventilation des Mercedes ist derart schwach auf der Brust, dass man sie aus der Bestellliste gleich streichen kann. Ihr müder Tatendrang liegt auf Augenhöhe mit dem Triebwerk des E 250 CDI Cabriolets, der mit dem rund 1,8 Tonnen schweren Cabriolet einfach überfordert ist. Der Vierzylinder-Diesel mag in eine C-Klasse passen, aber keinesfalls in ein elegant-sportliches Cabriolet, von dem die Insassen eine lässige Souveränität von Haus aus erwarten. Der doppelt aufgeladene Dieselmotor mit vier Zylindern und 2,2 Litern Hubraum läuft derart laut, dass nicht nur beim sonnigen Ampelstopp die Blicke auf das rasselnde Cabriolet fallen. Der Motor ist im kalten wir warmen Zustand laut und laut allzu präsent; sein Tatendrang dafür überschaubar.
Denn der Vierzylinder macht gerade in Verbindung mit der bald auslaufenden Fünfstufen-Automatik keine glückliche Figur. Gerade bei wechselnden Leistungsabfragen sucht der Vierzylinder immer wieder den passenden Gang, um ihn in seinen zwei Programmen Sport und Normal schließlich doch selten zu finden. Überstürzt schaltet er zurück, dreht laut hoch um schließlich doch keinen dynamischen Vortrieb zu generieren. Nie hat man das Gefühl, mit 150 KW / 204 PS unterwegs zu sein. Gerade bei der Sonnentour in den Bergen ist der offene Mercedes E 250 CDI so eine echte Enttäuschung. Immerhin ist die Höchstgeschwindigkeit mit knapp 230 km/h standesgemäß und der Verbrauch hält sich angenehm zurück. Im Praxistest gab sich das bevorzugt offen bewegte Cabriolet mit 7,4 Litern Diesel auf 100 Kilometern zufrieden. Das ist angesichts von Dimensionen und Fahrzeuggewicht ein guter Verbrauch.
So ist der Motor des 250 CDI die ideale Lösung, wenn sich ein Taxler entscheiden sollte, von einem geschlossenen E-Modell auf eine offene Version umzusteigen. Jedem anderen Kunden sei jedoch wärmstens eine kraftvolle Motorisierung mit sechs Zylindern empfohlen. Kaum zu glauben, wie schwer sich die noch schwächere Version des E 220 CDI Cabriolets im realen Betrieb mit ihren 170 PS erst bewegen muss. Die komfortable Federung unterstreicht den Limousinencharakter des E 250 CDI Cabriolets nur. Die Lenkung ist leichtgängig, aber nicht ausreichend direkt und in schnelleren Kurven stört das Einnicken der Karosserie. Eine straffere Abstimmung oder elektronische Dämpfer würden dem großen Cabriolet gut zu Gesicht stehen.
Um einen E 350 CDI oder Benziner kommt der Kunde aktuell nicht herum. Hier kann er den imposanten Komfort des E-Klasse Cabriolets genießen und ist artgerecht unterwegs. Dann liegt der Basispreis jedoch nicht mehr bei 49.861 Euro für die handgeschaltete Version des E 250 CDI Cabriolets, sondern bei 54.621 Euro. Die Serienausstattung ist dünn, doch immerhin ist das 231 PS starke E 350 CDI Cabriolets mit einer Siebengang-Automatik ausgestattet. Noch sinnvoller erscheint der E 350 Benziner mit 292 PS, der jedoch bereits 56.882 Euro kostet. Nicht nur die leistungsstärkeren Sechszylinder sind für das E-Klasse Cabriolet ein abolutes Muss, sondern auch die standesgemäße Ausstattung mit vollelektrischen Ledersitzen, Festplatten-Navigation, Xenonscheinwerfern sowie Windschott und Nackenheizung. Macht unter dem Strich Sonderausstattungen für mehr als 10.000 Euro. Dass selbst bei der Wahl des großen Navigationssystems noch Selbstverständlichkeiten wie eine Einparkhilfe oder eine Rückfahrkamera extra bestellt werden müssen, ist ein kaum nachvollziehbares Ärgernis. Sinnvolle Sicherheitsdetails wie Abstandstempomat oder Überholassistent müssen ebenfalls separat geordert werden. Da grantelt auch der Cabrio-Taxler.
Quelle: Autoplenum, 2010-06-07
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