Test: Mercedes E-Klasse T-Modell 220d - Schwaben können fast alles
Ohne das T fehlt im Mercedes E-Klasse-Programm was. Steht die Limousine für gediegene Eleganz und vermitteln Cabrio und Coupé Flair und Finesse, so richtet sich der T-Modell genannte Kombi an Fahrer, die beruflichen Erfolg, Familienkompetenz sowie Freizeitinteressen in schicker Form demonstrieren wollen. Seit Oktober vergangenen Jahres ist der prestigeträchtige Lastenträger in seiner Neuauflage auf dem deutschen Markt; wir baten ihn jetzt als 220 d zum Alltagstest.
Ganz schön groß sieht der Kombi aus, wenn er in der nicht eben kurzen Garagenzufahrt parkt - kein Wunder bei einer Länge von 4,93 Metern. Dabei macht er nicht auf dicke Hose, sondern kommt in der richtigen Mischung aus elegantem und sportivem Design daher. Dezent genug, um die Nachbarn nicht neidisch zu machen, doch auffällig genug, um den Kollegen zu zeigen, dass man höher als der Durchschnitt in der Firmenhierarchie positioniert ist. Zum Glück wertet Mercedes bei allem schicken Karosseriedesign das Platzangebot immer noch als eine Kombitugend. Falls es für die Insassen Unkommoditäten zu melden gibt, liegt es eher an den eigenen nicht ganz kompatiblen Body-Mass-Werten als an den tatsächlichen Sitz- und Raumverhältnissen. Das Gepäckteil kann sich ebenfalls sehen und ordentlich nutzen lassen. Zwischen 640 und 1.840 Liter passen dort hinein.
Bleiben wir bei Tugenden: Die E-Klasse ist ziemlich gut vorbereitet auf kommende autonome Fahraufgaben. Auf der Autobahn ist es überhaupt kein Problem, das Auto alleine machen zu lassen. Selbst Überholen geht mittels zartem Hinweis an den Blinker automatisch. Allerdings will es der Gesetzgeber und deshalb eben auch die E-Klasse, dass man regelmäßig kurz das Lenkrad anfasst. Sehr gut funktioniert übrigens das selbstständige Anpassen an Tempolimits. Man kann den Tempomaten also beispielsweise auf 160 km/h einstellen, die E-Klasse wird brav alle Limits auf der Strecke einhalten, sofern der Fahrer die korrekte Fahrweise des Autos nicht per Gaspedal überstimmt.
Die E-Klasse ist bestens vernetzt. Letzteres zeigt sich zum Beispiel bei der selbst im Genfer Stadtstau auf Verkehrssituationen reagierenden Navi oder an Kleinigkeiten, wie dem Anzeigen der Dieselpreise an Tankstellen in der Umgebung im Display. Nicht so gut gefallen hat uns die Touchpad-Bedienung, nicht weil sie nicht funktionierte, sondern weil man immer wieder aus Versehen etwas bedient. Aber das kann man abschalten oder lässt es beim Bestellen gleich weg. Wieso man bei den Lenkradtasten vom gewohnten und tadellos funktionierenden Wipptastensystem ebenfalls auf Minitouchpads gewechselt ist, verstehen wir nicht. Sie bieten keine haptische Rückmeldung und zumindest wir haben sie oft falsch bedient. Merke: Nicht alles was neu ist, ist auch ein Fortschritt.
Wo wir gerade mäkelig sind. Frei nach dem ehemaligen Werbespruch aus Baden-Württemberg „Wir können alles außer Hochdeutsch“ kämpfte die Dame im Navigationssystem mit ihrer Aussprache. Nicht dass sie ihre Richtungsempfehlungen mit badischem oder schwäbischen Einschlag kundtun würde, aber sie hatte zum Beispiel Probleme mit der Stadt Basel. Die schweizerische Grenzstadt wurde zu „Bassel“ umbenannt. Auch die Wiedergabe von französischen Straßennamen gehörte nicht zu ihren Stärken genauso wenig wie das deutsche Wort Mülldeponie.
Zu den Stärken unseres Testfahrzeugs zählte trotz seines durchaus lauten Auftritts der neue, ausweislich des ADAC-Eco-Tests tatsächlich saubere 2,0-Liter-Diesel, der hier mit 143 kW/194 PS zum Einsatz kam. Der Vierzylinder punktet mit 400 Nm im breiten Drehzahlbereich von 1.600 bis 4.000 Umdrehungen. Kraft steht also fast immer ausreichend bereit. Das hat Folgen. Man kann mehr als entspannt cruisen. Von 0 auf 100 km/h geht es in 7,7 Sekunden, die Höchstgeschwindigkeit ist bei Tempo 235 km/h erreicht. Die Neungang-Automatik tut ihr Übriges und schon fühlt man sich im Zusammenspiel der oben beschriebenen Assistenten fast wie auf Wolke 7. Ist man dann noch auf geschwindigkeitslimitierten Autobahnen unterwegs, ist der Normverbrauch von 4,6 Litern nah wie selten zuvor. 5,1 Liter zeigte der Bordcomputer über eine Strecke von 1.400 Kilometer an. Nicht schlecht für ein fast 1,8 Tonnen schweres Fahrzeug.
Der 194 PS-Diesel ist nicht nur für Vielfahrer eine Empfehlung, stellt er doch beim Dieselangebot einen guten Kompromiss zwischen dem Basisangebot (200 d) mit 110 kW/150 PS und dem 190 kW/258 PS starken Sechszylinder (350 d) dar. Und preislich lässt der 220 d (ab 50.486 Euro) bei entsprechendem Budget noch Raum für das eine oder andere Extra. Das Studieren der umfangreichen Preisliste macht es leicht, Annehmlichkeiten wie den adaptiven LED-Fernlichtlichtassistenten, Massagefunktion für die Vordersitze, Fahrerassistenzsysteme, Headup-Display oder Navigationssystem zu finden. Diese summieren sich schnell zu erklecklichen Beträgen. Es macht keinerlei Schwierigkeiten, 10.000 oder 20.000 Euro mehr auszugeben. Gut also, wenn der Dienstwagenstatus das hergibt.
Mercedes E-Klasse 220 d – Technische Daten:
Viertüriger, fünfsitziger Kombi der oberen Mittelklasse; Länge: 4,93 Meter, Breite: 1,85 Meter (mit Außenspiegeln: 2,07 Meter), Höhe: 1,48 Meter, Radstand: 2,94 Meter, Kofferraumvolumen: 640 - 1.820 Liter
2,0-Liter-Vierzylinder-Diesel, 143 kW/194 PS, Neungang-Automatik, maximales Drehmoment: 400 Nm zwischen 1.600 und 2.800 U/min, 0-100 km/h: 7,7 s, Vmax: 235 km/h, Normverbrauch: 4,6 Liter/100 Kilometer, CO2-Ausstoß: 120 g/km, Abgasnorm: Euro 6, Effizienzklasse: A+, Testverbrauch: 5,1 Liter
Preis: ab 50.486 Euro
Warum: weil man tiefenentspannt unterwegs ist
Warum nicht: weil die Preisliste zu viele Wünsche weckt
Was sonst: Die Kombiversionen von Audi A6, BMW 5er, Volvo S90
Der Fortschritt ist eine feine Sache. Bei der Mercedes E-Klasse zum Beispiel zeigt er, mit wie wenigen Litern Diesel man sehr bequem reisen kann. Er hat aber auch seine kleine Macken.
Quelle: Autoplenum, 2017-03-23
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