14. Februar 2014
Leipzig, 14. Februar 2014 - Wissen Sie, was Tigerstaaten sind? Der Begriff wurde für Länder Südostasiens geprägt, die mit hohem Wirtschaftswachstum nach vorne streben. So gesehen, passt der Name "Macan" für das neue SUV von Porsche. Benannt nach dem indonesischen Wort für "Tiger", soll er mit bis zu 50.000 Exemplaren pro Jahr der Marke noch mehr Schub verleihen. Wird Porsche also zum Massenhersteller? Firmenboss Matthias Müller versucht zu beruhigen: "Porsche wird ein exklusiver Premiumhersteller bleiben", sagt er im Rahmen der Macan-Präsentation. Der sei "der Supersportler unter den kompakten SUVs", von dessen Erfolg man überzeugt ist. Sind diese Worte nur heiße Luft oder kann die neue Porsche-Baureihe tatsächlich begeistern?
Ingolstädter Wahlverwandtschaft
Durchaus offenherzig gibt Porsche zu, dass der Macan auf dem Audi Q5 basiert. Das macht bereits der Blick auf den Radstand deutlich, er beträgt bei beiden Modellen 2,81 Meter. Der Macan ist aber etwas länger und flacher als der Q5, was seiner Optik zugute kommt: Geschickt hat man Elemente aus allen Baureihen gemixt, das Resultat ist sehr viel stimmiger als etwa beim Cayenne. Apropos Cayenne: Wie bei jeder Porsche-Baureihe, die nicht 911 oder Boxster heißt, kommen die üblichen Stimmen: Der Macan sei kein echter Porsche, sondern ein verkappter Audi. Völlig falsch ist das nicht, aber zwei Drittel der Komponenten hat Porsche neu entwickelt oder angepasst. Audi-Teile gibt es nur dort, wo es niemand sieht, etwa bei den Fensterhebermotoren.
Wie viel SUV darf sein?
Natürlich kann man sich darüber mokieren, dass der Bestseller der Sportwagenmarke Porsche ein SUV namens Cayenne ist. Aber obwohl es ihn schon seit inzwischen zwölf Jahren gibt, ist der Mythos der Marke Porsche ungebrochen. (Den hat selbst der 924 mit Audi-Technik nicht zerstören können.) Außerdem kommt mit neuen Baureihen Geld in die Kassen für Rennsport und scharfe Elfer. Oder soll es wieder so sein wie in den frühen 1990er-Jahren? Berühmt, aber fast tot? Wenn jemand Porsche fahren will, aber noch zwei Kinder mitkommen, geht eben kein 911. Wir sind ganz ehrlich: Schon aus ästhetischen Gesichtspunkten sind uns fünf Macan auf der Straße lieber als ein Cayenne oder Panamera.
Heimeliges Ambiente
Damit genug der Philosophie, die Frage nach dem wahren Porsche könnte nächtelang diskutiert werden. Wir wischen uns den Schaum vor dem Mund weg und setzen uns in den Macan. Hier erinnert nichts, aber auch gar nichts an Audi. Die ansteigende Mittelkonsole mit den vielen Knöpfen ist leichter zu bedienen als befürchtet. Alle Materialien wirken sehr hochwertig und sind exzellent verarbeitet. Im Fond ist der Platz ausreichend, aber nicht üppig. Die nach hinten abfallende Dachlinie sorgt für bescheidene Sicht nach hinten und kuscheliges Ambiente bei den Hinterbänklern. Was uns negativ auffällt: Nach dem Umlegen müssen die Lehnen der Rücksitzbank mit recht viel Kraftaufwand wieder hochgeklappt werden. Zwischen 500 und 1.500 Liter Gepäck passen übrigens in den Macan, beim Q5 sind es 540 bis 1.560 Liter.
Haste Bock?
Für die sportliche Note ist ein Multifunktionslenkrad im Stil des 918 an Bord, in den Instrumenten nimmt der Drehzahlmesser Porsche-typisch den Platz in der Mitte ein. Zu guter Letzt befindet sich das Zündschloss links. Ganz ehrlich: Der Macan-Arbeitsplatz könnte auch zu einem 911 passen, wenn nicht die hohe Sitzposition wäre. Hier hat Porsche einen guten Kompromiss gefunden: Höher als üblich, aber nicht so hoch, dass man sich schon als Lastwagenfahrer fühlt.
Auf dem Sprung
Deswegen dürften sich nicht nur Neukunden, sondern auch Cayenne-Besitzer zum Macan hingezogen fühlen. Ein weiteres Argument für den Macan: seine deutlich sozialverträglichere Optik. Porsche-Chef Müller rechnet mit zehn bis 20 Prozent Abwanderung vom großen SUV-Bruder. Zum Marktstart im April 2014 kommt der Macan mit Aggregaten, die fast alle deutlich stärker sind als im Audi Q5. Einzige Gemeinsamkeit ist der Dreiliter-V6-Diesel mit 258 PS. Ein überraschend laufruhiges Aggregat, aber mal ehrlich: Bei Porsche und Diesel denken wir an rote Traktoren. Dann doch eher einen der beiden selbst entwickelten V6-Biturbo-Motoren mit 340 respektive 400 PS. Bei den Modellbezeichnungen schummelt Porsche ein wenig, denn nur mit 400 PS steht Turbo am Heck, sein etwas schwächerer Bruder heißt Macan S.
Diskretion am Heck
Keine Frage: Der Macan Turbo klingt besonders bullig und kann auch oberhalb von 220 km/h nochmal zulegen. Aber für einen um 0,6 Sekunden besseren Sprint auf 100 und eine um zwölf km/h höhere Endgeschwindigkeit satte 22.000 Euro extra ausgeben? Muss nicht sein, zumal beide Varianten mit vier Endrohren protzen. Besser die Modellbezeichnung abbestellen (eines der wenigen Gratis-Extras bei Porsche) und mit dem Macan S auf dicke Hose machen.
Starker Sechser
Bei unserem Trip über Autobahn und Landstraße erweist sich der Macan S als völlig ausreichend. Er beschleunigt so mühelos auf 150 km/h, dass man es selbst fast zu spät merkt. Nur dann erhebt der V6 lautstark seine Stimme, ansonsten bleibt er bis etwa 200 km/h laufruhig. Darüber melden sich die Windgeräusche dominant zu Wort. Theoretisch sind maximal 254 km/h möglich, über 220 Sachen kommt aber schon nicht mehr viel. Erst hier bietet der Macan Turbo den Extraklecks Sahne mehr. Parallel dazu geht das serienmäßige PDK-Doppelkupplungsgetriebe diskret seiner Arbeit nach, allzu große Drehzahlsprünge vermeidet Porsche. Eine echte Empfehlung ist das ausgewogene Luftfahrwerk, denn die (außer beim Turbo) serienmäßige Stahlfederung reagiert auf Querrillen etwas zu unwirsch. Vorzüglich ist die sehr exakte Lenkung, die in ihrer Auslegung beinahe 911-Feeling bietet. Schade ist, dass Porsche die Bedienung des Tempomats samt Abstandsregler nicht auf das Lenkrad verlegt. Stattdessen muss ein Hebel an der Lenksäule blind bedient werden.
Vier gewinnt
Stets inklusive ist auch ein Allradantrieb. Die Hinterachse ist immer angetrieben, die flexible Verteilung des Antriebsmoments erfolgt über ein angeflanschtes Zusatzgetriebe. Die Vorderachse wird je nach Abhängigkeit des Sperrgrads der elektronisch geregelten Lamellenkupplung angetrieben. Soweit die Theorie, interessant ist die Praxis: Im Normalzustand schiebt der Macan im Grenzbereich leicht über die Vorderräder, während sich mit ausgeschaltetem ESP das Heck zu einem maßvollen Schwenk überreden lässt. Trotzdem: Wenn man im Macan von der Strecke fliegt, wird es kaum am Auto liegen.
Behände im Gelände
Nun wird wohl eher selten ein Macan-Kunde das 24-Stunden-Rennen am Nürburgring absolvieren. Und trotz Allrad ist das SUV nicht unbedingt ein Dakar-Favorit. Aber der Macan ist im Gelände nicht so unfähig, wie mancher denken mag. Serienmäßig gibt es einen Offroad-Modus, der bis 80 km/h zugeschaltet werden kann. Hier drehen die Gänge länger aus und es gibt mehr Bodenfreiheit. Normal sind 19 Zentimeter, mit Stahlfederung gibt es einen Zentimeter mehr. Wer die Luftfederung gewählt hat, kann den Macan auf 23 Zentimeter pumpen. Für schlammig durchfurchte Feldwege reicht das allemal oder passend zur Macan-Klientel: für den verschneiten Weg zum noblen Chalet in den Bergen. Auch dort wird man sich über die automatische Bergabfahrhilfe freuen.
Da quiekt das Sparschwein
Und was kostet der Spaß? Soviel ist klar: Preiswert sind bei Porsche nicht einmal die Modellautos. Eine identische Summe Bares rufen die Schwaben für den Macan S und den Macan Diesel auf, nämlich 57.930 Euro. Richtig heftig sind die 79.826 Euro des Macan Turbo. (Weitere Varianten sind in Planung, darunter ein Basis-Macan ohne Kürzel und ein GTS.) Für die fast 22.000 Euro Unterschied machen wir lieber eine schöne Rundfahrt durch den Konfigurator. Serienmäßig sind immerhin elektrisch verstellbare Vordersitze, 18-Zoll-Alus, ein Audiosystem und eine Zwei-Zonen-Klimaautomatik. Fett zugelangt wird unter anderem bei Bi-Xenonscheinwerfern (1.559 Euro) oder einem Navi (2.951 Euro). Wir nehmen noch diverse Extras dazu, darunter Assistenzsysteme plus eine Verkehrszeichenerkennung dazu, die Luftfederung (2.630 Euro), Parkpiepser rundum plus Rückfahrkamera oder das Panoramadach. Mit diversen Leder- und Dekor-Optionen könnte man das Sparschwein zum Quieken bringen, wir bescheiden uns mit Porsche-Wappen in den Kopfstützen für 202 Euro. Nach insgesamt 17 aufpreispflichtigen Optionen bleibt der Zähler bei 76.613 Euro stehen. Exakt so viel kostet übrigens der Porsche Cayenne S mit 400 PS.