22. März 2013
Lissabon (Portugal), 22. März 2013 - Dieses vollmundige Versprechen der Bundesregierung klingt noch im Ohr: Eine Million Elektrofahrzeuge sollen bis 2020 auf deutschen Straßen rollen. Die derzeitige Realität sieht hingegen ernüchternd aus: Gerade einmal 3.000 Elektro-Pkw wurden im Jahr 2012 neu zugelassen. Hauptprofiteur ist Renault, wo man voll auf Strom setzt. Die Franzosen haben mit dem Twizy, der offiziell als Quad geführt wird, und dem Kangoo Z.E. zwei E-Mobile im Programm, die sich im vergangenen Jahr immerhin 3.200-mal verkauften. Ab Juni 2013 wird die Palette um den Kleinwagen Zoe erweitert. Er soll sich explizit an Privatkunden wenden. Kann dieses Vorhaben gelingen?
Eigenständigkeit mit Clio-Genen
Bereits vom Äußeren her wird deutlich, dass der Zoe keine elektrifizierte Ausgabe eines bereits existierenden Modells ist. Ein rundliches Design mit blauen Chromakzenten trifft auf Abmessungen, die auf Höhe des aktuellen Clio liegen: 4,08 Meter Länge, 1,56 Meter Höhe und ein Radstand von 2,58 Meter. Detail am Rande: Sowohl der Clio als auch sein elektrischer Cousin laufen im französischen Werk Flins vom Band. Beide sind fast gleich lang und weisen denselben Radstand auf, allerdings ist der Zoe elf Zentimeter höher, was vor allem an der unter den Sitzen montierten Batterie liegt.
Platz im Angebot
Der stets fünftürige Zoe wirkt nicht nur äußerlich vollwertig, auch innen gibt es keinen Grund zur Klage. Fahrer und Beifahrer nehmen auf gut konturierten Integralsitzen Platz, denen es lediglich ein wenig an Seitenhalt fehlt. Die etwas instabil wirkenden Türöffner an den hinteren Seitenfenstern tragen als Gimmick den Daumenabdruck des Zoe-Designers. Das Platzangebot im Fond kann sich sehen lassen: Redakteurseigene 1,88 Meter werden problemlos untergebracht, es bleibt genügend Luft an Kopf und Beinen. Eine Überraschung bietet der Kofferraum: Zwischen 338 und 1.225 Liter Gepäck passen hier hinein. Leider lässt sich die Rückbank nur im Ganzen umlegen, die dabei entstehende Stufe schlägt zusätzlich negativ ins Kontor.
Zellen-Kamerad
Platz für vier Leute ist also im Zoe locker vorhanden, die maximale Zuladung beträgt 440 Kilogramm. Unser Hauptaugenmerk richtet sich natürlich auf das Strom-Kraftwerk unter dem gefällig geformten Blech. Der Elektromotor leistet maximal 65 Kilowatt, das entspricht 88 PS. Die Nenndauerleistung gibt Renault mit 43 Kilowatt entsprechend 58 PS an. Seinen Saft holt sich der Motor aus einer Lithium-Ionen-Batterie, welche aus zwölf Modulen und 192 Zellen besteht. Ihre Gesamtspannung beträgt 400 Volt, 22 Kilowattstunden Energiekönnen gespeichert werden.Ein Leichtgewicht ist der Zoe freilich nicht, leer wiegt der Wagen ziemlich genau 1,5 Tonnen, wovon 290 Kilogramm auf die Akkus entfallen.
An der Spitze
Soviel fürs Erste in Sachen Theorie, doch wie sieht es in der Praxis aus? Dazu klemmen wir uns hinter das griffige Lederlenkrad und machen uns mit dem Startvorgang vertraut. Fuß auf die Bremse, Anlassknopf drücken und den Wählhebel in die Position D schieben. Lediglich das Wort "Ready" weist darauf hin, dass der Motor läuft. Doch auch nach dem Druck aufs Gaspedal bleibt es im Zoe fast totenstill, nur ein leichtes Sirren mischt sich unter die Abrollgeräusche der speziell entwickelten Michelin-Reifen. Und es geht richtig flott voran: Vier Sekunden von null auf 50 km/h machen den Sprint an der Ampel zum Vergnügen. Schon dieser Wert zeigt, dass der Zoe in der Stadt in seinem Element ist. Apropos zeigen: Die Instrumentierung ist angenehm reduziert, in der Mittelkonsole ist das bereits aus dem Clio bekannte Multimediasystem R-Link samt leidlich exaktem Navi serienmäßig verbaut. Der Fahrer blickt vor sich auf ein TFT-Display mit folgenden Infos: Füllstand der Batterie, Anzeige für Leistungsabruf oder Rekuperation in verschiedenen Farben, Digitaltacho und Kilometerzähler.
Weniger als gedacht
Das Stichwort Kilometer bringt uns zu einem der wichtigsten Aspekte des Renault Zoe: die Reichweite. Geprahlt wird ab Werk mit üppigen 210 Kilometern laut Neuem Europäischem Fahrzyklus (NEFZ). Die Zahl der real möglichen Kilometer liegt jedoch darunter und hängt stark von Parametern wie Witterung, gefahrener Strecke und Geschwindigkeit ab. Unsere Testfahrt führte durch die Stadt, über bergige Landstraßen und etwas Autobahn. Ergebnis: etwas über 140 Kilometer Reichweite. Anzuerkennen ist, dass Renault nichts unversucht lässt, den maximalen Radius zu vergrößern. Dazu zählen eine Innenklimatisierung nach Art einer Zweikreis-Wärmepumpe, die Wärme aus der Umgebungsluft mittels Kompressor verdichtet sowie ein Eco-Modus. Hierbei wird die Leistung des Klimasystems gedrosselt, der Elektromotor bringt nur 50 Prozent seiner Leistung. Das reicht locker, um in der Stadt mitzuschwimmen, an Steigungen und auf der Autobahn wird es aber zäh. Renault begrenzt den Zoe übrigens auf 135 km/h, wer im Eco-Modus dorthin kommen will, merkt bei etwa 100 Sachen einen deutlichen Widerstand im Gaspedal. Doch so schnell muss man gar nicht unterwegs sein, schon bei niedrigerem Tempo macht das Zoe-Gesamtpaket Laune. Dazu zählen eine direkt ansprechende Lenkung und ein straffes, aber nicht unkomfortables Fahrwerk. Ein Aspekt, der beim Fahren auffällt: Anders als bei manchem E-Konkurrenten hat das Loslassen des Gaspedals im Renault relativ wenig Bremswirkung, was konventionellen Piloten entgegenkommt.
Saft aus der Wand
Ist die Batterieladung auf zwölf Prozent gesunken, wird der Fahrer optisch und akustisch zum Aufladen ermahnt. Das kann auf vierfachem Weg geschehen: Zur Wahl stehen drei Schnellladeoptionen zwischen elf und 43 Kilowatt, wo im besten Fall schon nach 30 Minuten wieder 80 Prozent "Sprit" im Akku sind. Die Standardladung erfolgt per Wallbox mit 3,7 Kilowatt Ladeleistung, hier heißt es zwischen sechs bis neun Stunden warten. Eine Lösung für die klassische Steckdose ist bisher nicht vorgesehen, wird aber überlegt.
Preisgestaltung mit Haken
Prinzipiell also alles prima beim Zoe, doch unter dem Strich zählt allem Öko-Bewusstsein zum Trotz vor allem der Preis. Gerade bei Elektroautos ist er ein Knackpunkt und mit die Hauptursache, weshalb die Zulassungszahlen immer noch mau sind. Renaults Stromer beginnt bei 21.500 Euro, eine ordentliche Ausstattung mit Navi, Klimaautomatik und Tempomat inklusive. Empfehlenswert ist die Ausstattungslinie "Intens" für 23.500 Euro. Sie bietet zusätzlich eine Rückfahrkamera, das Lederlenkrad, Licht- und Regensensoren sowie elektrische Fensterheber hinten. Immer mit dabei ist ein Gutschein für eine Wallbox mit Basisinstallation. Doch bevor Sie jetzt begeistert ihr Sparbuch plündern, einen Haken hat die schöne neue Zoe-Welt. Für die Batterie wird eine zusätzliche monatliche Miete fällig: Sie variiert je nach Laufzeit und Laufleistung. Los geht es mit 79 Euro bei 36 Monaten und 10.000 Kilometer pro Jahr. Der Höchstsatz liegt bei 122 Euro für zwölf Monate und 20.000 Jahreskilometer. Im Gegenzug garantiert Renault eine Batteriekapazität von mindestens 75 Prozent, andernfalls wird der Akku getauscht. Die Mindestlebensdauer der Batterie beträgt sechs Jahre. Kaufen kann den Zoe prinzipiell jeder, doch Renault gibt unumwunden zu, dass man dem Kunden, der ohne Garage in der Innenstadt im vierten Stock wohnt, eher zu einem klassischen Clio raten würde.
Abzählbare Gegner
Derzeit ist die Konkurrenz für den Renault Zoe noch überschaubar: Mitsubishi hat schon seit längerem den i-MiEV im Angebot. Er kostet 29.300 Euro, ist aber nur 3,47 Meter lang und kommt auf 67 PS. Deutlich größer als der Zoe ist der Leaf von Konzernschwester Nissan. Er steht mit 33.990 Euro in der Preisliste. Ein ähnliches Vermarktungskonzept wie Renault verfolgt Smart mit dem zweisitzigen Fortwo Electric Drive: Das 75 PS starke E-Mobil kostet mindestens 18.190 Euro plus 65 Euro Batteriemiete, eine Wallbox ist nicht inbegriffen. Noch im Jahr 2013 debütieren zwei Zoe-Gegner aus deutschen Landen: Der größenmäßig ähnliche BMW i3 dürfte auch wegen seines hohen Kohlefaseranteils rund doppelt so teuer werden. VW bringt im Herbst den e-Up auf den Markt.