11. Oktober 2012
Paris, 12. Oktober 2012 - Mit ausladenden Armen steht Akira Tamatani vor seinem Baby aus Blech: dem neuen Mazda 6. Wie Schultermuskeln seien die vorderen Kotflügel geformt, die nach hinten ansteigende Gürtellinie der Limousine übernehmen den Part der Hüften, so sagt es der für den "roku" ("sechs" auf japanisch) verantwortliche Designer. Wie zum Sprung bereit sei das Auto. In der Mittelklasse soll die nächste Generation fette Beute machen. Gelingt dem neuen Mazda 6 Kombi die selbstbewusste Attacke auf Passat, Insignia und Co.?
Ein Fall für zwei Normalerweise muss man mit Aussagen von Autodesignern vorsichtig umgehen, doch Herr Tamatani kann zu Recht stolz sein. Schon der bisherige Mazda 6 war beileibe kein hässliches Auto, doch seinem Nachfolger wurde viel Spannung und Dynamik ins Blech gepresst, ohne sich in sinnfreien Lichtkanten-Orgien zu verlieren. Speziell die Limousine hat deutlich an Attraktivität dazugewonnen, während der Kombi nun noch schicker aussieht. Überraschung: Beide Varianten weisen unterschiedliche Abmessungen auf. Bei der Limousine sind es eine Länge von 4,87 Meter und ein Radstand von 2,83 Meter. Der für Europa konzipierte Kombi ist mit 4,80 Meter um sieben Zentimeter kürzer, sein Radstand erstreckt sich auf 2,75 Meter. Zusätzlich wurde der neue 6 um bis zu 100 Kilogramm abgespeckt.
Funktionale Maßkonfektion Wie sieht es mit den inneren Werten aus? Mazda weist darauf hin, dass es sich noch um Vorserienexemplare handelt. Das spürt man, einige Details sind noch nicht hundertprozentig exakt eingepasst. Zum Marktstart Anfang Februar 2013 sollte das aber kein Thema mehr sein. Der Blick schweift über das Cockpit: Ansehnliche Materialien, die Gestaltung ist schlicht, aber nicht spannungsarm. Ein Dreh-Drück-Steller in der Mittelkonsole hält die Zahl der Bedienknöpfe angenehm klein, man findet sich schnell zurecht. Gelungen ist das Multifunktionslenkrad mit großen, gut überschaubaren Tasten. Die Sitze könnten jedoch mehr Beinauflage vertragen, sie sind zudem nicht allzu breit geschnitten. Über dem Scheitel des Fahrers bleibt genug Luft, im Kombi gelingt der Einstieg in den luftigen Fond bequem. Besonders stolz ist Mazda auf die um zehn Zentimeter nach hinten versetzte A-Säule, die das Sichtfeld des Fahrers erweitern soll. Das darf angezweifelt werden, denn besagte A-Säulen neigen sich nun noch flacher, wirklich gute Sichtverhältnisse sehen anders aus. Auch der Blick nach hinten bringt nicht wirklich Pluspunkte, doch dieses Phänomen teilt sich der neue Mazda mit anderen Mittelklasse-Konkurrenten.
Kein Gepäck-Notstand Endlich können wir die Klappe so richtig aufreißen. Die Limousine bietet ein großzügiges Gepäckabteil von 489 Liter Volumen. Leider hat Mazda die bisherigen Gasdruckdämpfer durch Metallbügel ersetzt, wodurch der Heckdeckel sehr zügig hochschnellt. Ein weiterer Nachteil beim Stufenheck: Hier können die Rücksitzlehnen vom Kofferraum aus nur entriegelt werden. Besser ist es beim Kombi: Ein Griff, und es ergibt sich eine ebene Ladefläche. Hinein passen zwischen 522 und 1.664 Liter. Zum Vergleich: Ein VW Passat Variant bietet 603 bis 1.731 Liter. Eine clevere Idee der Mazda-Ingenieure: Das Gepäckrollo hat ein eigenes Fach unter dem Ladeboden, wohin es bei Nichtgebrauch verschwindet. Negativ: Die Heckklappe öffnet für Personen über 1,85 Meter Körpergröße nicht hoch genug. Die Drei-Liter-Mittelklasse Besonders stolz sind die Männer aus Hiroshima auf ihre neuen SkyActiv-Motoren. Dahinter verbergen sich Direkteinspritzer, die ein Verdichtungsverhältnis von 14 zu 1 aufweisen, laut Mazda das weltweit höchste in einem Serien-Pkw. Trotz einer Leistung von 145 PS soll der Benziner nur 5,5 Liter im Durchschnitt verbrauchen, beim 150-PS-Diesel sind es sogar nur 3,9 Liter. Nochmal: Drei-Komma-Neun. Zur besseren Einordnung: VW macht viel Brimborium um einen Passat Variant BlueMotion, der es mit gerade mal 105 PS auf 4,3 Liter im Durchschnitt bringt. Klar, es sind alles nicht zwingend praxisnahe Werksangaben. Trotzdem: Hut ab vor Mazda! Sparen durch Bremsen Wichtiger Bestandteil der Sparmaßnahmen ist das so genannte Eloop-System. Es handelt sich hierbei um ein regeneratives Bremssystem mit einem Kondensator. Wenn der Fahrer bremst oder vom Gas geht, wird die durch die Verzögerung gewonnene Energie im Kondensator gespeichert und für den Betrieb der elektrischen Verbraucher wie Klimaanlage oder Audiosystem benutzt. Vereinfacht ausgedrückt: Im Mazda 6 kostet ein kühler Kopf keinen Sprit. Einziger Wermutstropfen: Nicht bei allen Benzinern ist Eloop serienmäßig, Diesel-Kunden kriegen es immer inklusive.
Ein Hauch von Roadster Unsere Testrunden drehen wir im Mazda 6 Kombi, der in Deutschland traditionsgemäß am beliebtesten sein wird. Auf die erste Runde geht es mit dem 165 PS starken Zweiliter-Benziner. Dieser punktet mit guter Laufruhe, nur unter Last wird die Tonlage etwas brummig. Erst bei 4.000 Umdrehungen stehen die maximalen 210 Newtonmeter Drehmoment an. Der Griff zum kurzen Knüppel des Sechsgang-Getriebes ist daher öfters nötig, doch er macht Spaß: Die Schaltung begeistert mit kurzen Wegen und exaktem Einrasten, es weht plötzlich ein Hauch MX-5 durch den Mazda 6. Etwas mehr Rückmeldung könnte dessen Lenkung vertragen, doch dieser Effekt hält sich im Rahmen. Apropos Rahmen: Ab etwa 120 km/h bläst der Wind vernehmlich um die A-Säule. Rechts neben dem Tacho informiert ein Display den Fahrer über die Arbeit des Eloop-Systems. Tatsächlich fühlt man sich schnell dazu angespornt, den Fuß vom Gas zu nehmen, um mehr Energie zu speichern. Störend: die Spiegelungen des Armaturenbretts in der Frontscheibe. Gelassen gleiten Umstieg in den 150 PS starken Diesel mit 2,2 Liter Hubraum und neu entwickelter Sechs-Stufen-Automatik. In Zeiten von sieben oder acht Stufen klingt das fast etwas altmodisch, doch Kritiker können aufatmen, die Schalthilfe macht ihren Job gut. Gangwechsel erfolgen zügig und diskret, dabei wird die Drehzahl angenehm niedrig gehalten. Bei Tempo 100 liegen beispielsweise nur 1.750 Touren an. Der Selbstzünder ist akustisch durchaus vernehmbar, doch selten störend. Neben Eloop ist trotz Automatik auch ein Start-Stopp-System an Bord. Damit sollen laut Mazda bis zu 4,9 Liter im Durchschnitt möglich sein. Um Ausgewogenheit ist das Fahrwerk des Mazda 6 bemüht, allerdings reicht die Hinterachse grobe Stöße merkbar ins Wageninnere weiter. Bezahlbares Doppel Mitte November 2012 startet der Vorverkauf des neuen Mazda 6, ab 2. Februar 2013 steht er dann beim Händler. Bislang gibt es nur Angaben zu ausgesuchten Preisen, zum Beispiel der Einstiegsvariante. Los geht es bei 24.990 Euro für den Zweiliter-Benziner mit 145 PS. Ein feiner Zug von Mazda: Für diesen Preis gibt es sowohl die Limousine als auch den Kombi. Damit unterbieten die Japaner einen VW Passat Variant 1.4 TSI mit 122 PS und Trendline-Ausstattung um immerhin 1.110 Euro. Zur Serienausstattung des Mazda 6 zählen eine Klimaanlage, ein Start-Stopp-System, ein Audiosystem und 17-Zoll-Leichtmetallfelgen. Wer mag, kann zusätzlich diverse Assistenten bestellen, etwa zur Notbremsung bis 30 km/h oder der Abstandsregelung. Andere elektronische Helferlein helfen beim Spurwechsel, halten die Spur oder wechseln zwischen Fern- und Abblendlicht. Für Dieselfreunde beginnt der Spass im neuen Mazda 6 bei 28.490 Euro für das 2,2-Liter-Aggregat mit 150 PS. Das Spitzenmodell der 6-Baureihe ist der Diesel mit 175 PS in der höchsten Ausstattungslinie Sports-Line zum Preis von 35.090 Euro.