Mercedes E 220 Cabrio Test: Weniger ist mehr?
Testbericht
Ein Topmodell ist die Erfüllung – oder permanentes Nachfüllen. Als E 500 mit dem 408 PS-Biturbo-V8 ist das E-Klasse Cabrio, das mit dem 2013er Facelift in die zweite Lebenshälfte gestartet ist, mit Normverbrauchswerten von innerorts 12,1 Litern, außerorts 7,2 Litern und kombiniert 9,0 Litern in der Praxis ein häufiger Gast an der Tanke. Der E 220 Cabrio BlueTEC nicht. Knipst man die vernünftige Hirnhälfte an, sitzt man hier schon einmal bestens. Mit dem 2,1 Liter-Reihenvierzylinder-Diesel unter der Motorhaube – dem Einstiegsdiesel im Cabrio – und gut auf dem Drehzahlband verteilten Kräften. Den 400 Newtonmetern Drehmoment, die zwischen 1.400 und 2.500 Touren anstehen, schließt sich die Maximalleistung von 170 PS, die zwischen 3.000 und 4.200 Umdrehungen zur Verfügung steht, fast bündig an. Im Gegensatz zum E 500, der mit 75.600 Euro ins Budget schlägt, sind für das 49.600 Euro teure E 220 Cabrio BlueTEC 26.000 Euro weniger zu investieren. Mit weiterem Sparpotential. 5,8 Liter/100 km innerorts, 4,2 Liter außerorts und 4,9 Liter Diesel im Durchschnitt – versprechen Daimlers Werksangaben.
Sicherheit rundum inklusive. Die Bodengruppe und die A-Säulen wurden im Vergleich zum E-Klasse Coupé versteift. Beim Ausfahren des Daches fährt der Überrollschutz hinter den Rücksitzen ein Stück mit aus. Die Übersicht zur Seite hin ist, weil keine B-Säule stört, so vorbildlich wie im Coupé und das Fahrwerk von stoisch sicherer Reaktion, flankiert vom intelligenten Sicherheitspersonal wie dem Spurhalteassistenten oder den Totwinkelwarnern. Nimmt man die Hände etwas zu lang vom Lenkrad, wird der müde Fahrer erkannt und es setzt eine Warnung im Display. Ein fast voll ausgestattetes Mercedes E 220 Cabrio nimmt dem Fahrer, nach dem vielen Geld fürs Zubehör, ziemlich vieles ab. Mit dem gekonnt im Stau mitschwimmenden ACC-Tempomat oder der souveränen 7-Stufen-Automatik. Das Dach lässt sich bis zu einer Geschwindigkeit von 40 km/h in Fahrt öffnen und daraus resultiert dank dem „Airscarf“, dem Heizgebläse im Sitzoberteil, kein steifer Nacken. Bei so viel Verwöhnen bleibt viel Muße für die wesentlichen Dinge des Cabriofahrens: Luft und Landschaft.
Die wichtigste Schalter bleibt der fürs Dach, der genialste der fürs Aircap. Mit dem Wind-Umleit-Spoiler auf dem Scheibenrahmen wird der Zug in Union mit dem Windschott und den Seitenscheiben nicht nur auf den hinteren Sitzplätzen deutlich milder, sondern auch in der ersten Reihe. Nur dieses Surren, wenn das Aircap bei Geschwindigkeitswechseln häufiger elektrisch ein- und ausfährt, stört die stille Brise. Während des Verdecköffnens spürt man auch, dass nach fünf Jahren Produktionszeit heute schon modernere Verdeckkonstruktionen auf dem Markt sind, die sich geschmeidiger öffnen.
Genießen kann man viel, beklagen wenig. Vorne schmälern die flach stehenden A-Säulen das Cabriofeeling. Die Überrollschutz-Windschott-Einheit hinter den Fondsitzen verbaut die Übersicht hinten herum – ein richtig guter Grund, die Rückfahrkamera für 476 Euro zu bestellen. Die silberne Tachoscheibe ist nicht besser abzulesen, als es eine schwarze wäre, und die Ziffern werden für manchen Fahrer, wenn er sehr aufrecht sitzt, vom Lenkradkranz verdeckt. Hinter dem Fahrersitz wird es in einem optisch attraktiv geschnittenen Cabriolet der 4,70 Meter-Kategorie naturgemäß um die Beine etwas enger. Dank ansteigendem Heck liegt das Kofferraumvolumen bei 390 Liter. Offen bleiben davon 300 Liter – Dinge mit denen man nicht nur leben, sondern gut leben kann.
Diesel und Cabrio, das passt nicht? Eine veraltete Ansicht. Harmonischer als im E-Klasse Cabrio wird man selten an die Luft gesetzt. Dem hat sich auch der 2,1 Liter-Vierzylinder verpflichtet. Seinen Selbstzündertakt kann das Aggregat bauartbedingt zwar nicht ganz verbergen, aber wenn es in der Brise zwischen 1.000 und 1.500 Umdrehungen leise vor sich hinsäuselt, läuft es richtig gut, ohne das viel läuft. Der Einstiegsdiesel ist nicht nur auf dem Papier sparsam, sondern ganz real. Nach 744 Kilometern pumpt die Säule 52,75 Liter Diesel in den 66 Liter-Tank. Ein guter Wert für ein Cabriolet mit 1.845 Kilogramm Gewicht und Fahrleistungen, die mit 8,5 Sekunden bis 100 km/h und 230 km/h Spitze wenig vermissen lassen.
Ein Einstiegsmodell kann Erfüllung sein – ohne permanentes Nachfüllen. Der Verbrauch liegt im E 220 Cabrio BlueTEC im Test bei 7,1 Liter Diesel/100 km. Das ist nochmals deutlich weniger als mit dem 1,8 Liter-Vierzylinder-Turbobenziner im E 250 Cabrio, der sich 9,9 Liter/100 km genehmigte. Noch Fragen, warum es nicht immer das Topmodell sein muss? (Lothar Erfert)
Testwertung
Quelle: automobilmagazin, 2014-11-28
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