Mercedes GLA im Test: Stadtindianer mit Blender-Qualitäten
Testbericht
Granada (Spanien), 13. Februar 2014 - Alkohol ist das flüssige Photoshop, sagt Dieter Zetsche und meint damit: Den neuen GLA muss man sich nicht schöntrinken, und man braucht auch nicht die elektronische Bildbearbeitung anzuwerfen. Der GLA sieht gut aus, findet der Mercedes-Chef. Na, wenn Zetsche das sagt, muss es wohl stimmen. Er fügt noch ein paar andere Aphorismen an, zum Beispiel "That's the best thing you can do with your clothes on”. Oder, mit Bezugnahme auf das TV-Dschungelcamp: "Promis, die ins Gelände gehen, haben ihre beste Zeit hinter sich, Autos, die ins Gelände gehen, haben sie noch vor sich." Nach einiger Zeit schwirrt mir der Kopf von all den markigen Worten. Gut, dass ich den GLA selber fahren kann, um mir ein Urteil zu bilden.
Optik: Mission accomplished
Also zuerst mal die Optik. Ich muss sagen, das Heck des GLA ist gelungen, die Seitenansicht auch. Die Front ist halt die der neuen A-Klasse, besonders gut gefällt sie mir nicht, mir sind die Formen zu üppig. Insgesamt ist die Karosserie eben das genaue Gegenteil eines VW Golf: nicht kühl und rational, sondern emotional und sportlich. Mit den großen Rädern und dem stämmigen, breiten Heck ist das Auto aber tatsächlich schick. Und das ist genau das, was Mercedes will: weg von den repräsentativen Autos für konservative Fahrer über 50, wieder mehr die Jungen ansprechen. Wirklich jung bin ich mit 48 zwar nicht mehr, aber immer noch unter dem Mercedes-Durchschnitt, denn der durchschnittliche Käufer ist 56,2 Jahre alt. Kurz und gut: In puncto Optik kann man ein Häkchen setzen, mission accomplished. Und wenn mir das Auto gefällt, dann ist das verdammt nochmal relevant, denn altersmäßig falle ich in die Zielgruppe.
Blender oder Nicht-Blender?
Nun kann man aber aussehen wie ein Bodybuilder, und trotzdem vor jeder kleinen Hausspinne Angst haben. Zetsche aber sagt vom GLA: "Er ist kein Blender." Das Auto habe das G im Namen - G für Gelände - tatsächlich verdient. Aber ich weiß nicht so recht. Bergabfahrkontrolle und Offroad-Getriebesteuerung schön und gut, doch: Was soll man von einem Gelände-Auto halten, das eine Bodenfreiheit von 16,4 Zentimeter hat? Und wo der Unterfahrschutz aus grauem Plastik besteht? Es ist genau wie bei BMW X1 und Audi Q3. Ins Gelände sollte man mit solchen Autos nicht fahren, auch wenn man Allradantrieb hat. Wirklich kein Blender? O doch, ein bisschen Show ist beim Auftritt des GLA schon dabei. Wenn ich das Offroad-Gerede höre, bekomme ich Falten, und das ist nicht gut. "Cause when you worry your face will frown, and that will bring everybody down”, singt Bobby McFerrin. Von SUV will ich nichts mehr hören, und kommt mir nicht mehr mit eurem Gelände. Einfach nur ein schickes Auto! Ist doch auch prima, oder?
Alles andere als durstig?
Also zum dritten Kaufgrund für den GLA, laut Zetsche: "Er ist alles andere als durstig". Nehmen wir den GLA 250 4Matic. 211 PS, Normverbrauch 6,5 Liter. Der genauso starke Audi Q3 mit Allradantrieb und Doppelkupplungsgetriebe braucht gleich 7,7 Liter, der nur 184 PS starke BMW X1 xDrive20i 7,5 Liter. Hier hat Zetsche also recht. Wie schafft Mercedes das? "Er ist ein Streber im Windkanal", sagt der Herr der Sterne. Mit einem cW-Wert von 0,29 soll das Auto besser sein als jedes andere SUV, auch die Luftwiderstandsfläche cW mal Stirnfläche ist mit 0,66 Quadratmeter klein. BMW gibt für den X1 0,33 mal 2,33 gleich 0,77 Quadratmeter an. Ein paar Gründe für die guten Werte sind offensichtlich: Die Windschutzscheibe des GLA liegt sehr flach, und das Auto ist mit weniger als 1,50 Meter auch nicht wirklich hoch.
Ob Zetsche da wohl reingeht?
Dass der GLA windschnittig ist, spüre ich allerdings auch innen. Allenfalls ein paar Zentimeter sitze ich höher als in einem normalen Schrägheckauto. Und allzu groß darf man auch nicht sein. Schon mein 1,83 Meter langer Beifahrer berührt mit dem Haar das Dach. Klar, das Glasdach senkt die Kopffreiheit. Aber die Mercedes-Ingenieure können noch so oft beteuern, dass Zetsche ohne Probleme in den GLA passt: Große werden im GLA nicht glücklich. Auch seitlich ist der Raum begrenzt, die Türe ist nie weit weg vom Ellenbogen. Lobenswert ist allerdings die Kniefreiheit im Fond. Nach oben sieht es dort nicht ganz so fürstlich aus, königliche Hoheiten müssten ihre Kronen absetzen, selbst wenn es sehr kleine Montagskronen sind. Der Kofferraum bietet 421 bis 1.235 Liter Platz. Viel mehr als bei einem normalen Schrägheck-Auto ist das nicht. Aber der GLA liegt damit etwa auf Höhe der Konkurrenten. Lange Gegenstände lassen sich verstauen, wenn man den umklappbaren Beifahrersitz geordert hat. Ebenfalls als Extra ist die elektrisch betätigte Kofferraumklappe verfügbar - in der Kompaktklasse macht sowas noch Eindruck. Das gleiche gilt für Elektronik wie einen Abstandstempomaten.
Cockpit: Schick, aber auch etwas blendermäßig
Für das Cockpit des GLA gilt Ähnliches wie für das Äußere. Das Wort schick passt: tolle Luftausströmer mit Metalleinfassung, ein schickes tabletartiges Display in der Mittelkonsole, Leder am Armaturenbrett mit roten Kontrastnähten, wow. Aber auch innen hat der GLA etwas von einem Blender. Das Tablet-Display kostet in voller Größe und Schönheit fast 3.500 Euro Aufpreis. Und wie der Unterschutz nicht aus Stahl sondern aus Plastik besteht, so entpuppt sich die Interieurblende, anscheinend aus gebürstetem Alu gemacht, ebenfalls als schnödes Plastik. Und die Sportsitze sehen mit ihren integrierten Kopfstützen aus wie für Rallyefahrer gemacht, aber in der Kurve umschließen mich die AMG-Sitze weitaus besser.
Vier Motoren, nur selten mit Schaltung
Den GLA gibt es ab Marktstart am 14. März 2014 mit zwei Dieseln und zwei Benzinern. Die Versionen heißen GLA 200 CDI, 220 CDI, 200 und 250. Anfang Juli 2014 kommt noch der 360 PS starke GLA 45 AMG hinzu. Nur die Grundmodelle auf Otto- und Dieselseite gibt es auch mit Handschaltung, die übrigen fahren mit Doppelkupplung. So auch der GLA 220 CDI 4Matic, in den ich mich zuerst setze. Um es gleich zu sagen: Wenn der Motor tatsächlich 170 PS hat, wie es im Datenblatt steht, dann verbirgt er sie sorgfältig. Auch wenn das Auto in 8,3 Sekunden auf Tempo 100 kommt, fühlt man sich damit nicht wirklich schnell. Anders ist das beim gleich darauf gefahrenen GLA 45 AMG. Klar: 360 PS, da fehlt einem in puncto Vortrieb nichts. Ich vermisse etwas anderes: die Möglichkeit, mit der rechten Hand zu schalten. Die Mercedes-Ingenieure verweisen darauf, dass bei 450 Newtonmeter Drehmoment nun mal kein Schaltgetriebe mehr mitkommt, und dass man mit den Schaltwippen am Lenkrad doch viel schneller ... Sie haben sicher recht, ich bleibe trotzdem dabei: Mir machen kurvige Bergstrecken wie in der Sierra Nevada nur mit einer traditionellen Schaltung wirklich Spaß.
Spaß nur auf den geeigneten Straßen
Als letzten Kandidaten nehme ich mir den 250 4Matic vor, wiederum mit Allradantrieb und Siebengang-Doppelkupplung. 211 Turbo-PS, da muss der kompakte GLA doch abgehen wie der Teufel? Nun ja. Auf ebener Strecke ist er lammfromm, ein guter Cruiser, bei dem einem das Beschleunigen - laut Datenblatt dauert der Standardsprint 7,1 Sekunden - gar nicht so wirklich in den Sinn kommt. Einen anderen Eindruck erhält man auf Bergstraßen. Dort sause ich bergauf, schalte vor der Kurve per Paddles herunter und danach auf der Geraden wieder hoch, und bei alldem stellt sich auch der Spaß ein. Hier fällt das straffe, wankresistente Fahrwerk positiv auf. Es gefällt mir aber auf schlechten Oberflächen ebenfalls, denn wirklich ungemütlich wird es damit nie. Einstellen lässt sich das GLA-Fahrwerk übrigens nicht - adaptive, verstellbare Stoßdämpfer bietet Mercedes in der gesamten Kompaktklasse nicht. Die Modi Economy, Manuell und Sport haben vor allem Einfluss auf die Getriebesteuerung des Doppelkupplungsgetriebes, dazu beeinflussen sie noch den Allradantrieb: Im Sportmodus gelangt mehr Kraft nach hinten. Zur Heckschleuder wird das Auto aber auch dann nicht.
Preise: Auf Augenhöhe der Konkurrenz, aber ...
Und die Preise? Nun ja, die tun auf den ersten Blick schon etwas weh. Erst bei 29.303 Euro geht es los, dafür gibt es den GLA 200 mit 156 PS. Für eine ähnliche Summe bekommt man zum Beispiel auch einen VW Golf GTI, der den GLA 200 beim Sprint locker in die Tasche steckt. Ein GLA 250 4Matic kostet schon 37.497 Euro, nicht viel weniger als der 300 PS starke Golf R, der beim Sprint ebenfalls locker vorne liegt. Mit der direkten Konkurrenz liegt der Mercedes aber etwa auf Augenhöhe. Der Audi Q3 2.0 TFSI mit ebenfalls 211 PS kostet fast dasselbe wie der GLA 250 4Matic. Der BMW X1 xDrive20i ist mit 34.000 Euro zwar günstiger, bietet aber auch weder Doppelkupplungsgetriebe noch ebenbürtige Leistung.
Technische Daten
Antrieb: | Allradantrieb mit elektronisch gesteuerter Lamellenkupplung |
---|---|
Anzahl Gänge: | 7 |
Getriebe: | Doppelkupplungsgetriebe |
Motor Bauart: | Turbobenziner in Reihenanordnung, Direkteinspritzung über Piezo-Injektoren |
Hubraum: | 1.991 |
Anzahl Ventile: | 4 |
Anzahl Zylinder: | 4 |
Leistung: | 155 kW (211 PS) bei UPM |
Drehmoment: | 350 Nm bei 1.200 UPM |
Preis
Neupreis: 37.497 € (Stand: Februar 2014)Fazit
Ja, Herr Zetsche, der GLA sieht gut aus, besser als die anderen kompakten Mercedes-Modelle. Aber es tut mir schrecklich leid, er ist durchaus ein Blender: Das Auto wirkt emotionaler und sportlicher, als es sich fährt. Der GLA ist ein guter Cruiser, die Beschleunigungsdaten sind bei entsprechender Motorisierung ordentlich, der Verbrauch ist kaum höher als bei einer entsprechenden A-Klasse. Das Etikett SUV aber passt nicht, und mit G wie Gelände hat der GLA erst recht nichts zu tun. Autos wie der GLA, der BMW X1 oder der Audi Q3 sind Stadtindianer. Für Leute, die ein SUV suchen, weil sie gerne hoch sitzen, ist der GLA ein Fehlgriff. Nein, den GLA kauft man, weil er besser aussieht als eine normale Schräghecklimousine - ohne viel mehr zu können.
+ innen und außen schick, sparsam
- Sitzposition nicht viel höher als bei Limousinen, Kofferraum nicht viel größerTestwertung
Quelle: auto-news, 2014-02-13
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