Praxistest: Volvo S80 V8 - Wenn Elche träumen
Wer sagt, dass die Schweden nur gemütlich über ihre schier endlosen Landstraßen gleiten wollen? Volvo hat die Zeichen erkannt und will den zumeist deutschen Premiumherstellern nicht allein das Feld der Luxuslimousinen überlassen. Zugegeben, es geht ihnen längst nicht nur um Schweden oder Europa. Bereits die erste S80-Generation fand nicht nur in Skandinavien sondern insbesondere den USA redlichen Absatz. Der nordamerikanische Markt forderte seit Jahren mehr Leistung und mehr Zylinder. Und auch die skandinavische Oberschicht freut sich über einen S80, der nicht mehr von aufgeblasener Turbopower sondern einem echten Achtzylinder angetrieben wird.
Bereits beim beliebten Edel-SUV XC90 hat sich der gemeinsam mit Yamaha entwickelte Achtzylinder einen Namen gemacht. Zwar kann man mit 4,4 Litern Hubraum und 315 PS nicht ganz dem Tatendrang von vergleichbaren Triebwerken aus Stuttgart, München oder Ingolstadt folgen. Doch auf dem Volumenmarkt USA interessiert das bekanntlich nur wenige. Logisch also, dass auch der neu entwickelte Volvo S80 als Aushängeschild der Marke mit dem Langhuber zu bekommen ist. Wer meint, dass der drehmomentstarke Commonrail-Diesel mit knapp 2,5 Litern Hubraum und 185 PS die Idealbesetzung für einen wie den S80 ist, hat noch keine zehn Kilometer im V8 zurückgelegt. Man kann darüber streiten, ob man bei einem derart komfortabel abgestimmten Cruiser mehr als 300 PS benötigt - aber Kraftentfaltung und Geräuschniveau lassen selbst die Zweifler skandinavischer Fahrkultur schnell verstummen. Kein Vergleich zum mitunter nicht gerade harmonischen Turbosechszylinder, der seine Leistung an die Vorderachse brachte.
Der neue S80 V8 setzt serienmäßig auf Allradantrieb wenngleich auf keinen wirklich guten. Im normalen Fahrbetrieb bringt der Schwede nahezu die komplette Motorleistung an die Vorderachse. Das spürt man deutlich im Lenkrad - besonders beim starken Beschleunigen und bei rutschiger oder glatter Fahrbahn. Erst wenn an der Vorderachse Schlupf auftritt, wird ein Teil der Kraft per Haldexsystem an die Hinterachse gebracht. Im Vergleich mit den Systemen von BMW (xDrive), Mercedes (4matic) und Audi (quattro) fährt man in punkto Fahrdynamik beim Volvo das schwächste Paket. Trotzdem hilft der Allradantrieb, die satte Leistung von 232 kW/315 PS und 440 Nm bei 3.900 U/min, auch bei Glätte auf die Straße zu bringen. Von 0 auf 100 km/h in 6,5 Sekunden und eine abgeregelte Höchstgeschwindigkeit von 250 km/h zeigen, dass Volvo längst nicht mehr allein auf Sicherheit und Schwedencharme setzt.
Der angekündigte Durchschnittsverbrauch von knapp zwölf Litern Super auf 100 Kilometern lässt sich wohl nur auf amerikanischen Highways und in den Weiten Schwedens einhalten. Im deutschen Alltagsgeschäft muss man mit mindestens 13,5 Liter pro 100 Kilometern kalkulieren. Wem das zu viel ist, der sollte sich lieber für den kraftvollen, aber recht lauten D5-Motor entscheiden.
Die Optik des 4,85 Meter langen Volvo S80 ist dezent und unterscheidet sich kaum vom Vorgänger. "Rund 95 Prozent der Teile sind neu. Wir haben den neuen S80 bewusst an der Optik des Vorgängers angelehnt, um den Sprung für den Kunden nicht allzu groß zu machen", sagt S80-Produktmanagerin Silvia Gullsdorf: "Die Marktanteile des komplett neuen Volvo S80 sollen so deutlich gesteigert werden." Alles neu, aber keiner siehts auch das ist Understatement. Der Innenraum zeigt sich auf Oberklasseniveau und im bekannt klaren Volvo-Styling. Die elektrischen Ledersitze sind bequem, etwas zu hoch und lassen sich für Fahrer und Beifahrer jeder Größe einstellen. Etwas mehr Seitenhalt wäre schön. Aber das ist - abgesehen von den R-Modellen - einfach nicht die Stärke der Schweden. Auch im Fond lässt es sich prächtig reisen. Kopf-, Bein- und Schulterfreiheit sind üppig. Die Rückbank ist wie auch die Vordersitze eine Spur zu weich und die Sitzheizung vorne wie hinten einfach nur angenehm.
Die Mittelkonsole ist das Prunkstück des Innenraums eine Vielzahl an Knöpfen und trotzdem einfach zu bedienen. Wieso es zwei Displays jeweils für Soundsystem und Navigationsbildschirm gibt, bleibt ein Geheimnis. Gestartet wird wie bei vielen anderen per Starterknopf. Eine tolle Sache - aber nur dann, wenn man den Schlüssel in der Tasche lassen kann. Beim Volvo aber muss man ihn stecken. So bringt das ganze nicht die Spur eines Mehrwerts. Der Kofferraum liegt mit 485 Litern auf Klassenniveau. Die Zuladung liegt bei 504 Kilogramm.
Ein echter Mehrwert ist das unverständlicherweise nur optionale Fahrwerkssystem Four-C, bei dem der Pilot die Möglichkeit hat, das Fahrwerk auf seine persönliche Fahrweise abzustimmen. Ohne Four-C ist der S80 ein prächtiger Cruiser - aber eben auch nicht mehr. Bei schnell gefahrenen Kurven, Lastwechseln oder forschen Autobahnpassagen wünscht man sich schnell ein strafferes Fahrwerk. So ist der 1,8 Tonnen schwere Schwede zu weich und schwammig. Auch Lenkung und Bremsen könnten mehr Biss vertragen. Damit bleibt der S80 das, was er schon immer war: eine ideale Reise- und Langstreckenlimousine.
Trotz aller Motorleistung und dem gewachsenen Tatendrang kommt auch beim neuen S80 das Thema Sicherheit nicht zu kurz. Wer Extras wie Kurvenlicht oder den intelligenten Abstandstempomaten einmal schätzen gelernt hat, möchte sie nicht mehr missen. Ebenfalls pfiffig: Der seit zwei Jahren erhältlichen Überholassistenten, der dem toten Winkel den Schrecken nimmt. Der Preis für den Volvo S80 V8 Momentum beginnt bei 57.450 Euro. Die exzellent ausstaffierte Ausstattungsvariante Executive schlägt mit 68.120 Euro zu Buche. Das Volumenmodell, der 185 PS starke D5-Motor mit Partikelfilter beginnt dagegen zwar bei 37.550 Euro, lässt in Sachen Serienausstattung jedoch einige Wünsche offen.
Quelle: Autoplenum, 2008-01-25
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