3. Februar 2015
Lissabon (Portugal), 4. Februar 2015 - Was macht einen erfolgreichen Sportwagen aus? Nimmt man den Porsche 911 als Beispiel, dann gibt es da sicher mehrere Faktoren. Einer davon: Er ist in gefühlten 145 Varianten erhältlich. Sprich: Jeder bekommt genau den Elfer, den er will. Was das mit dem neuen Jaguar F-Type (die Briten nennen ihn F-Type-Modelljahr 2016) zu tun hat? Nun, man hat sich dazu entschlossen, auch die Anzahl seiner Versionen massiv aufzustocken. Vom Derivate-König Porsche 911 ist er zwar noch ein gutes Stück weg, aber aus sechs F-Types hat man nun immerhin 14 gemacht. Der Schlüssel zum Wachstum: Allradantrieb und ein neues Schaltgetriebe.
Amerikanische Bedürfnisse Wenn Sie sich nun fragen, wer so was beim F-Type braucht, dann schauen Sie mal über den großen Teich. Nordamerika lechzt offenbar nach mehr Traktion, weil man sich dort mit dem lebhaften Hintern des Briten-Sportlers etwas schwer tut. Und Schaltgetriebe für Fahrmaschinen scheinen in den USA sowieso recht "en Vogue" zu sein. Hat wohl was europäisch-puristisches. Man muss es nicht verstehen. Gut verständlich ist allerdings das neue Allradsystem des F-Type. Vor allem, weil es die traditionellen Jaguar-Sportwagenwerte - kunstvoll qualmende Hinterreifen und weit ausscherende Heckabteile - nicht verleugnen soll. Das System (größtenteils bekannt aus den Limousinen XJ und XF) schickt also in den meisten Fällen 100 Prozent des Drehmoments nach hinten. Nur wenn Schlupf erkannt wird, können bis zu 50 Prozent der Kraft über eine elektronische Lamellenkupplung auch nach vorne geleitet werden. In der Praxis sind es aber eher zehn bis 30 Prozent. Der F-Type soll ja weiterhin Spaß bereiten. Apropos: Der Gewichtszuschlag beträgt knapp 80 Kilo.
Alles selbst entwickeltDie ganze Regelei übernimmt ein von Jaguar selbst entwickeltes System namens Intelligent Driveline Dynamics (IDD). Es überwacht neben der Lamellenkupplung auch den Antrieb, das Hinterachs-Differenzial sowie die Stabilitätskontrolle und die jeweiligen Fahrmodi. Ebenfalls neu und eine echte Jaguar-Premiere ist ein System namens EPAS. Hinter dem geheimnisvollen Kürzel verbirgt sich eine weniger geheimnisvolle elektromechanische Lenkung. Fünf Jahre hat Jaguar an EPAS herumgedoktert, bis man das Gefühl hatte, es mit dem Gefühl einer hydraulischen Lenkung aufnehmen zu können.
Auch Cabrio nun als R-Version Weitere Änderungen für die AWD-Varianten des F-Type: Es gibt eine neue Software für die elektronischen Stoßdämpfer, zehn Prozent steifere Federraten und steifere Buchsen an den vorderen Querlenkern. Optisch werden nur echte Experten die Unterschiede erkennen. Es gibt einen minimal größeren Powerdome auf der Motorhaube sowie ein paar zusätzliche Lufteinlässe. Und um den Neuheiten-Reigen endlich abzuschließen: Das Torque-Vectoring-System ist nun für alle F-Types zu haben, es gibt ein neues Sport-Design-Paket sowie ein wenig Kosmetik und mehr Konnektivität für das Infotainmentsystem. Ach ja, und beim Cabrio entfällt der V8 S zugunsten des R-Modells mit 550 PS. Die wenigsten Frischluft-Freunde dürften sich über die 55 Extra-PS ärgern. Traktion wie quattro Wir starten unseren Test mit dem 380 PS starken F-Type S AWD Coupé, einer bewässerten Handling-Strecke und dem voll auf Traktion ausgelegten Regen-/Eis-/Schnee-Modus. Den Vollgas-Start auf stehend nassem Geläuf absolviert das Auto, wie man es sonst eher von Audis S- und RS-Modellen kennt - ziemlich humorlos, ohne erkennbaren Schlupf. In engen Kehren darf das Gaspedal nun deutlich früher durchgedrückt werden, der Allrad-F-Type zieht sich trotzdem blendend aus der Affäre. Die Traktion bricht unter vollem Gaspedal-Einsatz erst sehr spät. Die Folge ist ein leichter und progressiver Heckschwenk, den das Auto aber schnell und effektiv begradigt. Bis hierhin ziemlich beeindruckend. Starke Lenkung Weiter geht es mit dem 550 PS starken Topmodell F-Type R AWD auf der ehemaligen Formel-1-Strecke von Estoril. Der heckgetriebene R ist ein nicht immer leicht zu bändigendes Biest und der Allradantrieb könnte gerade hier ein echtes Plus darstellen. Auch Petrus scheint Allrad-Fan zu sein, denn es schüttet und der 4,2 Kilometer lange Kurs wird zur reinsten Rutschbahn. Was dennoch gleich auffällt, ist die Güte der neuen Lenkung. Nicht so extrem spitz wie das alte hydraulische System, aber nach wie vor sehr schnell, agil und voller Gefühl. Wie schon in der neuen Mittelklasse-Limousine XE zu erkennen, hat Jaguar eine der besten elektromechanischen Lenkungen gebaut.
Weniger nervös Aufgrund der wirklich nassen und rutschigen Fahrbahn bei unserem Test in Estoril ist ein dezidiertes Urteil zu den dynamischen Fähigkeiten des F-Type R AWD kaum möglich. Das Wenige, das haften bleibt (im wahrsten Sinne): Der F-Type fühlt sich durch den Allradantrieb am Gas weniger nervös und hibbelig an, offenbart jedoch beim ambitionierten Herausbeschleunigen aus der Kurve durchaus einen hecklastigen Charakter. Das Coupé ist wahnsinnig agil und spielerisch, wirkt aber nach wie vor nicht so sehnig und fokussiert wie ein Porsche 911 oder so Waffenschein-pflichtig schnell wie ein 911 Turbo. Schaltgetriebe muss nicht sein Dieser Zustand gilt übrigens auch für das neue Sechsgang-Schaltgetriebe des F-Type. Es lässt sich leicht durchschalten und flutscht gut, dürfte für einen Sportler aber durchaus ein wenig kürzer und knochiger durch die Gassen knallen. Außerdem verschlechtern sich Beschleunigungswerte und Verbrauch signifikant. Zumindest für uns gibt es daher kaum Gründe (außer den 2.500 Euro Preisvorteil), die neue Gangschaltung dem hervorragenden Achtgang-Automaten (beide stammen von ZF) vorzuziehen. Erstmal durchblicken Wenn Sie der F-Type-Virus jetzt voll gepackt hat, dann nehmen sie sich ein wenig Zeit für die Auswahl des richtigen Modells. Ganz unkompliziert ist das nämlich nicht. Das Schaltgetriebe gibt es nur für die beiden Sechszylinder mit 340 und 380 PS. Der Allradantrieb wiederum bleibt dem 340-PS-Basismodell verwehrt. Schaltgetriebe plus Allrad gibt es gar nicht. Den Einstieg bildet nun also der F-Type-V6-Coupé-Handschalter für 65.000 Euro. Der Allrad-Spaß beginnt mit dem F-Type S AWD Coupé bei 85.500 Euro und für das neue Spitzenmodell F-Type R AWD Coupé müssen mindestens 112.800 Euro berappt werden. Das F-Type-Cabrio-Portfolio startet nun bei 72.000 Euro und endet mit 550 PS und Allrad bei 119.800 Euro. Der Traktions-Aufschlag beträgt beim Katzen-Sportler also 6.000 Euro. Zum Vergleich: Die Porsche-911-Basis (350 PS, Schalter) ist mit 90.417 Euro deutlich teurer. Das gilt auch für das allradgetriebene Porsche 911 Turbo S Cabrio mit 560 PS, das ab 209.774 Euro zu haben ist.