Testbericht
16. Mai 2012
Es gibt Allradler, die so tun, als könnten sie sich hemmungslos auf Geländeschikanen einlassen. Dabei ist ihr Wesen darauf ausgerichtet, sich in erster Linie dort zu bewegen, wo sich die gewöhnliche Gattung Automobil zu Hause fühlt: auf Straßen und Wegen. Heutzutage ist es eben einfach schick, sich ein SUV mit dem Aussehen eines Alleskönners zuzulegen. Dass es in vielen Fällen nur per Frontantrieb vorangehen kann, weil mehr gar nicht da ist, sieht man ja nicht. Doch selbst die Formel 4x4 setzen sogar ausgewiesene Geländegänger unterschiedlich beeindruckend um. Zur Gilde jener Unerschrockenen, die sich in Geländekulissen gern mit der Physik anlegen, zählt auf jeden Fall Nissans X-Trail. Wer erlebt, wie souverän dieser Typ Off-Road-Tücken gemeinster Art bewältigt, der befürchtet, dass das angeborene Talent nach und nach verkümmert, sollte es im Autoalltag so gut wie nie herausgefordert werden. Schon im Auftritt des X-Trail, so scheint es, widerspiegeln sich besondere Gene. Von vornherein fordert der knuffige, stattlich-erhabene Karosserieaufbau Respekt ein. Hier zeigt sich offensichtlich einer bereit, durch Dick und Dünn zu gehen. Grenzen, die natürlich auch ein X-Trail hat, wird vermutlich derjenige, der sich mit ihm ins Gelände wagt, gar nicht erfahren, weil den Piloten vermutlich vorher der Mut verlässt, etwa bei der Bewältigung krasser Böschungswinkel im Geländeprofil aufs Ganze zu gehen. Standfestigkeit und Traktionsreserven werden noch immer gegenwärtig sein, wenn der Pilot vorsichtshalber aufgibt.Allrad bei BedarfDen Vortrieb beim X-Trail 2.0 dCi (Testwagen) über alle vier Räder oder nach einfacher Knopfdrehung nur über die Vorderräder besorgt ein Vierzylinder-Common-Rail-Turbodiesel, der 110 kW (150 PS) leistet. 320 Newtonmeter kommen als maximales Drehmoment zustande. Das Angebot erlaubt, in der Ebene auch schon mal bei Drehzahlen nahe 1.000 U/min den 6. Gang zu wählen. Der Gangwechsel, zu dem bei unpassender Drehzahl aufgefordert wird, vollzieht sich flüssig. Auf dem Weg vom zweiten zum dritten Gang lässt sich der Schalthebel allerdings ganz gern ein bisschen von der Fahrerhand führen.Genügsam im VerbrauchDer Turbodiesel-Treibsatz läuft gesittet. Eigentlich kommt der Wunsch nach mehr Leistung nicht auf, wenn verinnerlicht wird, dass man in keinem Sportwagen, sondern in einem echten Geländegänger sitzt. Und so geht auch die erreichbare Höchstgeschwindigkeit nahe 190 km/h durchaus in Ordnung. Auf dem Weg dorthin treibt es den Kraftstoffverbrauch allerdings peu à peu in den zweistelligen Bereich. Dabei kam der Testwagen im Alltagseinsatz durchaus mit genügsamen sechs bis sieben Liter Diesel über die Runden. Während sich im großvolumigen Fahrgastgehäuse, das wie ein Resonanzkörper wirkt, die Rollgeräusche der winterbereiften Räder und der Allradantrieb mit deutlichem Rauschen abbilden, ist auch bei höherem Tempo vom Turbodiesel kaum etwas zuhören. Das Fahrwerk dieses unerschrockenen Geländegängers wurde darauf ausgerichtet, selbst Buckelpisten so weit „einzuebnen“, dass deren Gemeinheit nur in stark abgeschwächter Form bis zu den Insassen durchschlägt. Alles aber hat ja leider eine Kehrseite. Das „weiche“ Fahrwerk und der hohe Karosserieaufbau machen den X-Trail nicht zum Kurvenkönig. Angenehm reisen lässt es sich mit einem X-Trail allemal, vor allem dann, wenn – wie beim Testwagen in der höchsten Ausstattungsstufe LE – auf komfortablen Ledersitzen Platz genommen werden kann. Im Fond allerdings werden nur Mitfahrer mit einem Köpermaß unter 1,80 Meter glücklich. Offenbar gehen dem Höhenmaß ein paar Zentimeter durch das elektrische Glas-Schiebedach und das dazugehörige Sonnenrollo verloren. Für die große Urlaubsreise gibt es an Bord mehr als ausreichende Stau- und Ablagemöglichkeiten.Praktisch und schlicht das InnenlebenDas Cockpit legt es nicht darauf an, mit sachlicher Schlichtheit in helle Begeisterung zu versetzen. Doch beim X-Trail wird der Beweis angetreten, wie sich auch mit Kunststoffmaterialien im Bereich des Armaturenträgers und der Türverkleidungen ein durchaus ansprechender Gesamteindruck erreichen lässt. Passend zu den Ledersitzen gibt es natürlich ein Lederlenkrad mit den allgemein üblichen Tasten zur Steuerung von Bordcomputer, Radio, Telefon, Tempomat. Lenkradspeichen verführen zu Ansammlungen von Bedientasten und Stellrädchen. Nissan wollte wohl nicht übertreiben und ließ zwei Freiplätze unangetastet. Gut so. Bestens im Fahrerblick liegen die beiden obligatorischen Rundinstrumente. Und genau dazwischen gibt es die Informationen, die sich vom Bordcomputer abrufen lassen. Während sich die Hauptschaltzentrale im Cockpit klar und übersichtlich dem Fahrer präsentiert, ließ sich vom Navigations- und Audio-/Video-System (Pioneer) des Testwagens keineswegs per Handstreich Besitz ergreifen. Die Menüführung für Fahrziel, Telefon oder den Bedienbildschirm fürs Audio-/Video-System scheint verschlungene Wege zu gehen, die sich auch noch beim zweiten und dritten Versuch nicht überzeugend ergründen lassen. Die Arbeitsteilung zwischen Hardwaretasten und Touchscreen-Bedienschritten vereinfacht den Umgang nicht. Zudem sind die Starttasten für die Systeme so winzig ausgefallen, als seien sie zur Installation in einer Puppenstube vorgesehen. Ehe das ganze Können des Gesamtsystems erfasst wird und genutzt werden kann, bedarf es offenbar einiger hingebungsvoller Trainingseinheiten. Zeit wird sich lassen müssen, wer nicht nur mit dem X-Trail klarkommen will (das klappt auf Anhieb), sondern auch mit dem System Pioneer F930BT. (Auto-Reporter.NET/Wolfram Riedel) Daten Nissan X-Trail 2.0 dCi: Länge x Breite x Höhe (Meter): 4,63 x 1,79 x 1,69Motor (Bauart, Hubraum): 4-Zylinder-Common-Rail-Turbodiesel, 1.995 ccm Max. Leistung: 110 kW/150 PS Max. Drehmoment: 320 Nm Kraftstoffverbrauch (nach NEFZ, kombiniert): 6,4 l/100 km CO2-Emission: 168 g/km Höchstgeschwindigkeit: 190 km/h Beschleunigung 0 bis 100 km /h: 11,2 sLeergewicht/zul. Gesamtgewicht: 1.680/2.170 kgGepäckraumvolumen: 479 (ohne doppelten Boden 603l) bis 1.773 LiterAnhängelast ungebremst/gebremst: 750/2.000 kg Basispreis: 30.350 EuroGrundpreis Ausstattung LE (Testwagen): 36.450 Euro
Quelle: auto-reporter.net, 2012-05-16