Wer sind gleich Bentley, Rolls und Co? Mercedes-AMG S 63 Cabrio im Test mit technischen Daten, Preis, 0-100-km/h-Zeit und Marktstart
Testbericht
Nizza (Frankreich), 13. April 2016 - Meine Güte. Das hier ist wirklich eine kaum zu bändigende Menge Opulenz. Gott sei Dank eine von der guten, geschmackvollen Sorte. Ja, schon das S-Klasse Coupé ist linientechnisch ein rechter Geniestreich. Mit gewaltiger Stoffmütze auf den potenten Schultern sieht das Gesamtkunstwerk aber noch einen gehörigen Schuß distinguierter aus. Noch größer irgendwie. Und gediegener. Man wartet förmlich drauf, dass ein wohlgebräunter Gentleman mit blauem Goldknopf-Sakko auftaucht und die kompletten 5,04 Meter neben all den anderen Luxus-Yachten zu Wasser lässt. So muss das aber auch sein, wenn die Konkurrenz nicht mehr Audi und BMW, sondern Bentley, Rolls-Royce und Ferrari heißt.
Ein Dach wie ein Coupé
Was dem S-Klasse Cabrio gegenüber der flamboyanten Gegnerschaft an Image fehlt (ich weiß, in diesem Zusammenhang klingt das irgendwie absurd), macht es durch eine Verarbeitung und eine Liebe zum Detail wett, die man so bisher eher selten gesehen haben dürfte. Mit 28 Lederkombinationen und vier Verdeckfarben macht einem Mercedes die Wahl zur Qual. Noch irrer erscheint jedoch das Angebot an sechs Farben für den Dachhimmel. Letzterer ist grandioserweise mit Alcantara bespannt, lümmelt sich bei geschlossenem Verdeck perfekt an die ebenfalls Alcantara-bezogene A-Säule an und gibt einem so das lauschig-sichere Gefühl, in einem Auto unterwegs zu sein, das ein richtiges Dach hat. Zugegeben, das klingt bei einem Cabrio irgendwie ironisch, aber der Effekt ist wirklich verblüffend.
Komfort? Nicht von dieser Welt
Natürlich ist auch der Rest-Innenraum allererste Sahne. Er stammt beinahe eins zu eins aus dem Coupé, was soviel bedeutet wie: Die Qualität ist über jeden Zweifel erhaben und zum Anschauen ist das alles ebenfalls ein ganz erheblicher Genuss. Geschwungen, opulent und doch irgendwie sehr frisch und modern. Und darüber hinaus mit mehr Hightech versehen als das NASA-Hauptquartier. Es gibt nun sogar eine Klimaautomatik, die mit zwölf Sensoren Dinge wie Sonneneinstrahlung, Luftfeuchtigkeit oder Luftgüte misst und selbst die aussichtslosesten klimatischen Situationen dann mit Hilfe von 18 Stellmotoren in heimeliges Wohlgefallen auflöst. Die Champions League in puncto Schmeichelei sichert sich das offene S durch ein zweites "Windschott", das per Knopfdruck aus der Windschutzscheibe emporfährt, den bekannten Nackenföhn "Airscarf" oder die Beheizbarkeit diverser Armlehnen. Cabrio fahren im wildesten aller Schneestürme? Mit der S-Klasse wohl auch kein Problem. Fehlt nur noch, dass Mercedes-Ingenieure eine Software entwickeln, die rund ums eigene Auto Sonnenschein garantiert. Man munkelt, 2019 soll es soweit sein. Sie wollen nach all dem überschwänglichen Lobpreis aber jetzt endlich auch mal etwas Negatives hören? Na gut: Der Platz im Fond ist für über fünf Meter Auto ein halbwegs schlechter Scherz, wenn das Verdeck unten ist, gilt das auch für den Kofferraum (sonst sind es ganz ordentliche 350 Liter) und das Comand-Navi-Infotainmentsystem kann trotz gewaltiger Bildschirme hin und wieder ganz schön verwirren.
Es schiebt und brodelt
Wenn man den kapitalen 5,5-Liter-Biturbo-V8 des S 63 4Matic Cabrio (bei uns wird es den 63er nur mit Allrad geben) anlässt, sind solche Kleinigkeiten aber erstmal völlig egal. Er klingt noch immer bedrohlicher, versauter und anziehender als fast alles, was da draussen so rumfährt. Und er geht auch besser. 585 PS und infernalen 900 Newtonmetern sei Dank. Bei all der Eleganz und Klassik, die dieses Auto verströmt, wirkt das ganze Brimborium schon fast ein wenig Fehl am Platz. Wie der ehrwürdige Staatsmann, der sich beim feierlichen Empfang den Smoking vom Leib reißt und einen muskelbepackten Leib voller Drachentattoos präsentiert. Immerhin: Die Frage nach der Art der Leistungsentfaltung stellt sich hier einfach nicht. Mit dem Gaspedal steuert man lediglich, wie humorlos man zwischen knapp 1.500 und 6.500 Touren in den Sitz gerammt wird. Ja, das hier ist ein 2,2 Tonnen schweres Auto mit Stoffverdeck. Ja, es pulverisiert die 0-100 km/h in 3,9 Sekunden. Und ja, das ist verdammt nochmal unglaublich und ziemlich beängstigend. Beängstigend vor allem deshalb, weil der S 63 noch nicht das Ende vom Lied ist. Der in diesen Gefilden unausweichliche Biturbo-V12 wird kommen. Im S 65 Cabrio mit 630 PS, 1.000 Newtonmetern und Heckantrieb. Damit beschleunigen sie dann etwas langsamer, können aber wunderbar riechen, wie schnell sich Ihre Hinterreifen in Rauch auflösen.
Etwas hektisch
Was so ein kleines bisschen das Problem beim S 63 Cabrio ist: Der Grundcharakter eines mehr als fünf Meter langen Luxus-Cabrios und der Grundgedanke der auch hier erstaunlich Wildsau-mäßigen AMG-Version passen nicht hundertprozentig zusammen. Weil die völlig absurden Kraftreserven so einfach zur Verfügung stehen, fährt man dieses Auto meist aggressiver, als sich das gehört. Unter Volllast merkt man dann, wie die Siebengang-Automatik (der alte Haudegen) nicht mehr so ganz mitkommt und irgendwann merkt man dann halt auch das schiere Ausmaß dieses monumentalen Edel-Solariums. Obwohl das Cabrio dank mehr Aluminium und Magnesium im kompletten Heckbereich nur 84 Kilo schwerer ist als das Coupé, fühlt es sich doch nach spürbar mehr Auto an. Und aufgrund des Verdecks müssen auch die beiden klügsten der superklugen Coupé-Fahrwerks-Lösungen draussen bleiben. Gemeint sind Magic Ride Control, das die Straße im Voraus scannt und die Federung auf mögliche Unzulänglichkeiten einstellt sowie das Kurvenneigesystem, das Aufschaukeln in schnellen Kurven verhindern soll. Aber keine Sorge, auch ohne die pure Magie und mit der angepassten und etwas strafferen Luftfederung dämpft der S 63 noch recht königlich, aber alles in allem wirkt er hektischer und rastloser als das seidenweiche und gänzlich in sich ruhende S 500 Cabrio. Selbiges hat die deutlich bessere Neungang-Automatik an Bord, kämpft nicht gar so sehr mit all dem Drehmoment, wirkt insgesamt nicht so angestrengt auf Performance getrimmt und ist daher ironischerweise sogar die spielerischere, launigere Alternative.
Bestes Paket
Die deutlich schnellere und klanggewaltigere Alternative bleibt aber freilich das AMG-Cabrio. Und seien wir mal ehrlich: Wer möglichst agil und grazil um eine Kurve donnern möchte, der kauft sich dieses Auto ohnehin nicht. Wer das ultimative Luxus-Cabrio mit Tonnen an irrsinniger Technik, einem unerreichten Geräusch- und Komfort-Level (offen wie geschlossen) sowie fast schon außerirdischen Mengen an Schub will, kauft es aber vermutlich schon. Einfach, weil die Güte des Gesamtpakets von keinem der englischen oder italienischen Konkurrenten auch nur annähernd erreicht wird. Das Mercedes-AMG S 63 4Matic Cabrio kostet mindestens 187.485 Euro. Das sind beinahe 50.000 Euro mehr, als man fürs S 500 Cabrio hinblättern muss. Trösten kann man sich damit, dass es nicht mehr viel gibt, was man noch hineinbestellen kann (solange man abgefahrene Sonderwünsche außen vor lässt). Zum Vergleich: Das spürbar schwächere Bentley Continental GT V8 S Cabrio ist ab 202.895 Euro zu haben, der überaus monarchische Rolls-Royce Dawn wechselt für gut 300.000 Euro den Besitzer. Marktstart fürs S-Klasse Cabrio ist der 16. April 2016.
Technische Daten
Antrieb: | Allradantrieb |
---|---|
Anzahl Gänge: | 7 |
Getriebe: | Automatik |
Motor Bauart: | V-Motor, Biturbo |
Hubraum: | 5.461 |
Anzahl Ventile: | 4 |
Anzahl Zylinder: | 8 |
Leistung: | 430 kW (585 PS) bei UPM |
Drehmoment: | 900 Nm bei 2.250 UPM |
Preis
Neupreis: 187.485 € (Stand: April 2016)Fazit
Viel mehr geht nicht. Gegenüber der Konkurrenz von Bentley, Rolls-Royce oder Ferrari mag das S-Klasse Cabrio zwar der "Normalo" sein, im Gesamten betrachtet ist es aber deutlich überlegen. Dabei ist der aggressive S 63 mit seinem Brachial-V8 noch nicht einmal die beste Lösung. Der seidenweiche S 500 scheint das S-Klasse Cabrio der Wahl zu sein. Er fließt wie Honig und liefert die Essenz der Mercedesheit. Luxus und Technik auf unschlagbarem Niveau.
+ diese Optik; Hightech vom Feinsten; wunderbares Interieur; gigantischer Schub; wahnwitziger Klang; unglaublicher Komfort
- fahrige Automatik; wenig Platz im Fond; Gewicht beeinträchtigt FahrdynamikTestwertung
Quelle: auto-news, 2016-04-13
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