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Testbericht

12. Juli 2016

Barcelona (Spanien), 13. Juli 2016

Ein wenig unangenehm aufgefallen bin ich wohl schon bei der Fahrpräsentation des neuen Kia Niro. Ich gebe zu, dass ich nicht so ganz überzeugt bin von den Vorteilen des Hybrids gegenüber dem Diesel. Deswegen reichte mir ein Kollege beim Abendessen boshafterweise das schwarz gefärbte Meersalz - und meinte, diese rußgefärbte Variante wäre für mich als Dieselfan doch wohl genau das Richtige. Ein bisschen schmunzeln musste ich da dann doch. Denn ein ganz so verbohrter Selbstzünder-Fanboy bin ich dann doch nicht - auch in meiner Welt existiert das Stickoxid-Problem. Aber alles der Reihe nach. Jedenfalls habe ich Kias neues Auto mit Hybridantrieb getestet.

Crossover zwischen Populärem und Unpopulärem
Selbst bei Freunden der Elektrifizierung sind reine Hybridautos (ohne Auflademöglichkeit) derzeit eher out. Die meisten Hersteller und die Kunden favorisieren Plug-in-Hybride oder Elektroautos. Dagegen sind SUVs als am schnellsten wachsende Autokategorie durchaus sehr beliebt. Kia verbindet im Niro also das Populäre mit dem Unpopulären. Der Wagen gehört mit 4,36 Meter Länge in die gleiche Klasse wie zum Beispiel der Seat Ateca, ist aber deutlich niedriger - so liegen Schwerpunkt und Sitzposition tiefer, und es handelt sich eher um einen Crossover zwischen SUV und normalem Schrägheckauto. Der Niro ähnelt insofern dem Nissan Qashqai oder dem Suzuki SX4 S-Cross.

Parallelhybrid-System
Der neue Kia basiert auf der gleichen neuen Plattform wie der Ioniq von Konzernpartner Hyundai, und auch das Hybridsystem ist identisch: Es kombiniert einen 1,6-Liter-Saugbenziner mit 105 PS mit einem 44 PS (32 Kilowatt) starken Elektromotor, der ins Getriebegehäuse integriert ist. Beide Motoren treiben die Vorderachse an - eine Allradvariante gibt es nicht. Dabei arbeitet entweder nur eine von beiden Maschinen, oder es wirken beide zusammen. Zur Kraftübertragung wird ein Sechsgang-Doppelkupplungsgetriebe genutzt.


Sportlich und agil

Und wie fährt sich das Ganze? Ich steige in einen grauschwarzen Niro und fahre in die Berge nördlich von Barcelona. Die Strecke führt in vielen Kurven hinauf, und schnell nimmt mich der Niro gefangen: Der Wagen fühlt sich tatsächlich agil und sogar sportlich an, das Kurvenverhalten ist weit mehr als nur akzeptabel. Der mit einer aufwendigen Mehrlenker-Hinterachse ausgestattete Niro wankt kaum, und die Lenkung ist erfreulich direkt. Vor allem aber ist das Getriebe nicht so nervtötend wie beim Toyota Prius. Einen Gummibandeffekt wie beim Planetengetriebe des Prius (das sich verhält wie ein CVT) gibt es hier nicht. Der Niro fährt sozusagen "ganz normal", das heißt, wie ein konventioneller Benziner mit Doppelkupplung. Besonders im Sportmodus gefällt mir der Niro: Ich bewege den Getriebewählhebel in die linke Gasse, und schon reagiert das Gaspedal stärker, die Gänge werden weiter ausgedreht. Auch einen Effekt auf die Lenkung soll es geben, der ist für mich aber nicht so deutlich spürbar. Im Sportmodus kann man die Gänge auch manuell wählen. Da dies nur am Wahlhebel funktioniert, gehe ich aber schnell wieder davon ab.

Wenn der Akku leer ist, bleiben nur 105 PS
Der Niro fährt sich also wirklich gut. Nur einen Nachteil hat er mit dem Toyota Prius gemein: Ist die kleine Batterie (sie speichert nur 1,6 Kilowattstunden) leer, kann man den elektrischen Antriebszweig vergessen. Voran geht es dann nur noch mit dem 105 PS starken Saugbenziner, und der bringt den 1,5-Tonner nicht mehr so flott voran. Auf den kurvigen Bergauf-Strecken macht sich das nicht so störend bemerkbar, weil man öfter vor der Biegung vom Gas geht, und dann kann das System rekuperieren. Aber bei längeren Steigungen mit monotonem Gaseinsatz ist es spürbar. Dieser Nachteil ist auch der Grund für die geringe Höchstgeschwindigkeit von nur 162 km/h: Wenn die Batterie leer ist, und das dürfte bei Vollgas schnell gehen, fällt viel von dem Vorwärtsdrang weg.

Für Vielfahrer, aber nicht für die Autobahn
Auf meine Frage zur Höchstgeschwindigkeit hin erklärt mir Kia-Deutschland-Chef Steffen Cost: "Das Auto fährt auch 185, wir haben es ausprobiert." Aber auf der Autobahn habe man ja (außer nachts um drei) auch immer wieder Phasen, wo man vom Gas gehen muss, und dann wird der Akku wieder geladen. Doch Cost sagt auch: Für Vertreter, die ständig lange Autobahnstrecken fahren, ist der Niro nichts. Das führt zu meinem Hauptargument gegen den Niro: Hybride wie er sind sparsame Autos, die in der Anschaffung teurer sind als normale Benziner. Sowas rechnet sich nur für Vielfahrer. Aber gerade Kilometerfresser sind ja meist auf der Autobahn unterwegs - für die sich ein Hybrid wenig eignet.

Großer Unterschied zwischen 16 und 18 Zoll
Noch eine Bemerkung zum Fahrwerk: Beim Niro gibt es einen deutlichen Unterschied zwischen der Version mit 16-Zoll-Rädern und der mit 18-Zöllern. Die mit den kleineren Rädern rollt viel komfortabler ab. Das liegt nicht nur an mehr luftgefülltem Gummi, sondern auch die Federung ist hier komfortabler abgestimmt. Obwohl ich mich eher zu den sportlichen Fahrern rechne, würde ich die 16-Zöller wählen. Auch der Normverbrauch ist dann spürbar niedriger: Statt 4,4 Liter stehen 3,8 Liter im Datenblatt. Apropos: Nach meiner Testfahrt mit der 16-Zoll-Variante meldete mein Bordcomputer mit 6,8 Liter deutlich, deutlich mehr. Neben dem bergigen Gelände dürfte daran der Sportmodus schuld sein, denn den ließ ich nach anfänglichem Hin- und Herprobieren aktiviert.

Ordentlich gestaltetes Cockpit, viel Platz im Fond
Für die stürmisch gefahrenen Serpentinen bei Barcelona sind die Vordersitze an den Oberschenkeln etwas weich, aber für ein SUV sind sie wirklich nicht schlecht. Auch sonst gibt der Innenraum ein ordentliches Bild ab. Die höheren Versionen bekommen schwarze Klavierlack-Teile, das Armaturenbrett gibt es wahlweise in Schwarz oder Grau. Nicht alle Teile sind hinterschäumt, hier und da ist Hartplastik verbaut, aber die Optik ist durchaus okay. Etwas seltsam für ein heutiges Auto ist die Verwendung einer mechanischen Parkbremse mit Fußhebel - den Grund dafür konnte uns Kia nicht nennen. Der Platz im Fond verdient ein besonderes Lob: Auch bei Erwachsenen bleibt viel Raum vor den Knien und über dem Kopf. Auch der Kofferraum ist gut nutzbar, er wird beim Umklappen der Sitze schön eben, und schweres Ladegut kann man einfach herausziehen. Das Volumen ist mit 427 bis 1.425 Liter akzeptabel - der ähnlich dimensionierte Qashqai bietet etwas mehr, der SX4 S-Cross eher weniger. Anders als die meisten Hybride eignet sich der Niro auch als Zugfahrzeug: Wer das Lastpaket bestellt, kann bis zu 1,3 schwere Anhänger an den Haken nehmen.

Ab 24.990 Euro
Der Niro steht ab 24. September 2016 beim Händler, die Preise beginnen bei günstigen 24.990 Euro. Dabei ist die Basisausstattung Edition 7 umfangreich: Elektrisch einstellbare Außenspiegel, elektrische Fensterheber rundum, 16-Zoll-Alufelgen, Nebelscheinwerfer, ein Radio mit Fünf-Zoll-Display, Zwei-Zonen-Klimaautomatik, und sogar Spurhalteassistent sowie Tempomat sind stets an Bord. Optional gibt es eine beachtliche Anzahl von Sicherheitsassistenten - vom Notbremssystem mit Fußgängererkennung über einen Totwinkelassistenten bis zu einem aktiv eingreifenden Spurhalteassistenten und einem Querverkehrsassistenten.
 
Alternative: Nissan Qashqai mit Diesel
Vergleichbare Hybrid-Crossover gibt es nicht auf dem Markt, der Toyota RAV4 Hybrid zum Beispiel ist nicht nur viel höher und länger, sondern auch teurer. Als Alternative kommt zum Beispiel der Nissan Qashqai mit 130-PS-Diesel, Frontantrieb und DSG in Betracht. Er hat mehr Drehmoment und bessere Fahrleistungen. Die Spitze liegt bei 190 statt bei 162 km/h, der Standardsprint dauert nur 9,9 statt 11,5 Sekunden. Der höhere Normverbrauch von 4,4 Liter gegenüber den 3,8 Liter des Niro wird durch den geringeren Literpreis von Diesel überkompensiert. Mit 27.890 Euro kostet der Qashqai allerdings auch fast 3.000 Euro mehr als der Niro. Der neue Hybrid-Kia ist also wirklich nicht teuer - im Gegenteil. Ein weiteres gutes Argument ist der geringere Stickoxid-Ausstoß. Wer den Niro also grundsätzlich interessant findet, aber ein Plug-in-System vorzieht, sollte etwas warten. Für Sommer 2017 wird eine entsprechende Version des Niro angekündigt. Eine Elektroversion wie beim Ioniq ist dagegen nicht in Sicht. Und schon gar keine Dieselvariante - auch, weil Kia sich in Zukunft immer mehr als umweltfreundlicher Hersteller positionieren will. Und Diesel-SUVs gibt es ja auch schon mehr als genug ...
Technische Daten
Antrieb:Frontantrieb
Anzahl Gänge:6
Getriebe:Doppelkupplungsgetriebe
Motor Bauart:Parallelhybrid-System mit Atkinson-Benziner, E-Motor und Lithium-Polymer-Akku
Hubraum:1.580
Anzahl Ventile:4
Anzahl Zylinder:4
Leistung:77 kW (105 PS) bei UPM
Drehmoment:147 Nm bei 4.000 UPM
Preis
Neupreis: 24.990 €
Fazit

Für einen Hybrid fährt sich der neue Kia Niro ausgezeichnet. Er ist um Längen angenehmer als ein Toyota Prius oder RAV4 Hybrid. Den Unterschied macht vor allem das Doppelkupplungsgetriebe. Im Sportmodus fährt sich der Niro erfreulich agil und - ja, sogar sportlich. Längere Fahrten mit hoher Last sind allerdings weniger positiv, denn wenn die kleine Batterie leer ist, fällt der Vorteil des Elektromotors weg und 105 PS müssen genügen. Bei Fahrleistungen, Drehmoment und Spritkosten ist ein Nissan Qashqai mit 130-PS-Diesel besser, der ist jedoch auch deutlich teurer. Außerdem bleibt das Umweltargument, und das ist ja wirklich kein schlechtes. Insgesamt ist der Niro mit dem Hyundai Ioniq wohl der beste Hybrid, den man derzeit kaufen kann. + agiles Fahrgefühl im Sportmodus, ungleich dynamischer als ein Toyota Prius, kein Stickoxid-Problem wie bei Dieseln, günstiger Preis - schlechtere Fahrleistungen, weniger Drehmoment, höhere Spritkosten als bei Nissan Qashqai mit 130-PS-Diesel

Testwertung
4.0 von 5

Quelle: auto-news, 2016-07-12

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