25. November 2011
Turin (Italien), 28. November 2011 - Groß und günstig war er schon immer: der Chrysler Voyager. Jetzt ist der Van als Lancia auf dem deutschen Markt. Wir haben den in Kanada gebauten Amerikano-Italiener mit 2,8-Liter-Dieselmotor getestet.
Namensspiele beim Traditionskasten
Der Modellname "Voyager" für Vans hat Tradition: Seit 1984 gibt es die Wagen. Zuerst wurde das große Fahrzeug von der 2001 eingestellten Marke Plymouth vertrieben, das weitgehend baugleiche Schwestermodell nannte sich Dodge Caravan. Später wurde der Voyager dann von Chrysler angeboten - der Chrysler Voyager ist bis heute bekannt. Seit Fiat Chrysler durch Übernahme der Aktienmehrheit vor dem Untergang bewahrt hat, muss die Fiat-Tochter Lancia herhalten, um Chrysler-Modelle auf dem europäischen Festland zu vermarkten. Und so steht die inzwischen fünfte Generation des Voyager als Lancia bei den Händlern. Während man dem Chrysler 300 als Lancia Thema noch einen eigenen Namen spendiert, setzt man beim Voyager auf die Zugkraft des eingeführten Modellnamens. Außerdem werden in der Produktion ein paar Cent gespart, da keine verschiedenen Schriftzüge für das gleiche Fahrzeug hergestellt werden müssen - in Großbritannien wird das Fahrzeug schließlich weiter als Chrysler verkauft. Die US-Marketingstrategen hielten dagegen für ihr Land übrigens nicht viel von der "Voyager"-Tradition - dort heißt der Wagen inzwischen Town & Country, was ein bisschen wie "Heimatschutz-Ministerium" klingt. Die aktuelle Generation wird in Nordamerika auch noch als Dodge Grand Caravan und VW Routan angeboten.
Riesiger Klotz
Mit seinen 5,22 Meter Länge übertrifft der Voyager seine Konkurrenten um Klassen: Citroën C8 und der baugleiche Peugeot 807 bringen es auf 4,73 Meter, der Ford Galaxy kommt auf 4,82 und der Renault Grand Espace auf 4,85 Meter. Die neben Citroën C8 und Peugeot 807 ebenfalls zur Eurovan-Familie gehörenden Fiat Ulysse und Lancia Phedra werden bereits seit Mitte 2010 nicht mehr produziert - bei Fiat wurde dem Freemont, einem umgelabelten Dodge Journey, und bei Lancia eben dem Voyager Platz gemacht. Vans haben es momentan nicht leicht. Seit einem Jahrzehnt reiben sie sich an den unermüdlich Marktanteile erobernden SUVs auf. Da zählt Größe: Ein SUV vom Format eines Voyager gibt es in Europa nicht. Ansonsten ist der Wagen klotzig wie eh und je, Lichtjahre vom filigranen Lancia-Design entfernt. Der Kiste wurden Lancia-Markenlogos verpasst, fertig.
Lkw-Raum zum Ersten
Der Innenraum des Voyager ist gigantisch: Selbst hinter der serienmäßigen dritten Sitzreihe finden noch 934 Liter Gepäck Platz. Werden die hinteren beiden Reihen zu einem ebenen Ladeboden versenkt, fasst der Wagen unfassbare 3.912 Liter. Das Um- und Aufklappen der Sitze geht super easy von der Hand. Das zugrunde liegende System nennt sich "Stow 'n Go". "Swivel `n Go", bei dem sich die Sitze der zweiten Reihe drehen ließen, wird mangels Nachfrage nicht mehr angeboten. Wer also öfter Möbel oder ähnliches Sperrgut transportieren muss, aber auch ab und zu das Auto mit sechs Personen vollladen will, liegt beim Lancia Voyager goldrichtig. Und es gibt ihn auch nur in der Ausstattung "Gold", die unter anderem eine elektrisch verstellbare Pedalerie und eine Lenkradheizung enthält - also Optionen, die man eher in S-Klasse-Bereichen vermuten würde. Auch eine Dreizonen-Klimaanlage ist ab Werk mit dabei.
Lkw-Raum zum Zweiten
Einen Innenraumdesigner scheint Chrysler für die Voyager-Modellreihe nicht angestellt zu haben und Lancia konnte nur noch eine Uhr für die Mittelkonsole beisteuern. Und diese Uhr steht sinnbildlich für die ganze Kabine: Nichts passt optisch zueinander, das Armaturenbrett wirkt, als wäre es aus einer anderen Baureihe herausgemopst worden. Der Gangwahlhebel hat zwar einen gewissen Style, aber passt wiederum nicht, weil er qualitativ recht hochwertig anmutet. Der Rest des großen Raums wird nämlich mit billig wirkenden Materialien gepflastert und die kanadischen Chrysler-Monteure scheinen sich dabei zudem keinerlei Mühe geben zu wollen - der Haltegriff an der rechten A-Säule sieht beispielsweise aus, als säße er in einer Wunde. Wer viel Platz für wenig Geld will, merkt hier sehr deutlich, dass ihm nichts geschenkt wirkt. Aber Platz ist auf jeden Fall da: Selbst in der dritten Reihe können Erwachsene halbwegs bequem sitzen. Die Stow-'n-Go-Funktion bedingt, dass die Passagiere überdurchschnittlich hoch thronen. Deshalb stoßen in der zweiten Reihe große Insassen fast mit ihren Köpfen an die Decke. Wiederum gut: Im Voyager gibt es eine Vielzahl von üppigen Ablagemöglichkeiten.
Fahrwerk überrascht
Wer das große italienische Ami-Schiff um enge Kurven steuert, erwartet zwangsläufig einen wankenden Schwamm - und wird überrascht. Die Wankneigung hält sich in Grenzen, der Wagen lässt sich sicher fahren. In Sachen Untergrund-Bearbeitung geht es beim Lancia eher Richtung Komfort, was seine Familientauglichkeit unterstreicht. Nur die Lenkung könnte direkter sein und deutlich weniger Spiel in der Mittellage aufweisen.
Motor passt
Wir haben den Voyager mit 2,8-Liter-Vierzylinder-Diesel ausprobiert. Die Marktchancen des ebenfalls verfügbaren 3,6-Liter-Sechszylinder-Benziners dürften sich in Deutschland in Grenzen halten. Der Diesel leistet 163 PS und generiert ein maximales Drehmoment von 360 Newtonmeter. Damit geht es in 11,9 Sekunden von null auf 100 km/h - was für einen Van dieser Größe ganz passabel ist. Auch gefühlt spurtet der Voyager ordentlich los. Die Höchstgeschwindigkeit von 185 km/h ist für das wuchtige Fahrzeug mehr als ausreichend. In Sachen Kultiviertheit und Geräuschdämmung hat das Aggregat aber noch Reserven - gerade was den Schallschutz angeht, haben sich die Ingenieure beim Lancia Thema deutlich mehr Mühe gegeben. Als Normgesamtverbrauch gibt der Hersteller ganz passable 7,9 Liter Diesel pro 100 Kilometer an.
Sanfte Automatik
Serienmäßig ist für die Schaltarbeit im Lancia Voyager eine Sechsstufen-Automatik zuständig. Diese teilt die Momente des Diesel-Aggregats probat ein und geht dabei unauffällig vor. Sanft hält sie immer den passenden Gang parat.