10. Februar 2016
Wien, 10. Februar 2016 - Rund 643.500 Kilometer misst das deutsche Straßennetz. Unbefestigt ist davon nur ein Bruchteil. Trotzdem fluten die Autohersteller zunehmend den Markt mit Modellen in rustikaler Gelände-Optik. Unlackiertes Plastik und eine Höherlegung sollen dem Kunden suggerieren, dass er überall durchkommen könnte. Tut er natürlich dann doch nicht. Denn eigentlich kehren die Autos nur zu dem zurück, was vor 30 Jahren Standard war: Schutzleisten und genug Bodenfreiheit. Aber die Masche zieht, wie auch VW gemerkt hat. Dort bekamen die entsprechenden Modelle einst den Extranamen "Cross", jetzt ist es "Alltrack". Jüngstes Mitglied dieser Familie ist der VW Caddy Alltrack.
Jenseits von Afrika
Wobei die Bezeichnung "Alltrack" (übersetzt etwa "alle Fahrbahnen") auch beim Caddy in die Irre führt, denn für eine Afrika-Expedition fehlt dem Hochdach-Kombi dann doch einiges. Etwa eine Höherlegung. Sie lesen richtig, der Alltrack weist die gleichen 16 Zentimeter Bodenfreiheit wie die Normalversion auf. Und auch einen Allradantrieb gibt es nur für zwei Motorvarianten. Immerhin, ein sogenanntes Schlechtwege-ABS ist serienmäßig. Der Rest fällt eher unter die Kategorie "Show": Schwarze Beplankungen der Radhäuser und Schweller sowie ein Design-Unterfahrschutz (Originalton VW!). Dazu ein anderer Kühlergrill mit Chrom und silberfarben lackierte Außenspiegelgehäuse. Die glänzenden 17-Zoll-Alufelgen runden den paradoxen Auftritt ab. Gestein und Geröll dürften nämlich nicht zu den größten Felgen-Freunden zählen.
Raumfähre für die Familie
Also bestenfalls "Moretrack" für den VW Caddy, der im Jahr 2015 einem gründlichen Lifting unterzogen wurde. Seitdem blickt er etwas kantiger in die Welt hinaus. Radikale Änderungen hat sich die Nutzfahrzeugsparte von Volkswagen verkniffen. Sie sind auch nicht nötig, denn die Kundschaft schätzt vor allem den Bereich hinter der B-Säule. Dort erleichtern Schiebetüren auf jeder Seite den Zugang zu gigantischen Platzverhältnissen. Falls Sie doch eine Afrika-Expedition planen, wird es am Kofferraum nicht scheitern. Selbst mit sieben Sitzen (Aufpreis: 636 Euro) bleiben 190 Liter übrig, bei fünf Sesseln sind es 750 Liter. Praktisch ist die Einzelanordnung der Stühle in der zweiten Reihe. Hier kann ich bei jedem Möbel entweder nur die Lehne umlegen oder alles nach vorne umklappen. Das ist im Alltag die beste Lösung, weil der komplette Ausbau der Rücksitze etwas fummelig ist. Belohnt wird die Arbeit mit 3.030 Liter Gepäckvolumen. Aber verraten Sie das besser nicht ihrer Frau vor der Fahrt zum Möbelhaus.
Besser Türen statt Klappe
Frei von Schwächen ist der VW Caddy Alltrack trotzdem nicht: Die riesige Heckklappe braucht beim Aufschwenken enorm viel Platz, in der heimischen Garage sollten Sie also lieber nicht auf Kante einparken. Alternativ sind für 208 Euro auch Heckflügeltüren im Angebot. Sie öffnen jeweils zur Seite, schränken aber durch die Teilung der Fenster die Sicht nach hinten ein. Das Cockpit des Caddy Alltrack ist VW-typisch leicht bedienbar, aber auch so aufregend wie ein CDU-Parteitag. Ein Manko bei den Schaltversionen ist der tief angebrachte Hebel, bei dessen Bedienung man schnell an den ebenfalls tief montierten Touchscreen für Radio und Navi kommt. Zur Versöhnung tragen viele große Ablagefächer bei, sei es auf dem Armaturenbrett oder in besonders großer Form über den Köpfen von Fahrer und Beifahrer. Ideal, um Bananen nach sechs Wochen in matschiger Form wiederzufinden.
Mitte mit Manko
Welche Motoren hat VW für den Caddy Alltrack im Angebot? Schnelle Antwort: Mehr als ausreichend. Die Basisaggregate mit 84 PS (Benziner) und 75 PS (Diesel) klammern wir gleich aus, mit voller Beladung ist hier sehr viel innere Ruhe gefragt. Am anderen Ende rangieren ein preislich ambitionierter 150-PS-Diesel, für Öko-Sparfüchse steht ein erdgasbetriebener TGI bereit. Die goldene Mitte markiert der Zweiliter-Diesel mit 122 PS, den es leider nur mit Allradantrieb gibt. Schade, denn so klafft bei den Selbstzündern zwischen 102 und 150 PS eine Lücke. Unnötigerweise, denn die Füllung weiß zu gefallen. Schon ab 1.500 Umdrehungen stehen 300 Newtonmeter Drehmoment bereit. Mit einer stets präsenten brummigen Note geht es solide voran, exzessive Beschleunigungsorgien sollte aber niemand erwarten. Auch deswegen nicht, weil eine lange Übersetzung in den Gängen fünf und sechs solche Ideen vereitelt. 11,5 Sekunden auf Tempo 100 sind ein mittelprächtiger Wert, aber für ein Auto mit Schrankwand-Aerodynamik okay.
Starre Ansichten
Mittelprächtig liefert mir auch das Stichwort für die Federung. Während vorne eine Einzelradaufhängung ihren Dienst verrichtet, verweist die starre Hinterachse an Blattfedern auf die Nutzfahrzeugherkunft des VW Caddy. Lastabhängige Dämpfer ändern je nach eingefedertem Weg ihre Kennung. Soll heißen: Je mehr Ladung im Wagen ist, desto besser wird das Abrollverhalten. In unserer Testbesetzung mit lediglich einem Fahrer und Beifahrer poltert die "leichte" Hinterachse spürbar über Unebenheiten. Apropos Beladung: Hier bietet der Allradantrieb besonders auf nassem Untergrund Vorteile beim Anfahren. Auch steile Hänge klettert der Caddy Alltrack dank Haldex-Lamellenkupplung der fünften Generation problemlos hoch. Ideal für Gebirgsbewohner, alle "Flachlandtiroler" sollten sich die Investition aber gut überlegen.
Leistung oder Luxus?
Immerhin kostet der VW Caddy Alltrack mit dem 122-PS-Diesel und Vierradantrieb die hübsche Summe von 31.761 Euro. Wer das ganze Chrom- und Kunststoff-Lametta nicht braucht, greift zur ähnlichen Comfortline-Ausstattung für 30.428 Euro und ordert die 17-Zöller für 583 Euro extra. Sie möchten schon Alltrack fahren, aber ohne Allrad? Dann müssen Sie sich entscheiden: Entweder für gut 500 Euro weniger ein stärkerer 150-PS-Diesel oder für fette 3.700 Euro weniger die 102-PS-Version. Sie bietet zwar nur ein Fünfgang-Schaltgetriebe, aber genügend finanziellen Spielraum für Extras. Daran mangelt es beim Caddy Alltrack nicht. Ein Tempomat mit Abstandsregelung, ein Parklenkassistent oder Bi-Xenon-Scheinwerfer legen den Preis höher.