20. Juli 2015
Dresden, 17. Juli 2015 -
Als vor ein paar Monaten die erste Pressemeldung zum neuen Volvo S60 Cross Country in die Redaktion flatterte, rieb man sich verwundert die Augen und dachte an einen Aprilscherz, aber es war erst Mitte Februar. Wer zum Teufel legt eine Limousine höher? Und vor allem warum? Naja, ein Haufen schwedischer (und chinesischer) Manager tut das und die Frage nach dem "Warum" ist auch schnell geklärt. Die Menschen sind derzeit ganz wild auf "normale" Autos mit ein bisschen Offroad-Feenstaub. Etwa 50 Prozent aller Volvos gehen mittlerweile als XC oder CC über den Ladentisch. Es klingt also recht vernünftig, so viele neue XCs und CCs wie möglich auf den Markt zu werfen. Daher gibt es Volvos "Monster-Truck"-Mittelklasse vom Start weg auch als Kombi V60 CC.
Ein bisschen Springteufel
Kommen wir jedoch zurück zum S60 CC. Der wird sich hierzulande zwar in sehr überschaubaren Dosen verkaufen (Volvo-Chef Thomas Bauch gab - leicht augenzwinkernd - keine Prognose ab, wir rechnen allerdings mit einer S60:V60-Verteilung von etwa 5:95 Prozent), aber er ist der erste seiner Art, sehr sehr anders und damit ziemlich aufregend. Vor allem verfügt er in Fleisch und Blut über eine gewaltige Menge Präsenz. Okay, zuerst denkt man womöglich an ein tollwütiges Luftfahrwerk oder einen verrückt gewordenen Schachtelteufel, aber eine gewisse, bullig-stämmige Gefälligkeit ist nicht von der Hand zu weisen.
Sehr viel Ausstattung
Schuld an besagter Gefälligkeit ist eine Höherlegung um 65 Millimeter. Das schlägt sich auf die Bodenfreiheit (mehr als Feldweg-taugliche 201 Millimeter) und ja, liebe Best-Ager, auch auf die Sitzposition nieder. Besser Einsteigen, besser Aussteigen und der totale Überblick sind also quasi die Kernkompetenzen des neuesten Schweden-Soft-Roaders. Zu den weiteren Cross-Country-Merkmalen zählen ein naturburschigerer Waben-Kühlergrill, mattschwarze Radhausverbreiterungen, ein bisschen Unterfahrschutz für die Front- und Heckschürze sowie glanzschwarze Akzente an den Spiegeln und den Fensterrahmen. Ausserdem ist die Limousine (im Gegensatz zum Kombi) nur in der höchsten Ausstattungslinie Summum zu haben. Sprich: Sie ist schon ab Werk ziemlich voll. Klimaautomatik, ein Fünf-Zoll-Farbdisplay, elektrische Ledersitze mit Memory-Funktion, Metallic-Lack und 18-Zöller sind immer dabei.
Fahrwerk vom XC70
Ebenfalls Standard ist das Fahrwerk des großen Bruders XC70. Für die 60er CCs wurde es jedoch ein wenig in Richtung Dynamik getrimmt. Sollten Sie generell hadern, wenn es zur Auswahl des Antriebs geht, dürfen Sie sich jetzt freuen, denn die Möglichkeiten beim S60 CC beschränken sich auf einen 190-PS-Diesel und
einen 190-PS-Diesel. Ersterer ist der neue 2,0-Liter-Vierzylinder aus Volvos modularer Drive-E-Familie. Er kommt mit Frontantrieb und Sechsgang-Schalter oder Achtgang-Automatik. Wenn Sie Allrad wollen, müssen Sie dagegen auf den betagten, aber beliebten 2,4-Liter-Fünfzylinder zurückgreifen, den es ausschließlich mit Sechsgang-Automatik gibt. Volvo erklärt das Vierzylinder-Fünfzylinder-Verwirrspiel ganz lapidar mit laufenden Verträgen. Der Fünfender werde noch geliefert und deswegen auch verbaut. Außerdem habe er nach wie vor viele Fans.
Achtgang-Automatik nur so mittel
Zuerst ist aber der neuere Drive-E-Diesel dran, den Volvo im Testwagen mit der Aisin-Achtgang-Automatik verheiratet hat. Eine eher mittelglückliche Ehe, wie sich schnell herausstellt, denn die etwas behäbige Automatik lässt den Diesel nicht so, wie er will. Der Antrieb fühlt sich zäher an, als er müsste. Dafür kaschiert der CC fiese Antriebseinflüsse in der Lenkung mit Bravour. Die Nachteile des Frontantriebs werden Sie erst zu spüren bekommen, wenn die Straße feucht ist. Dann schiebt der hohe Herr doch recht früh über die Vorderräder.
Besser mit Allrad
Dem unverwüstlichen Fünfzylinder mit Allradantrieb sind solche Scharmützel freilich völlig fremd. Das Haldex-System schiebt die Kraft in der Regel zwar zu 95 Prozent nach vorne, kann aber auch bis zu 65 Prozent nach hinten leiten. Selbst im normalen Vorort-Arbeit-Supermarkt-Vorort-Alltag wirkt das deutlich souveräner. Der Fünfzylinder-Diesel und die Sechsgang-Automatik bilden ein extrem rauhes, aber herzliches Gespann. Auf dem Datenblatt müssten sie viel langsamer und trinkfester sein als der moderne Vierzylinder, aber im Fahrbetrieb fallen bis auf den extrem "kernigen" Klang kaum Unterschiede auf.
Etwas holprig
Unabhängig davon, ob nun vier oder fünf Zylinder dieseln, fährt sich der S60 CC recht handlich und akkurat, ohne dabei sonderlich emotional oder gar sportlich in Erscheinung zu treten. Mit der Dynamisierung des XC70-Fahrwerks meinten es die Ingenieure allerdings ein bisschen zu gut. Die Folge: Der hohe S60 ist nicht nur hoch, sondern auch ziemlich hoppelig. Zumindest auf den optionalen 19-Zöllern. Probieren Sie das Auto vor dem Kauf also unbedingt auch auf 18-Zoll-Rädern.
Aufsperren per Handy
Den Rest der Cross-Country-Musik kennt man eins zu eins vom normalen S60. Das Cockpit liefert hochwertige Materialien, kommt aber langsam etwas in die Jahre. Gleiches gilt für die Bedienung und das Infotainmentsystem. Allerdings ist die Fülle an modernsten Sicherheitssystemen nach wie vor enorm und es gibt nun eine neue Smartphone-App namens "Volvo OnCall 3.0" , die Ihr schwedisches Erzeugnis nicht nur überall findet, sondern auch aufsperrt, zusperrt und startet. Mercedes lobt das als große Errungenschaft für die kommende E-Klasse, Volvo hat es einfach. Das nennt man wohl Understatement. Apropos: Der Beinraum im Fond ist für ein ein 4,64-Meter-Auto geradezu üppig. Der Kofferraum mit 380 Liter eher nicht.
Macht das Sinn?
Bleibt die Frage nach dem Sinn und Unsinn eines Volvo S60 auf sehr hohen Stelzen. Gut: Er hat SUV-mäßige Bodenfreiheit, wankt aber nicht so. Schlecht: In ein SUV geht mehr rein. Gut: Es gibt keine Konkurrenz. Schlecht: Womöglich hat das Gründe. Zumindest in Deutschland, wo schon normale Limousinen kaum noch gekauft werden. Wenn Ihnen "normal" ein bisschen zu langweilig ist und sie gerne hoch sitzen, dann haben wir hier aber vielleicht gerade ihr neues Auto gefunden. Mindestens 43.840 Euro muss Ihnen der - zugegebenermaßen recht gut ausgestattete - Spaß aber schon wert sein. Mit Allrad werden 48.440 Euro fällig. Auch wenn der Vergleich etwas hinkt: Der insgesamt geschliffenere Audi A4 Allroad quattro mit 190-PS-TDI ist ab 41.900 Euro zu haben, der größere, behäbigere Opel Insignia Country Tourer kostet mit 170-PS-Diesel ab 34.805 Euro. Doch den Kombi und etwas Kohle sparen? Den V60 CC in der Einstiegsversion "Kinetic" mit 150-PS-Diesel gibt es ab 36.350 Euro. Keine Lust auf Diesel? Nur im V60 kommt auch ein Vierzylinder-Turbobenziner mit 245 PS zum Einsatz. Er wandert ab 42.800 Euro über den Tresen. Sowohl S60 CC als auch V60 CC stehen ab sofort beim Händler.