Hintergrund: Chevrolet Volt - Zeitenwende
Das Elektroauto Volt soll GM aus der Krise führen und ein neues Zeitalter einleiten. Vom Volt, sagt GM-Technikchef Hans Denant, "werden wir die nächsten 100 Jahre zehren." Beides könnte sein - wenn die Amerikaner sich im Überschwang nicht zu dumm anstellen. Schon als der Volt mehr Ankündigung denn reales Auto war, entfaltete er Wirkung. 2010 soll er mit dem Chevi-Logo am Grill in den USA eingeführt werden, ein Jahr später unter dem Opel-Blitz auch in Europa und etwas später hier auch als Chevrolet. Kaum war die Ankündigung draußen, meldeten sich die Konkurrenz zu Wort: Mercedes will die A-Klasse ziemlich zeitgleich elektrifizieren, der Smart läuft in London und Berlin schon mal versuchsweise unter Strom. VW erinnerte an seinen Lupo 3L und starten einen Versuch mit 20 Elektroautos. Daneben sorgen Tesla & Co. für Furore - selbst Ferrari denkt elektrisch. Wann was hierzulande beim offiziellen Händler um die Ecke zu kaufen ist, darüber schweigen sich die Hersteller allerdings noch aus.
Anders beim Volt. Der ist dem Versuchsstadium mittlerweile weitgehend entwachsen. Und der Zeitrahmen steht ebenso wie die Optik und der Preis. Was Foster jetzt in Rüsselsheim präsentierte, das ist weitgehend schon das Design, das nicht bei Opel aber bei Chevrolet auch in Serie gehen wird. Gegenüber der Studie, die unter anderem 2007 auf der Detroit Motor Show vorgestellt worden war, ist der reale Volt runder geworden und gefälliger. Ersteres als Tribut an die Aerodynamik, die bei solch einem Auto maßgeblich zur Energieeinsparung beiträgt. Letzteres als Verbeugung vor dem eher konservativen Käufergeschmack. GM will mit dem Volt Masse machen. Ein wenig erinnert die Vier-Personen-Limousine an einen entschärften Honda Civic. Front und Heck sind weniger futuristisch, innen muss man nicht lange die Handbücher studieren, um sich zurecht zu finden. Dennoch zeigt der Volt auch im Innendesign, dass er zur nächsten Generation des Automobils gehört. Zum Beispiel die Schalter am Armaturenbrett: Alles angeordnet wie gehabt - aber alle Schalter arbeiten nicht als Druckknopf sondern sind berührungssensitiv. "Wir wollen so schon optisch deutlich machen, dass sich hier um eine ganz neue Technologie handelt," sagt Phillip A. Zak, bei GM zuständig für das Aussendesign.
Mit der Studie hat das nun weitgehend serienreife Design des Volt die Grundzüge aber nur noch bedingt die Details gemein. Die Sicken auf der Motorhaube und um die Frontscheinwerfer etwa sind im Windkanal geschliffen worden. Die Front ist gefällig gerundet, Blinker und Nebelleuchten zu einer Einheit verschmolzen. Die Seitenlinie des 4-Türers präsentiert sich immer noch coupéhaft - aber das liegt nun weniger an der durchgehenden Fensterfront sondern mehr an der optisch zurückgenommenen und kaum mehr wahrnehmbaren C-Säule und der durchgehend dunklen Einfärbung. Im Heck haben die Ingenieure dem Heckspoiler einen neuen Schwung verpasst und die Rückleuchten laufen wie ein Band um. Der Volt, resümiert Foster, "ist eines der aerodynamischsten Fahrzeuge, das je von GM gebaut wurde". Die nackten Zahlen: Der Radstand des Volt beträgt 2685 mm, die Länge 4404 mm, seine Breite 1798 mm und seine Höhe 1430 mm. An Laderaum bietet der Volt 301 Liter. Selbst einen runden Tankdeckel gibt es noch rechts hinten. Wie viele Liter der Benzintank des Volt schlucken soll, ist noch nicht entschieden. Sicher ist nur, dass es erheblich weniger als die zwölf Gallonen der Studie sein werden, die für 800 Liter Reichweite gesorgt hätten. Im Mix wird der Volt laut GM auf einen Verbrauch von 1,6 Liter pro 100 Kilometer kommen - von welchem Treibstoff auch immer. Der Motor, der im Volt nur als Generator zur Stromerzeugung dient, nicht aber als unterschiedlich betasteter Antriebsmotor, wird Benzin ebenso schlucken wie E85-Biokraftstoff oder künftig auch Wasserstoff. Der Volt wird ausschließlich elektrisch angetrieben - und das bei jeder Fahrgeschwindigkeit.
Selbst, wenn die 180 Kilo wiegende Batterie mit einer Kapazität von 16 kWh leer ist, arbeitet der Benzinmotor an Bord nicht als direkter Antrieb sondern nur als Erzeuger von Strom - von dem dann allerdings der Elektromotor und damit der Volt selbst angetrieben wird. Der Verbrennungsmotor selbst läuft so immer unter gleichmäßig optimaler Last und mit minimalem Verbrauch, weil er den Wagen ja weder beschleunigen noch abbremsen muss. Entsprechend erhöht sich die Reichweite des Volt von den rein "elektrischen" 60 auf real mehrere hundert Kilometer. Beim Volt, sagt Foster, "gibt es keine Gefahr des Liegenbleibens aufgrund einer leeren Batterie". Zudem läßt sich der Volt an jeder Haushaltssteckdose mit 230 V binnen drei Stunden komplett aufladen. Irgendwann, so Foster, soll der Benzin-Motor durch eine Brennstoffzelle abgelöst werden: "Wir wollen langfristig komplett abhängig werden von fossilen Brennstoffen." Zum ersten Mal gibt GM auch mehr Fahrdaten für den Volt preis als nur die Reichweite des Elektromotors von rund 60 Kilometer, was auch schon für etwa 80 Prozent aller Fahrten in Deutschland ausreichen sollte. Demnach kommt der Volt auf 111 kW/150 PS Leistung und ein sehr sportliches Drehmoment von 370 Nm. Das reicht für eine ebenso sportliche Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in weniger als 9,0 Sekunden und eine nicht mehr so sportliche, aber noch ganz ordentliche Höchstgeschwindigkeit von 161 km/h.
Aufgebaut wird der Volt auf einer neuen globalen Plattform, auf der GM zum Beispiel mit dem kommenden Chevrolet Cruze auch ganz herkömmliche Benziner anbieten will. "Deutlich mehr als eine Milliarde Euro", habe GM in den Volt investiert, sagt Foster. Aber trotz des in Europa angepeilten Verkaufspreises von gut über 39.000 Euro pro Stück rechnet er damit, zumindest in der ersten Generation "keinen Gewinn" zu machen. Vor allem die 180 Kilo schweren, wassergekühlten und aus fast 220 Einzelelementen zusammenmontierten Lithium-Ionenbatterien schlagen anfangs noch mit rund 15.000 Euro pro Stück zu Buche. Dafür sollen sie mindestens zehn Jahre oder 260.000 Kilometer halten. Dann können sie mit relativ wenig Aufwand ausgetauscht werden. Trotz des hohen Kaufpreises sollte der Volt im täglichen Betrieb eine großen Teil der Anschaffungskosten wieder reinholen - falls den Berliner Finanzpolitikern nicht diverse Nettigkeiten einfallen. Den Volt etwa einmal pro Nacht aufzuladen dürfte, so schätzt GM, weniger als einen Euro kosten. Anders gerechnet: Während jeder mit Benzin gefahrene Kilometer derzeit rund 12 Cent kostet, schafft der Volt den Kilometer mit nur zwei Cent Betriebskosten. Für einen durchschnittlichen Autofahrer, der pro Tag etwa 60 Kilometer (oder 22.000 Kilometer im Jahr) fährt, bedeutet dies laut GM eine jährliche Einsparung von 2.200 Euro. Legt man Höchstpreise für Elektrizität zu Grunde, kostet ein elektrischer Kilometer demnach etwa ein Sechstel eines Benzinkilometers. Noch größer wird die Ersparnis dann, wenn die Batterie außerhalb der Spitzenzeiten aufgeladen wird, also wenn der Strom billiger ist. Im Jahr, so haben die GM-Ingenieure ausgerechnet, verbraucht der Volt rund 1700 kWh - das ist in etwa so viel wie ein PC, der rund um die Uhr läuft.
Quelle: Autoplenum, 2008-09-16
Autoplenum, 2016-02-22
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