Renault Latitude im Test: Das französische Fragezeichen
Cascais (Portugal), 15. November 2010 - Wenn es um Fahrzeuge der gehobenen Mittelklasse geht, kann man Renault einen gewissen Mut nicht absprechen. Bereits der im Jahr 1975 vorgestellte Renault 30 erhitzte mit seinem Fließheck die Gemüter, es folgten Modelle wie der 25 oder der Safrane. Richtig avantgardistisch war der Vel Satis, beim Nachfolger namens Latitude schlägt das Pendel aber in eine komplett andere Richtung. Wir konnten den neuen großen Renault bereits testen. Koreanischer Biedermann Unser erster Eindruck von der 4,90 Meter langen Limousine: Wer hat den da den Fluence aufgeblasen? Der Latitude präsentiert sich äußerst unscheinbar, unterstrichen wird dies durch die einzigen hierzulande erhältlichen Farben, ein Schwarz- und ein Grau-Metallic. Nach dem leider gefloppten Design-Statement Vel Satis scheint die Designer nun jeglicher Mut verlassen zu haben, anders sind die großen Karosserieüberhänge nicht zu erklären. Entstanden ist der Latitude in Südkorea bei Samsung, wo er auch als Samsung SM5 vom Band läuft. Am Unternehmen Renault Samsung Motors sind die Franzosen nämlich mit 80 Prozent beteiligt. Die optischen Unterschiede beschränken sich auf mehr Chrom beim Renault. Das spart Entwicklungskosten, zumal der Latitude als Weltauto angelegt ist, der auch in den USA oder Russland Freunde finden soll. Auf der Suche nach Bequemlichkeit Über Äußerlichkeiten lässt sich streiten, doch wie steht es mit den inneren Werten? Nach dem Schließen der blechern klingenden Tür versuchen wir, uns auf dem Fahrerplatz einzurichten. Leichter gesagt als getan: Dem Autor dieser Zeilen war es mit einer Körpergröße von 1,87 Meter nicht möglich, eine bequeme Sitzposition zu finden. Schuld daran ist das nicht hoch genug verstellbare Lenkrad, zudem ist die Beinauflage des Sitzes viel zu kurz. Als kleinen Trost bietet der lederbezogene Fahrersessel neben der elektrischen Verstellung mit Memoryfunktion auch eine Massageoption. Im Fond gibt es ausreichend Platz für Kopf und Beine, jedoch bietet die Polsterung zu wenig Seitenhalt. Interessant ist der Vergleich mit dem Facelift-Laguna, der gleichzeitig zur Verfügung stand: Hier genießen die Rückbänkler trotz 20 Zentimeter weniger Länge mehr Beinfreiheit. Ins Gepäckabteil des Latitude passen übrigens 511 Liter. Ein respektabler Wert, der durch das Umklappen der Rücklehnen noch erweitert werden kann.
Der Duft der Großserie Latitude-Kunden kommen stets in den Genuss einer Vollausstattung, da die Limousine hierzulande ausschließlich in der Version "Initiale" angeboten wird. Inklusive sind hier Xenon-Scheinwerfer mit Kurvenlicht, eine Drei-Zonen-Klimaautomatik, ein Tempomat, Ledersitze, eine Einparkhilfe mit Rückfahrkamera, ein Bose-Soundsystem sowie ein Navigationssystem. Bei Letzterem handelt es sich leider nicht um das neuere TomTom, sondern um ein älteres Carminat. Zwar betont Renault, dass es keine aufpreispflichtigen Extras gibt, doch das bedeutet im Umkehrschluss die Abwesenheit moderner Assistenzsysteme. Auch die Serienausstattung mit nur sechs Airbags verwundert bei der Marke, die ansonsten viel mit Sicherheit wirbt. Stark verbesserungsbedürftig ist die Qualitätsanmutung im Cockpit: Harte Kunststoffe penetrieren die Nase mit unangenehmem Duft, was aussieht wie Chrom ist nur Plastik. Auch hier zeigt der kleine Bruder Laguna, wie man es besser macht. Apropos Duft: Als lustiges Gimmick verfügt die Latitude-Klimaautomatik über einen Ionisator zur Luftreinigung und einen Parfümzerstäuber mit zwei wählbaren Düften. Drei Motoren im Angebot Wenn der Renault Latitude im Januar 2011 nach Deutschland kommt, hat der Kunde die Wahl zwischen drei vom Laguina bekannten Antrieben: einem handgeschalteten Benziner mit 140 PS sowie zwei Automatik-Dieseln mit 175 und 204 PS. Wir konnten die Selbstzünder bereits testen.Der kleinere Diesel ist mit einer brummigen Note stets präsent. Woran das liegt, entdecken wir nach dem Öffnen der Motorhaube: Hier wurde an Dämmmaterial gespart. Das Aggregat selbst entpuppt sich als ideal zum kommoden Gleiten, ein rasanter Reißer ist es aber nicht, zumal es untenrum an Biss fehlt. Ein Blick in die Daten klärt auf: Das maximale Drehmoment von 360 Newtonmeter liegt erst bei 2.000 Umdrehungen an. Die Verteilung übernimmt eine Sechs-Stufen-Automatik, sie arbeitet beim 175-PS-Motor diskret. Das Aggregat mit 204 PS bietet zwar spürbar mehr Biss, doch dafür ist hier die Motor-Getriebe-Abstimmung schlechter, man spürt es an abrupten und späten Gangwechseln. Auf der weichen Welle Schon nach den ersten Kilometern fühlt man sich in eine US-Limousine versetzt. Die Lenkung bietet kaum Rückmeldung und fühlt sich synthetisch an. Hinzu kommt ein weiches Fahrwerk, welches den Renault durch scharf gefahrene Kurven schwanken lässt. Im krassen Gegensatz dazu steht die poltrige Federung. Wie es besser geht, zeigt erneut der Facelift-Laguna: Sein Fahrwerk ist zwar sehr straff, dafür wieselt er speziell mit Vierradlenkung sehr präzise ums Eck.
Viele Fragen offen Unter dem Strich lässt der Renault Latitude mehr Fragen offen, als er beantwortet. Laut Aussage des Unternehmens steht er weniger in der Tradition des Vel Satis, sondern eher in der des Safrane. Man wolle gar nicht mit Audi A6 und Co. konkurrieren, schließlich sei der Latitude im oberen Bereich des D-Segments positioniert. Dass die Limousine als Aushängeschild gedacht ist, zeigt der Blick auf den Preis: Es gibt nämlich keinen. Man kann den Latitude nur leasen. Bekannt ist bislang nur die Monatsrate für den 140-PS-Benziner: Diese beträgt über vier Jahre und 40.000 Kilometer 399 Euro ohne Anzahlung. Inklusive sind die Wartung und eine Garantie von vier Jahren. Doch wer Leasingangebote anderer Hersteller vergleicht, wird merken: Ein Superschnäppchen ist das nicht. Exklusivität beim Händler Warum Renault den Latitude in Deutschland nur verleast, wird beim Blick auf die französischen Preise schnell klar: Der dCi 175 Initiale kostet dort 40.200 Euro, sein großer Bruder gar 45.000 Euro, echte Killerargumente also. Zum Vergleich: Den Skoda Superb 2.0 TDI mit 170 PS und DSG gibt es hierzulande in der Elegance-Version für 36.050 Euro. Ab Frühjahr 2011 können Frankophile zum neuen Peugeot 508 greifen. Die Limousine kostet als GT mit 204-PS-Diesel und Sechsstufen-Automatik 37.650 Euro. Immerhin ist sich Renault im Klaren darüber, dass keine Massen begeisterter Latitude-Fans die Türen der Verkaufsräume einrennen werden. Die Limousine wird es nur bei rund 50 von insgesamt 1.300 deutschen Händlern geben. Der Raritätenstatus ist da schon vorprogrammiert.
Antrieb: | Frontantrieb |
---|---|
Anzahl Gänge: | 6 |
Getriebe: | Automatik |
Motor Bauart: | Diesel mit Common-Rail-Direkteinspritzung |
Hubraum: | 1.995 |
Anzahl Ventile: | 4 |
Anzahl Zylinder: | 4 |
Leistung: | 129 kW (175 PS) bei UPM |
Drehmoment: | 360 Nm bei 2.000 UPM |
Nichts gegen den Renault Vel Satis oder den Safrane: Es waren interessante Versuche der Marke, sich im gehobenen Segment zu positionieren. Doch eben jenes Attribut des Interessanten geht dem neuen Latitude völlig ab. Das Äußere ist reizarm, der Innenraum eher fad, die Sitzposition für den Fahrer mangelhaft, zudem gibt es unübersehbare Schwächen bei Fahrwerk und Lenkung. Unabhängig davon stellt sich die Frage nach der Zielgruppe des Latitude. Selbst wer sich für den großen Franzosen erwärmen könnte, dürfte von der Leasingrate abgeschreckt werden, zumal es bei der Rhombus-Marke gute Alternativen gibt. Der geliftete Laguna kostet als GT mit Vierradlenkung, Automatik und 175-PS-Diesel 32.900 Euro. Wer unbedingt eine Limousine sucht, könnte beim Fluence fündig werden: Dieser kostet mit 110-PS-Selbstzünder plus Doppelkupplungsgetriebe gerade einmal 23.350 Euro und bietet sogar einen größeren Kofferraum als der Latitude.
Quelle: auto-news, 2010-11-15
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