Fahrbericht: Range Rover Supercharged - Eine eigene Liga
Optisch haben sich die Veränderungen bei den Modellpflegen im Hause Range Rover schon immer im Rahmen gehalten. Hier ein bisschen gefeilt, dort ein bisschen poliert - und schon strahlt das aufgehübschte Modell heller. So kann man denn auch die neueste Range-Rover-Generation nur mit Mühe von den bisherigen Modellen unterscheiden. Zumindest außen sieht man auch auf den zweiten Blick allenfalls neue Scheinwerfereinheiten, moderne LED-Technik und nette Karosseriedetails. Unter der charakterstarken Karosserie hat sich jedoch umso mehr getan. Der vehemente Einsatz neuer Elektronik-Komponenten machte es nötig, die gesamte Bordvernetzung über neue CAN-Bus-Systeme zu steuern. Von dem verstärkten Elektronikeinsatz kann man sich überzeugen, sobald man sich auf den Hochsitz hinter dem Lenkrad geschwungen hat. Statt diverser Runduhren erstrahlt hinter dem neu entwickelten Volant ein fein animiertes 12-Zoll-Display, das ganz nach Wunsch des Piloten alle wichtigen Informationen projiziert. Leider bleibt der Raum zwischen den digitalisierten Runduhren bei normaler Fahrt oft leer. Hier würde sich eine Pfeildarstellung der Routenführung oder eine zentrale Geschwindigkeitsanzeige gut machen.
Während der Fahrer beim gemächlichen Gleiten den Blick auf das sieben Zoll große Navigationsdisplay hat, sieht der Beifahrer gleichzeitig die Übertragung der Tour-de-France-Etappe aus Montpellier: Eine Hightech-Lochmaske macht es möglich, auf einem Bildschirm zwei unterschiedliche Bilder darzustellen. Das neue Finish des Innenraums ist auf hohem Range-Rover-Niveau - die Kunden der indisch-britischen Marke haben weltweit ihre ganz eigenen Ansprüche. Das weiß auch Produktmanager Ryan Miller: "Knapp 50 Prozent unserer Kunden verdienen deutlich mehr als 500.000 Dollar pro Jahr. Viele liegen über einer Millionen und besitzen mehrere Autos. Gerade die vergleichsweise jungen Kunden zwischen 45 und 55 Jahren benutzen unseren Range Rover dabei in erster Linie als edle Business-Limousine."
Seit den 70er Jahren gilt der Range Rover als die wohl exklusivste Möglichkeit, in einem Geländewagen unterwegs zu sein. Die Hauptmärkte befinden sich an der West- und Ostküste der USA, in Großbritannien, Russland, dem mittleren Osten und in Deutschland. "Wir haben nach wie vor auch ein großes Wachstum", sagt Miller. "Durchweg können wir beobachten, dass unsere Fahrzeuge immer exklusiver ausgestattet werden. Der besonders luxuriöse Range Rover Autobiography verkaufte sich dabei zuletzt mehr als doppelt so stark wie erwartet. Mittlerweile tragen zwölf Prozent aller Range-Rover-Modelle den Autobiography-Schriftzug am Heck."
Diese Kundschaft kann sich beim neuen Modell über eine Vielzahl netter Ausstattungsdetails freuen. Besonders komfortabel dabei der schlüssellose Zugang Keyless Go, Abstandstempomat, fünf Kameras rundum und einen Totwinkel-Assistent. Unverständlich allerdings, wieso der große Geländewagen als einziges Fahrzeug seiner Klasse ohne elektrisch zu betätigende Heckkappe auskommen muss.
Mit der exklusiven Kundschaft lässt sich auch der Hunger nach viel Leistung erklären, den die Briten mit der neuen Motorengeneration befriedigen. Sahnestück in der Modellpalette ist der neue V8-Benziner, der jüngst beim Schwesterkonzern Jaguar seine Premiere feierte. Dank Kompressoraufladung leistet der fünf Liter große Kraftprotz 510 PS und 625 Nm maximales Drehmoment. Der Schub nach vorne ist mächtig. "Der Kunde soll denken: Yes, it’s a Range Rover and wow – it’s better than ever before", sagt Chefentwickler Paul Walker und zeigt auf das Leistungsdiagramm. Die Höchstgeschwindigkeit der Supercharged-Version liegt bei 225 km/h. Und der Durchschnittsverbrauch soll bei 14,9 Litern Super auf 100 Kilometern liegen. Sagt Land Rover.
Warten müssen die europäischen Range-Rover-Kunden auf die neue Generation des Volumendiesels TD V8. Der Selbstzünder ist bis auf weiteres wie gehabt mit überschaubaren 272 PS unterwegs. Die Konkurrenz von Mercedes GL oder Audi Q7 bietet in dieser Liga mehr 320 PS. Doch die Kunden dürfen auch hier hoffen: Das gemeinsam von PSA, Ford und Land Rover entwickelte Basis-Dieseltriebwerk mit sechs Zylindern bekommt in Discovery IV und Range Rover Sport eine Leistungsspritze von 190 auf 245 PS.
In absehbarer Zeit dürfte auch der Range Rover TD V8 eine deutliche Vitaminspritze bekommen, um der kraftvollen Konkurrenz Paroli zu bieten. Schließlich entscheiden sich in Zentraleuropa rund 90 Prozent aller Kunden für den V8-Diesel. Gefeilt haben die Range-Rover-Ingenieure nicht nur an Benzintriebwerk und Innenraum, sondern auch an Geländegängigkeit und Fahrwerk. Offroad musste der Range noch nie Konkurrenten fürchten. Wenn überhaupt etwas Sorgen macht, ist es das gewaltige Leergewicht von mehr als 2,5 Tonnen. Die lassen sich auch durch das komfortable und souveräne Fahrwerk sowie das variable Allradsystem nicht spurlos ausbügeln. Das merkt man besonders in schnell gefahrenen Kurven, wo die starken Nick- und Karosseriebewegungen nicht durch eine Wankstabilisierung ausgeglichen werden können. Dann sind die adaptiven Dämpfer der Luftfeder allein zu wenig, um Ruhe in den Aufbau zu bringen.
Den normalen Chauffeur eines Range-Rovers ficht so etwas allerdings kaum an. Er cruist lässig durch die Landschaft und kann etwaig aufflammendem Tatendrang den des Triebwerks folgen lassen. "Besonders wichtig ist unseren Kunden sowieso Understatement gepaart mit einem imposanten Erscheinungsbild", klärt Ryan Miller auf: "Das bietet der Range wie kein anderer." In Deutschland kommt die neue Range-Rover-Generation des Modelljahres 2010 im September auf den Markt. Der Range Rover TD V8 Vogue startet bei 93.700 Euro. Die Topversion Range Rover Supercharged Autobiography mit Komplettausstattung kostet mindestens 126.000 Euro.
Quelle: Autoplenum, 2009-07-14
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