27. November 2014
Valencia (Spanien), 28. November 2014 - Man muss fast zwei Mal hinhören, um es zu glauben. VW gönnt einem Kleinwagen - wenn auch seinem derzeit sportlichsten - mehr Hubraum. Downsizing ist ja so 2013. Also wuselt der neue Polo GTI nun mit 1,8- statt 1,4-Liter-Motor durch die Gegend. Das EA888-Aggregat, das im Zweiliter-Format auch im Golf GTI oder sogar im Golf R für Betrieb sorgt, kennt man aus dem Passat oder dem Audi Q5. Für den gelifteten Sport-Polo hat man noch ein bisschen Feinschliff betrieben und so 192 PS herausgekitzelt. Das sind 12 PS mehr als bisher und total zufällig genauso viel wie beim Mini Cooper S. Was der GTI besser kann als der zackige Brite (und auch als alle anderen Kleinwagen) ist Drehmoment. Die Entwickler wollten ein gutes Stück mehr Punch, was wohl auch der Hauptgrund ist, warum man den 1,4-Liter-Turbo aus dem Vor-Facelift zum Teufel schickte. Nun gibt es massige 320 Newtonmeter. Also, zumindest wenn man sich für das neue Sechsgang-Schaltgetriebe entschieden hat. Das nun optionale Siebengang-DSG verträgt den ganzen Kraftberg nicht so gut, weshalb man mit "nur" 250 Newtonmeter zurechtkommen muss, wenn man sich die Gänge lieber automatisch zurechtlegen lässt.
Erstmals mit adaptiven Dämpfern Für Freunde des analogen Sports ist die Wahl aber ohnehin klar und laut VW sind das einige. Der Wunsch, doch lieber selbst zu schalten, kam wohl häufiger auf, als gedacht. Darum reagierte man beim voll durchrenovierten GTI und auch sonst eichte man den potenten Winzling deutlicher als bisher auf unverfälschten, weniger restriktiven Fahrspaß. Das etwas unbefriedigende elektronische Sperrdifferenzial ist zwar immer noch da, allerdings hilft man dem Auto mit neuen Achslagern, einem dickeren Stabilisator, einer neuen elektromechanischen Lenkung und extra für den GTI gebackenen Reifen auf die Sprünge. Außerdem neu: Das XDS+-System, das dem Untersteuer-Teufel durch Bremseingriffe an den kurveninneren Rädern den Garaus machen soll. Endgültig in den Fahrdynamik-Himmel hieven den Polo laut Volkswagen ein etwas entspannter ausgelegtes Sport-ESP und - großer Tusch - erstmals auch elektronisch veränderbare Dämpfer. Und weil man ein Facelift (VW spricht sogar permanent vom "neuen" Polo GTI) auch sehen soll, wurde der Kraftgnom mit neuen Schürzen, einem viel GTI-igeren Grill und einem schwarz abgesetzten Dachspoiler geschminkt. Gegen Aufpreis gibt es dazu erstmals LED-Scheinwerfer. Der Innenraum sieht jetzt wie eine geschrumpfte Variante des großen Bruders Golf GTI aus. Sitze und Lenkrad wurden entsprechend aufgehübscht. Außerdem profitiert das Infotainment von den neuesten technischen Errungenschaften wie dem Mirror-Link-System, das die eigenen Smartphone-Apps auf den Polo-Touchscreen zaubert.
Mehr Kraft als ein KleinwagenDa wir gerne mit dem ganzen Drehmoment und dem neuen elektronischen Fahrwerk spielen wollen, klauen wir uns einen GTI-Handschalter mit dem sogenannten "Sport-Select-Fahrwerk” samt "Sport Performance-Kit”. Obwohl der neue GTI nur 0,2 Sekunden von der Null-bis-100-km/h-Zeit des alten GTI abschabt, wirkt er durch die Bank spürbar kräftiger. So kräftig, dass sich kleine (nicht schlimme) Antriebseinflüsse in der Lenkung nicht immer kaschieren lassen. Auch der neue Motor ist kein Wunder an Drehfreude, aber mit dem frühen und gleichmäßigen Druck kann man definitiv gut arbeiten. Gerade im mittleren Drehzahlbereich ist das Aggregat schon erstaunlich voluminös, das wird man bei der Konkurrenz so nicht finden. Das erstmals erhältliche Schaltgetriebe ist gut auf den Motor abgestimmt, sehr leichtgängig und exakt. Sonderlich emotional wirken Schalt- und Pedalgefühl zwar nicht, aber wir würden es dem gerade unter Volllast etwas wirren und bevormundenden DSG auf jeden Fall vorziehen.
Mehr Hummeln im Hintern Sehr gespannt waren wir auf das neu abgestimmte Fahrwerk und die adaptiven Dämpfer. Und genau hier hat der GTI unserer Meinung nach am meisten zugelegt. Das Auto wirkt agiler, wankt weniger und zu unserer großen Überraschung hat VW dem Polo sogar einen kleinen Schalk in den Nacken gesetzt (im wahrsten Sinne): Der ESP-Sport-Modus erweist sich bei ambitionierter Fahrt als relativ großzügig und erlaubt dem Fahrzeug ein sehr unterhaltsam mitlenkendes Heck. So kann man auch die vorhandenen Untersteuertendenzen relativ elegant in die Wüste schicken. Ein VW, bei dem man in der Kurve auch mal gegenlenken muss - wann hat es das zuletzt gegeben? Applaus! Aktiviert man den Sport-Knopf für die elektronisch schaltbaren Dämpfer, spürt man deutlich, wie sich der GTI strafft, die Lenkung schwerer wird (sie wirkt insgesamt etwas künstlich, aber im Prinzip ok) und es ein wenig mehr aus dem Soundcomputer brummt als zuvor. Der Agilitäts-Zuschuß ist deutlich spürbar, weswegen wir das gerade mal 285 Euro teure Sport-Select-Fahrwerk auf jeden Fall mitbestellen würden. Auf den ersten Blick sogar günstiger Alles paletti also in der VW-Boxengasse? Ja und nein. Der neue Polo GTI fährt definitiv unterhaltsamer als der alte, an das Gokart-Feeling eines Mini Cooper S oder das unbändige Sport- und Spaß-Talent eines Ford Fiesta ST reicht er aber nach wie vor nicht heran. Man muss ihm allerdings zugute halten, dass er die Konkurrenz im Alltags-Kapitel wie immer gehörig distanziert. Im Vergleich zum Fiesta federt der GTI glorios und sein Interieur ist mehr denn je eine Klasse für sich. Beim Verbrauch will VW ebenfalls zugelegt haben. Leistung rauf, Durst runter, lautet das Credo, weshalb mit DSG nun noch 5,6 Liter auf 100 Kilometer fließen sollen (beim Handschalter sind es wie im alten 1,4-Liter-Turbo 6,0 Liter). Übersetzt in die Realität bedeutet das, dass der starke Polo mit 8,5 Liter im Schnitt schon ziemlich zügig bewegt werden kann. Und der Preis? Den hat Volkswagen auf den ersten Blick nach unten korrigiert. Mit Schaltgetriebe startet der geliftete GTI ab Ende Januar 2015 bei 22.275 Euro. Das sind 225 Euro weniger als bisher. Der Schein trügt jedoch. Wählt man nämlich das bisher serienmäßige Siebengang-DSG, kommt der Sport-Polo auf 23.750 Euro und ist damit 1.250 Euro teurer. Zum Vergleich: Der knackigere aber weniger geschliffene Fiesta ST kostet mindestens 20.190 Euro. Der coolere, etwas unpraktischere Mini Cooper S ist ab 23.800 Euro zu haben.