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Testbericht

25. April 2008
Wien, 25. April 2008 - Im Lenkrad rappelt ein Eigenleben, es will die Richtung vorgeben. Der Spurhalteassistent im neuen Honda Accord ist nur eine Grenzpunkt-Verschiebung von vielen, mit denen die Japaner den Wagen noch attraktiver machen wollen. Wir haben uns den "Tourer" genannten Kombi mit 150-PS-Dieselmotor zum Test vorgenommen.

Breiter und geduckter Der neue Accord geht jetzt schon in die achte Modellgeneration. Das erste Modell kam vor 30 Jahren auf den Markt und existiert damit halb so lang wie die Marke Honda selbst. Äußerlich musste das frische Modell nur eine dezente Maniküre über sich ergehen lassen. Dem Zeitgeist entsprechend fährt der Wagen jetzt in etwas sportlicherem Look vor: fünf Zentimeter niedriger als bisher kommen bei ihm in der Breite aber acht Zentimeter hinzu.

Es lebe der Kombi Das Erstaunliche: Der Accord wächst nicht in der Länge. Der Heckbereich wurde etwas weicher gestaltet, um dem gefühlten Wunsch nach Lifestyle-Kombis entgegen zu kommen. Mit maximal 1.252 Liter Ladevolumen gewinnt der Wagen keinen Blumentopf, bietet aber halt mehr Stauraum als die Limousine. Der aktuell noch verkaufte Vorgänger des neuen Accord bildete eine Anomalie im Diesel-Kombi-Reich Deutschland: 64 Prozent der Modelle fuhren als Limousine vom Händler-Hof und nur 32 Prozent der Fahrzeuge hatten einen Diesel unter der Haube. Aus Honda-Sicht scheint dies eine gewaltige Schieflage zu sein, die es auch mit Design zu bekämpfen gilt.

Orthopädischer Strumpf In der Kabine hat sich Honda ein wenig an den Oberflächen vergriffen. Insbesondere das Armaturenbrett kommt jetzt mit einem leichten Softtouch daher, wirkt aber wie aus einem schwarzen Styroporblock herausgeschnitten. Besonders an der Mittelkonsole macht sich aber auch noch kratzempfindliches Hartplastik breit, was den amerikanischen Kunden nicht weiter stört, in Europa aber nicht unbedingt positiv auffällt. Und die Sonnenblenden sind im Außenbereich labberig weich, wie wir es von diversen Chrysler-Modellen kennen. Ihr beiger Stoffüberzug wirkt wie ein orthopädischer Strumpf. Die Sitze sind hingegen vom Feinsten: mit gutem Seitenhalt, stützend bequem und trotzdem sportlich verbinden sie die Insassen mit dem Fahrzeug. Apropos Verbinden: Das Alpine-Navi kann jetzt nicht mehr über einen Touchscreen bedient werden. Da der Bildschirm weit weg vom Fahrer platziert ist, wird jetzt über einen großen Kombi-Knopf in die Navi-Steuerung eingegriffen.

Runter von der Legende Der Clou, mit dem Honda an den deutschen Kunden möchte und mit welchem dem deutschen Kunden die deutschen Autos abspenstig gemacht werden sollen, besteht in einer Komfort- und Sicherheitssause für kleines Geld. Features, die die Japaner bisher nur in ihrem Oberklasse-Modell Legend anboten, sind jetzt auch im Accord mit von der Partie. Dabei sollen der Abstands-Tempomat und der Spurhalteassistent für ein unbeschwerteres Fahren sorgen, während ein Kollisions-Schutz-System auf der Sicherheits-Seite zu Buche schlägt. Wir haben alle drei Systeme testweise wirken lassen. Lohnen sie sich?

Abstands-Tempomat Aus den oberen Ligen der Autowelt ist er schon seit geraumer Zeit bekannt: Der Abstands-Tempomat. Bei Honda heißt das System Adaptive Cruise Control (ACC). Ein hinter dem Frontemblem verstecktes Millimeterwellen-Radar misst den Abstand zum Vordermann und passt die Geschwindigkeit des Accord dem vorausfahrenden Fahrzeug an. Wir drücken am Lenkrad auf "main", was den gesamten Tempomat-Bedienbereich aktiviert. Dann mit dem Zeigefinger der rechten Hand am ACC-Knopf des Lenkrads gezogen, und schon ist das Abstand-Haltesystem aktiviert. In drei Stufen lässt sich per Zug am ACC-Knopf die Entfernung zum Fahrzeug vor uns variieren.

Macken wie in der Oberklasse Herrscht freie Fahrt, gibt der Wagen zügig Gas, ohne übertrieben hektisch zur Sache zu gehen. Huscht plötzlich vor uns ein Fahrzeug auf unsere Spur, dann bremst der Wagen sanft ab. Systeme anderer Hersteller reagieren teilweise deutlich träger oder ruppiger - im Vergleich ist Honda hier eine gute Regelung gelungen. Allerdings glaubt auch Hondas System auf der Nachbarspur in Kurven vorausfahrende Fahrzeuge seien auf der eigenen Spur. Dann wird abgebremst, obwohl objektiv keinerlei Grund dazu besteht und der Hintermann wundert sich - zumindest wenn er nicht gedrängelt hat.

Spurhalte-Assistent Beim Fahren eingepennt oder vollkommen betrunken ins Auto gestiegen? Der Lane Keeping Assist System (LKAS) genannte Spurhalte-Assistent wird Sie ganz bestimmt nicht retten. Das System soll den Fahrer zwischen Geschwindigkeiten von 72 km/h und 180 km/h nur unterstützen. Eine oben rechts vom Rückspiegel angebrachte Schwarz-Weiß-Kamera guckt ständig auf die Fahrbahn und versucht die Spurmarkierungen zu erkennen. Der Zugaschalter für den LKAS sitzt unter dem ACC-Knopf und funktioniert ebenfalls erst nach Aktivierung des Tempomaten. Nach dem Einschalten dauert es bis zu 45 Sekunden, ehe das System die Markierungen erkannt hat. Und bei Nässe hat die Kamera keine Chance. In unserem Test war sie auch bei gelben Fahrbahnmarkierungen, wie sie zum Beispiel im Baustellenbereich auftauchen, überfordert. Hat die Kamera aber erstmal Beute in Form von weißen Streifen gewittert, wird tatsächlich aktiv mitgelenkt. Nimmt der Fahrer die Hand vom Steuer, schaltet sich das System ab. Die Erkennung, ob der Fahrer noch mitlenkt, erfolgt über die Messung von minimalen Lenkimpulsen. Wir haben es probiert: Halten wir das Lenkrad fest ohne es zu bewegen, piept der Assistent nach kurzer Zeit wie ein Rohrspatz.

Force-Feedback Erstmal im Markierungssystem eingeloggt, versucht der Fahrspurassistent ein bisschen mitzulenken. Nähern wir uns einem Seitenstreifen ohne zu Blinken, piept der Wagen wieder vorwurfsvoll. Ignorieren wir das Gepiepe, kommt es zu einem Lenkimpuls, wir können richtig sehen, wie das Lenkrad von selbst einschlägt. Allerdings ist es Honda sehr wichtig, dass der Fahrer Herr über den Wagen bleibt. So lenkt der Accord niemals komplett ein - schert sich der Fahrer nicht mehr um die Richtungsvorgabe, wandert das Fahrzeug unbekümmert nach Back- oder Steuerbord aus. Zudem ist der Lenk-Assistent sehr pingelig und beschwert sich beim Verlassen der Mittellinie schon frühzeitig. So führt diese Komfort-Ausstattung zu einem erhöhten Rückmelde-Gefühl im Lenkrad - wie bei einem Force-Feedback-Joystick für Computerspiele - und könnte im Zweifelsfall ein zu spätes Reagieren des Fahrers abfedern. Honda arbeitet inzwischen an Systemen, die auch Baustellen-Baken erkennen und auch in unübersichtlichen Situationen funktionieren. Der aktuelle Assistent scheint so gesehen eine Übergangslösung zu komplexeren Techniken zu sein.

Unfall-Prävention Im Gegensatz zu Abstands-Tempomat und Spurhalteassistent ist das präventive Fahrerassistenz-System kein Komfort- sondern ein Sicherheits-Feature. Aus diesem Grunde ist das Collision Mitigation Brake System (CMBS) auch grundsätzlich aktiv, kann aber über einen Schalter deaktiviert werden. Über das schon vom Abstands-Tempomaten bekannte Millimeterwellen-Radar wird der Abstand zum Vordermann gemessen. Sind wir über 15 km/h schnell und beträgt der Geschwindigkeitsunterschied zum Vorausfahrenden wiederum mehr als 15 km/h, funktioniert das System. Rücken wir unter diesen Bedingungen einem vor uns fahrenden Fahrzeug zu sehr auf den Pelz, warnt uns ein Piepton. Gleichzeitig leuchtet noch ein Auto-Symbol im Tachobereich auf. Dass bekommt aber in einer unfallträchtigen Situation niemand mehr mit.

Was passiert? Reicht das nicht, um den Fahrer wachzurütteln, zieht der Anschnallgurt dreimal kräftig an und verbeißt sich in der festgezurrten Position. Hilft auch das nicht, die Schlafmütze hinter dem Lenkrad aus dem Reich der Träume zu holen, löst das System einen Bremsvorgang aus - allerdings nur mit bis zu 80 Prozent der maximalen Bremswirkung. Die restlichen 20 Prozent müssen vom Fahrer selbst initiiert werden. Macht er das nicht, kommt es zu einer abgeschwächten Kollision. Auch hier zeigt sich wieder, dass Honda auf keinen Fall den Fahrer aus der Verantwortung nimmt. Die einzelnen Stufen laufen übrigens in einer Zeitspanne von drei Sekunden ab.

Bekannte Lage Mit verschiedenen Untergründen kommt der neue Accord mindestens genauso zurecht wie sein Vorgänger. Zu keinem Zeitpunkt krachen Querfugen oder Schlaglöcher in die Rücken der Insassen, Gullydeckel werden weggebügelt, sind aber nicht zu überhören. In Kurven legt sich der Wagen ganz leicht, um dann ein stabiles und sicheres Gefühl zu vermitteln. Der Schwerpunkt des neuen Modells liegt 18 Millimeter tiefer als beim Vorgänger, was zusammen mit der etwas breiteren Spur einen Schuss zusätzlicher Agilität zutage fördert. Die Lenkung ist dabei auch ohne den Spurhalte-Assistent direkt und kommt ohne ekliges Spiel in der Mittellage aus.

Weniger Diesel-Durst Als größter Motorenproduzent der Welt ist Honda in der Pflicht. So erfüllen alle Accord-Motoren die Euro-5-Norm und der Diesel wird serienmäßig mit einem Rußpartikelfilter ausgestattet. Der einzige Selbstzünder im Accord-Motoren-Programm leistet jetzt 150 statt 140 PS und bringt ein um zehn Newtonmeter auf 350 Newtonmeter gestärktes Drehmoment an die Kurbelwelle. Dabei zischt das Aggregat 5,9 Liter Kraftstoff pro 100 Kilometer weg - genauso viel wie beim etwas weniger potenten Vorgänger. Der 2,2-Liter-Diesel sorgt für eine akzeptable Beschleunigung von null auf 100 km/h in 10,0 Sekunden, die Höchstgeschwindigkeit wird von Honda zwar noch nicht angegeben, dürfte aber bei zirka 200 km/h liegen. 155 Gramm Kohlendioxid verlassen pro Kilometer die Endrohre - der mit Abstand beste Wert im Accord-Programm. Außerdem wirkt der Kraftquell zwar nicht seidig weich und unhörbar, wie es teilweise bei der deutschen Konkurrenz der Fall ist, aber insgesamt ist der Vortrieb deutlich leiser geworden. Die im oberen Drehzahlbereich vernehmbare Rauheit kann als sportlicher Einschlag durchgehen.

Noch muss die Hand ran Eine Automatik-Schaltung wird es für den Accord-Tourer erst ab 2009 geben. Immerhin steht Honda mit dem Accord damit besser da als Mazda mit dem 6, wo man sich noch gar nicht zu einer Automatik in Verbindung mit einem Dieselmotor durchringen konnte. Und die manuelle Sechsgang-Schaltung hilft ein bisschen beim Sparen: Ab sofort ermöglichen Schaltempfehlungen dem Fahrer, immer im richtigen Moment den Gang zu wechseln. Das funktioniert ganz gut, wobei ähnlich wie bei VW nur per Pfeil angezeigt wird, ob hoch- oder runtergeschaltet werden soll. BMWs schlagen hier schon einen konkreten Gang vor. Beim Herabrollen von einem steilen Berg begnügt sich das System mit dem fünften Gang, legten wir trotzdem den Sechsten ein, ist das für den Wagen auch okay. Ansonsten gibt es nichts zu meckern: Ohne Hakelei finden die Stufen präzise ihren Platz.
Technische Daten
Antrieb:Frontantrieb
Anzahl Gänge:6
Getriebe:Schaltgetriebe
Motor Bauart:Turbo-Diesel mit Common-Rail-Einspritzung
Hubraum:2.199
Anzahl Ventile:4
Anzahl Zylinder:4
Leistung:110 kW (150 PS) bei UPM
Drehmoment:350 Nm bei 2.000 – 2.500 UPM
Preis
Neupreis: 29.975 € (Stand: April 2008)
Fazit
Der neue Honda Accord Tourer ist eine zeitgemäße Weiterentwicklung des Vorgängermodells. Etwas bessere Leistungen bei leicht gesteigerter Agilität passen zum vorsichtig aufgehübschten Äußeren. Atemberaubend ist, mit welcher Geschwindigkeit Hightech-Sicherheitstechnik aus der Oberklasse in bezahlbare Regionen der Mittelklasse rutscht.

Honda ist mit dem Accord hier Vorreiter, obwohl klar zu spüren ist, dass wir gerade Zeuge einer Zwischenstufe dieser Technik geworden sind. Nichts desto Trotz wird diese Technologie helfen, massiv Unfälle zu verhindern oder zumindest ihre Schwere stark abzumindern. Ab dem 6. September 2009 steht der neue Honda Accord Tourer bei den Händlern.
Testwertung
4.5 von 5

Quelle: auto-news, 2008-04-25

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