23. März 2014
Lleida (Spanien), 24. März 2014 - Morgens um halb zehn irgendwo in Spanien: Ich drücke noch etwas verschlafen den Startknopf eines Autos: Grollend erwacht der 380 PS starke Dreiliter-Kompressor-V6 zum Leben, genau der richtige Wachmacher! Die dazugehörige Super-Kaffeemaschine ist das Jaguar F-Type Coupé. Ist es Koffein auf Rädern oder nur lascher Blümchenkaffee?
Betörend angezogen Gut ein Jahr nach seinem offenen Bruder kommt jetzt das F-Type Coupé auf den Markt. Erst das Cabriolet, dann das Coupé: Eine ungewöhnliche Reihenfolge, doch Chefdesigner Ian Callum macht klar, dass der Stoffdach-Jaguar schlicht mehr Aufwand bedeutet hat. Zudem sei die geschlossene Version vom Cabrio einfacher abzuleiten als umgedreht. Ich stehe beeindruckt vor dem F-Type Coupé und lege mich fest: Das ist die schönste Neuerscheinung der Auto-Saison 2014. Mister Callum hat dem Zweitürer ein im wahrsten Sinne des Wortes spannendes Kleid geschneidert, denn der Wagen ist fast doppelt so verwindungssteif wie das Cabrio. Nein, kalt lässt diese Form niemanden, trotzdem nur soviel: Mit seiner langen Motorhaube und dem knappen hinteren Überhang erinnert das Coupé nicht ohne Absicht an den legendären E-Type. Dazu passt das breite Hinterteil mit den leicht ausgestellten Kotflügeln. Spannung durch Horden von Falzen und Sicken? Hat Jaguar im Gegensatz zu gewissen deutschen Herstellern nicht nötig. Zu Recht: Ob Männer, Frauen, Kinder oder Hunde - jeder verdreht den Kopf.
Ein Fall für ZweiBei einem Jaguar dürfen bestimmte Wortspiele nicht fehlen, passend wäre hier: die Katze mit dem heißen Blechdach. Stimmt aber nicht, weil die Hülle des F-Type Coupé fast komplett aus Aluminium besteht. Trotzdem wiegt der Wagen zwischen 1.577 und 1.650 Kilogramm, denn alle Versteifungen des Cabrios hat das Coupé auch. Ganz und gar nicht abgespeckt wirkt das Cockpit: Feines Leder schmeichelt den Fingern, mein Körper wird von vielfach verstellbaren Sportsitzen festgehalten. Apropos Sitze: 2+2-Kompromisse wie spätere E-Type-Modelle macht dessen Nachfolger im Geiste nicht. Der F-Type ist ein reinrassiger Zweisitzer. Sehr empfehlenswert ist das optionale Panorama-Glasdach für 1.140 Euro. Es sieht nicht nur von außen toll aus, sondern lässt auch mehr Licht in den recht dunklen Innenraum. Sinnvoll ist auch die Rückfahrkamera, sie kostet mit Parkpiepsern hinten 880 Euro. Und wenn wir schon die Kohle wie bei der Bankenrettung raushauen: 800 Piepen sind noch für das Lenkrad mit so genanntem Premium-Velours drin, welches sich wie Wildleder anfühlt.
Heavy Metal vom Feinsten Doch Velours hin, Velours her: Die erste Runde ist für das F-Type Coupé als V6 S reserviert. Er ist keiner, der kuscheln will. Das zeigen schon die schwarzen Nüstern in der Motorhaube. Unüberhörbar setzen sich die 380 PS in Szene. Präsent ist die Kompressor-Maschine mit sechs Zylindern immer, doch der Fahrer entscheidet über die Art der Musik. Entspannte 2.000 Touren bei Tempo 120 sind quasi der James-Last-Modus, alles perlt vor sich hin, die Achtgang-Automatik lehnt sich im höchsten Gang zurück. Doch wehe, ich drücke die Taste, welche die Klappen der Sport-Abgasanlage öffnet. Sofort klingt der Wagen dumpfer und bassiger, als würde Lemmy von Motörhead neben mir auf dem Beifahrersitz hocken. Sobald die Nadel über 3.000 Umdrehungen schnellt, faucht und brüllt der Sechszylinder-Lemmy unter Haube so dermaßen geil und obszön, dass es mir die Nackenhaare aufstellt. Und der Sound ist sogar Stereo: Beim Gas wegnehmen werden die Abgase mit einem sprotzelnden Rülpsen entlassen. Gewiss, mancher mag das prollig finden und auch man selbst möchte nicht drei Stunden am Stück mit dem schmutzigen Sechs im Ohr fahren. Dennoch ist es faszinierend, dass in unserer politisch korrekten Toyota-Prius-Welt so ein Klangteppich noch möglich ist. Da wir gerade beim Thema sind: Sogar ein Start-Stopp-System ist serienmäßig an Bord. Niedlich, nicht wahr? Star mit Allüren Leider ist das Fahrwerk trotz adaptiv arbeitender Dämpfer häufig so bockig wie ein Rocker, der Mineralwasser bekommt. In Verbindung mit den beim V6 S optionalen 20-Zöllern gibt sich der Jaguar gerade auf schlecht geflickten spanischen Autobahnen ausgesprochen unwirsch und neigt sogar zum Versetzen. Gerade bei höherem Tempo sollte man das Lenkrad gut festhalten. Auf normalen Pisten zeigt sich, dass der F-Type durchaus auch komfortabel kann. Fast schon streberhaft vorzüglich ist dagegen die feinfühlige Lenkung. Mit ihr lässt sich das Coupé exakt durch enge Kurven steuern. Trotzdem ist das Gewicht nicht wegzudiskutieren: Je nach Tempo schiebt der Wagen spürbar nach außen. Ein Ami von der Insel Keine Frage, das Jaguar F-Type Coupé ist ein maskulines Auto. Die Rolle des Ober-Machos spielt zweifelsohne das Top-Modell, der R. Hier wütet die V8-Maschine aus dem Cabrio, die aber statt 495 satte 550 PS leistet. Sie tut das freilich nicht immer: Ohne geöffnete Klappen ist sie bei 120 km/h sogar leiser als der Sechszylinder, weil lediglich 1.500 Touren anliegen. Klar, Hubraum ist durch nichts zu ersetzen. Das bekommt man spätestens unter Volllast zu spüren: Erst trittst du ihn, dann tritt er dich. Und zwar gewaltig ins Kreuz. In nur 4,2 Sekunden geht es aus dem Stand auf 100 km/h. Doch das klingt so seriös wie ein schwäbischer Kontoauszug. Die ganze Wahrheit klingt mit geöffneten Klappen wie früher im Michel-Vaillant-Comic: VROOOOOOAAAAAM! Vor mir liegt das Asphaltband der Straße und ich bin wahlweise Kowalski aus "Fluchtpunkt San Francisco" oder Frank Bullitt.
Diff, übernehmen sie! Nur ohne rauchende Reifen. Obwohl Jaguar die erwähnten 550 PS auf die Hinterräder loslässt, artet das Ganze nicht zum Himmelfahrtskommando aus. Das zeigt sich auf der Rennstrecke im so genannten Dynamic-Modus. Hier regelt das ESP deutlich später ein, das V8-Coupé lässt sich durchaus zum Driften überreden. Besonders bei Nässe kommt die beim R serienmäßige aktive elektronische Differenzialsteuerung zum Einsatz. Hierbei handelt es sich um eine Hinterachssperre inklusive einer Torque-Vectoring-Funktion. Je nach Bedarf und Traktion wird das Drehmoment zwischen rechtem und linken Antriebsrad verteilt, die Sperrwirkung kann bis zu 100 Prozent betragen. Das Torque Vectoring verhindert ein drohendes Untersteuern durch Bremseingriffe am kurveninneren Antriebsrad. In der Praxis bedeutet das: Ähnlich wie bei einer Schnappleine bei Hunden wird das Heck spät, aber spürbar eingefangen. Und wie steht es mit dem Thema Allrad beim F-Type? Hier hält sich Jaguar noch bedeckt, undenkbar scheint eine solche Lösung aber nicht zu sein. Schließlich gibt es im XF und XJ bereits einen Vierradantrieb. Nicht billig, aber bezahlbar Ab dem 12. April 2014 tritt das Jaguar F-Type Coupé in Deutschland gegen den BMW M4, die Corvette und den Porsche 911 an. Los geht es bei 67.000 Euro für das Einstiegsmodell, was angesichts von 340 PS eher verniedlichend klingt. Damit ist das Coupé genau 7.000 Euro billiger als sein offener Bruder. Ähnlich verhält es sich beim V6 S für 78.500 Euro, der laut Jaguar den größten Anteil ausmachen wird. Eine Sonderstellung nimmt auch beim Preis der R ein, ihn gibt es ab 103.700 Euro. Wohlgemerkt "ab", denn eine Unmenge an Extras fegt wie ein Orkan durch das Festgeldkonto: Beginnend bei der Sitzheizung für 425 Euro reicht das Angebot bis zur Keramik-Bremsanlage, die es im Paket ab 8.960 Euro gibt. Trotzdem geht das F-Type Coupé schon fast als Sonderangebot durch, denn ein Porsche 911 kostet mit 350 PS mindestens 90.417 Euro, vom knapp 195.000 Euro teuren 911 Turbo S mit 560 PS und Allradantrieb ganz zu schweigen. So wird der Jaguar auch ohne serienmäßige Sitzheizung zum ganz heißen Angebot: Freude am Fahren, Freude am Sparen.