VW Golf GTI Clubsport S im Nordschleifen-Test
Testbericht
Nürburgring, 9. Juni 2016 -
Benny Leuchter grinst: "Das war stark, solche Runden hat man als Instruktor zweimal in fünf Jahren." Wir kommen gerade von der schönsten aller Rennstrecken - der Nordschleife des Nürburgrings - und hinter uns knistern noch vier brandneue VW Golf GTI Clubsport S. Benny hat den momentan stärksten Seriengolf im April 2016 mit einer Rundenzeit von 7:49.21 zum schnellsten Fronttriebler auf der Nordschleife gemacht und zeigt uns heute, dass das ganze kein Marketing-Gag war. Also anschnallen und Rückenlehnen aufrecht stellen. Dieser Golf ist verdammt schnell!
Harter Kampf auf der Nordschleife
Der "Kampf" um die Krone des schnellsten Vorderrad-angetriebenen Fahrzeugs auf der Nordschleife tobt nun seit einigen Jahren. War anfangs noch der Renault Mégane Trophy R das Maß der Dinge, mischte sich irgendwann der Seat Leon Cupra ein. 2014 holte Honda den Rekord mit einem nicht ganz serienmäßigen Civic Type R nach Japan. Und kurz nach dieser Rekordfahrt begann auch schon die Entwicklungsarbeit am schnellsten Nürburgring-Golf aller Zeiten. Heute steht der GTI Clubsport S mit 310 PS ziemlich gut im Saft. Doch nicht nur der Motor aus dem Golf R ist verantwortlich für die Fitness des Autos. Eine modifizierte Vorderachse, die dank neuer Anlenkpunkten nun rund zwei Grad statt wie beim "normalen" GTI Clubsport 44 Minuten negativen Sturz ermöglicht, sorgt für ein sehr direktes Einlenken. Ebenfalls nicht zu verachten: Die weiterentwickelte Aerodynamik. Statt einem Auftrieb von rund 60 Kilogramm wie beim nicht-Clubsport-GTI produziert der weiße Renner hier sogar 25 Kilogramm Abtrieb - den Großteil davon an der Hinterachse. Das hilft besonders in schnellen Passagen und beim Anbremsen aus hohen Geschwindigkeiten.
Nordschleife statt Komfort
Was den Clubsport S zu einem echten Nordschleifen-Renner macht? Wählt man im Fahrprofil-Menü die "Individual"-Einstellung, geht der Golf in eine extra für den 20,832 Kilometer langen Eifelkurs abgestimmten Modus. Motor und Lenkung stehen im "Race"-Modus, die adaptiven Dämpfer wechseln in den "Comfort"-Modus. Komfort? Ja, der Name verwirrt. Tatsächlich versteckt sich dahinter aber eine auf der Nordschleife herausgefahrene Abstimmung, die wie die Faust aufs Auge passt. Doch dazu später mehr.
Weniger ist hier mehr
Ich lasse mich in die gut positionierten Sport-Schalensitze fallen und mache mich bereit. Hinter mir befindet sich weder eine Rückbank noch die serienmäßige Dämmung eines normalen Golf. 30 Kilogramm konnten so eingespart werden. Dafür wurde eine Querstrebe verbaut, an der sich ein Gepäcknetz befindet. Die Option auf einen Überollbügel oder gar Hosenträgergurte sucht man in der Aufpreisliste vergebens. Und das, obwohl der Golf das von Porsche so erfolgreich vermarktete Clubsport-Label trägt. Wandert der Blick in Richtung des Schalthebels, wird die Laune schlagartig besser. Hier nimmt dem Fahrer kein langweiliges DSG-Getriebe die Arbeit ab. Drei Pedale, eine kurzer Schalthebel, so muss das sein. Dreht man den Schlüssel und startet den Zweiliter-Turbomotor, macht sich sofort die neue Abgasanlage mit stärker perforiertem Mittelschalldämpfer und größerem Querschnitt bemerkbar.
Traumhafte Bedingungen
Endlich geht es los, genug gewartet. "ESP heute bitte auf Sport und das Fahrprogramm auf "Individual", dann können wir", krächzt die Stimme von Benny Leuchter durch die Funkgeräte. Wir haben die sonnengeflutete Nordschleife heute ganz für uns - ein Traum, gerade für einen Rennfahrer wie mich, der den Kurs beim 24-Stunden-Rennen noch mit 160 anderen Fahrzeugen und viel schlechtem Wetter teilen "musste". Auch beim Eifelklassiker Ende Mai 2016 war ich mit Benny Leuchter zusammen auf der Strecke. Wir sind in der neuen TCR-Klasse allerdings noch gegeneinander angetreten. Heute reihe ich mich hinter ihm ein und lasse mir gerne zeigen, was "sein" Golf so kann.
Ziemlich schneller Golf
Schon auf den ersten Metern wird klar: Dieser Golf meint es verdammt ernst. Die 310 PS und 380 Newtonmeter schießen den GTI aus der Zufahrt auf die Eifelachterbahn. Hatzenbach: Der Clubsport bügelt über die Curbs im Kurvengeschlängel, als ginge es heute um einen weiteren Rekord. Perfekte Fahrwerksabstimmung für den welligen Kurs, der VW vermittelt schon nach wenigen Kilometern ein enormes Vertrauen. Vollgas Richtung Flugplatz, die Doppelrechts geht dank dem neu gewonnenen Abtrieb sehr schnell, am Schwedenkreuz stehen weit über 200 km/h auf der Uhr. Beim Anbremsen auf die Aremberg-Kurve bleibt das Auto stoisch in der Spur: Das Heck zickt nicht rum und die Front zieht sofort in die Kurve. Fuchsröhre, Adenauer Forst, Metzgesfeld, Kallenhard - der Golf saugt die Strecke unter sich durch wie ein deutlich stärkerer Sportwagen. In der Spiegelkurve wird erneut die hervorragende Abstimmung bemerkbar. Ist der Stabilisator hier zu weich, rollt das Auto und man muss aus dem Gas gehen - aber nicht im Clubsport S. Selbst die lange Vollgas-Passage bis hoch zur Steilstrecke lässt keine Langweile aufkommen - auch nicht selbstverständlich für einen Golf.
Bergab geht's richtig ab
Ab der Hohen Acht, der höchsten Stelle der Nordschleife, geht der Spaß dann richtig los. "Ich bin schon richtige Supersportler gefahren, die waren von hier aus bis zur Döttinger Höhe nicht schneller und vor allem nicht so einfach zu fahren". Glaube ich dir aufs Wort Benny. Ebenfalls für die Performance des Clubsport mitverantwortlich sind die Michelin-Cup-Reifen mit Porsche-Kennung. Richtig gehört, dieser Reifen wird unter anderem auch auf dem GT3 ausgeliefert. Die lange Gerade am Ende der Runde nutzt der Clubsport dann für eine weitere Demonstration seiner Längsdynamik-Künste. Übrigens ist der Rekord-Golf auch der einzige, der über 250 bis auf 265 km/h rennen darf. Aber wer geht schon auf die Autobahn, wenn er viel mehr Spaß auf der Nordschleife haben kann? Kleiner Wermutstropfen: Die Schwimmsattelbremse macht das ständige an-den-Instruktor-Heranbremsen nicht ganz so klaglos mit wie der Rest des Autos. Warum hier nicht die große Festsattel-Anlage aus dem Konzernbuder Leon verbaut wurde, bleibt ein Rätsel. Die von Fahrwerksentwicker Karsten Schebsdat angeführten Punkte Gewicht, Kosten und "die Bremse ist gut genug" befriedigen mich nicht wirklich. Zweiter und finaler Kritikpunkt: Die Gurtdurchführungen der Schalensitze drücken bei flotter Gangart unangenehm in den Rücken. Aber um das zu merken, müssten sie wohl auch meine Spargel-Statur haben.
Ein Traum-Golf
Zurück von der Strecke kann ich fast selbst nicht glauben, wie gut dieser Golf ist. Er ist schnell, perfekt ausbalanciert, emotional und sieht super aus. Schade, dass lediglich 400 dieser Super-Gölfe das Licht der Welt erblicken werden. Für rund 40.000 Euro kann man sich einen Clubsport S sichern. Einen Golf R gibt's fürs gleiche Geld. Der ist auf der Nordschleife allerdings satte 25 Sekunden langsamer. Und auch die Konkurrenz von Renault, Seat und Honda gibt es nicht viel billiger. Wäre meine Wahl vor ein paar Tagen noch auf den Kandidaten aus Frankreich gefallen, würde ich mein Geld nun wohl doch nach Wolfsburg überweisen.
Fazit
Beeindruckend. VW hat mit dem Clubsport S nahezu alle Wünsche erfüllt, die Performance-orientierte Kunden hätten haben können. Die größte Stärke ist das Fahrwerk, aber auch der Motor, die Quersperre und die Aerodynamik machen den Clubsport S zu einem echten "Ring-Tool".
+ brilliantes Fahrwerk, starker Motor, sinnvolle Aerodynamik-Anbauten
- Bremse etwas schwach, Sitze manchmal etwas unbequem
Testwertung
Quelle: auto-news, 2016-06-09
Getestete Modelle
Ähnliche Testberichte
Autoplenum, 2017-08-11
VW Golf - Neuer Standardbenziner ist daGanzen Testbericht lesen
Autoplenum, 2017-07-30
Performance-Teile für den VW Golf R - Ab auf die Rennstr...Ganzen Testbericht lesen
Autoplenum, 2017-04-30
Test: VW Golf 2.0 TDI - Der bleibt sich treuGanzen Testbericht lesen
Autoplenum, 2017-03-27
VW Golf R - Nicht nur schnell, sondern souverän (Kurzfass...Ganzen Testbericht lesen
Autoplenum, 2016-11-09
VW Golf 7 Facelift 2017 - Frischer Wind in stürmischen Ze...Ganzen Testbericht lesen