Fahrbericht: VW Amarok - Das Möchtegern-SUV
Mittelgroße Pick-ups sind das Modell der Stunde. Nachdem die europäischen Hersteller das Segment der Allrad-Pritschenwagen lange vernachlässigt haben, wollen sie nun mit Macht die traditionelle Bastion von Toyota Hilux, Nissan Navara und Ford Ranger stürmen. Und könnten dabei auch gleich den 2010 gestarteten VW Amarok überrennen – das zumindest befürchtet man offenbar in Wolfsburg und Hannover. Daher verpasste Volkswagens Nutzfahrzeugabteilung dem robusten Arbeitstier hektisch ein neues Konzept. Doch das geht nicht auf.
Für den überarbeiteten Amarok hat VW offenbar den Pkw-Käufer ganz oben auf die Liste der Zielkundschaft gesetzt. Dass Pick-up-Hersteller gerade in Europa diese Gruppe ködern wollen, ist an sich nichts Neues. Meist beschränkt sich das Bemühen jedoch auf ein paar Chrom-Zierteile, Ledersitze für den Innenraum und das penetrante Betonen des Ladeflächen-Nutzwerts für Surfer, Mountainbiker und andere Trendsportarten-Sportler. VW hat sich nun eine andere Zielgruppe ausgesucht: den SUV-Fahrer.
Schon allein die für ein Nutzfahrzeug viel zu edlen Antriebskombinationen hebt den Amarok aus dem Gros der Wettbewerber heraus. War im Vorgängermodell noch ein Vierzylinder-Diesel aus der berüchtigten Schummel-Motoren-Familie verbaut, gibt es nun ausschließlich einen V6-TDI, wie er in ähnlicher Form auch im Porsche Cayenne zum Einsatz kommt. Der liefert wahlweise 120 kW/163 PS, 150 kW/204 PS oder 165 kW/224 PS – und soll die Euro-6-Vorschriften einhalten. Doch nicht nur der Motor ist für solch ein preissensibles Segment mittlerweile ungewöhnlich, und auch der weitere Weg der Antriebskraft ist aufwendig gepflastert. Neben einem Schaltgetriebe nämlich steht auch eine – selbst im Pkw bislang eher seltene – Achtgangautomatik zur Wahl. Und der Allradantrieb wird dann nicht nur simpel per Kupplung zugeschaltet, sondern arbeitet nach Audi-Quattro-Manier permanent.
Porsche-Motor, Audi-Allrad, Achtgangautomatik? Ist der Amarok überhaupt noch ein Nutzfahrzeug? Bedauerlicherweise ja. Denn trotz der aufwendigen Technik und der schicken Cockpit-Schminke (die gibt es bei VW selbstverständlich auch) bleibt der VW auf asphaltierten Straßen ein rumpeliger Geselle. Bauarttypisch holpert die Hinterachse über jede Unebenheit. In Kurven hingegen wirkt er leicht schwammig. Modelle wie der Nissan Navara können das mittlerweile besser; dort sorgt eine aufwendige Schraubenfeder-Starrachse für tatsächlich pkw-haftes Fahrverhalten. Dass man beim Amarok in einem Nutzfahrzeug und keinesfalls in einem SUV sitzt, merkt man auch beim Einparken und Rangieren jederzeit. Bei einem Wendekreis wie ein Kleinlaster (13 Meter) helfen auch Rückfahrkamera und Co. nur bedingt.
Im Ergebnis ist VWs Pick-up ein seltsamer Zwitter. Für ein SUV ist er viel zu ungeschlacht, für ein Nutzwert-Auto gibt er zu sehr den feinen Herrn. Die Edelzutaten bei Antrieb und Ambiente wären prinzipiell zwar eine nette Dreingabe, machen den Amarok aber richtig teuer. Bereits das erst im Frühjahr nachgereichte Basismodell mit Hinterradantrieb (120 kW/163 PS) kostet 30.606 Euro, die Konkurrenz hat bei diesem Kurs in der Regel Allradantrieb schon an Bord. Sogenannte „Blechschweine“, nackte und robuste Nutzwert-Varianten, gibt es dort schon für knapp über 20.000 Euro. Wer das bereits zum Start im September aufgelegte Amarok-Sondermodell „Aventura“ mit viel Ausstattung und Top-Motorisierung wählt, ist sogar 55.365 Euro los. Für das Geld gibt es auch schon einen Touareg – und der ist das deutlich bessere SUV.
Technische Daten – VW Amarok:
Viertüriger Pick-up mit fünf Sitzplätzen (Doppelkabine), Allrad- oder Hinterradantrieb, Länge: 5,25 Meter, Breite: 2,23 Meter, Höhe: 1,82 Meter, Radstand: 3,10 Meter, Anhängelast bis zu 3,5 Tonnen, Ladefläche 2,52 qm, 1,55 x 1,62 m
3,0-Liter-V6-Dieselmotor, Allradantrieb, Achtgangautomatik, 165 kW/224 PS, max. Drehmoment 550 Nm, null bis 100 km/h in 7,9 s, Vmax 193 km/h, Verbrauch 7,6 l/100 km, CO2-Emission 199 g/km, Preis ab 55.365 Euro.
Kurzcharakteristik – VW Amarok:
Warum: weil einem die heutigen SUV zu glatt gelutscht sind
Warum nicht: weil die Konkurrenz die günstigeren Pick-ups baut
Quelle: Autoplenum, 2016-06-07
Autoplenum, 2019-02-05
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