13. Juni 2016
Florenz (Italien), 13.Juni 2016 - Wenn Sie sich für Fiats neuen Roadster interessieren und fleißig die übliche Flut an Fahrberichten lesen, dann werden Sie immer wieder darüber stolpern, dass dieses Auto ja eigentlich nur ein umgelabelter Mazda MX-5 ist. Na gut, irgendwie stimmt das ja auch. Chassis, Fahrwerkskonstruktion und weite Teile des Innenraums stammen vom kultigen Fahrspaß-Knirps aus Hiroshima. Allerdings hat Fiat durchaus größeren Aufwand betrieben, um seinem neuen 124 Spider genügend Eigenständigkeit ins Blech (und in vieles, was darunter liegt) zu pressen. Einfach eine Kelle Bolognese aufs fein gerollte Sushi zu schütten, sähe ja auch irgendwie ekelhaft aus. Vom vermutlich leicht ... ähm ... "gewöhnungsbedürftigen" Geschmack ganz zu schweigen.
Lässige Optik
Also hat Fiat schon von außen wenig Raum für eventuelle Zweifel gelassen. Vom reduziert-sehnigen Puristen-Design des MX-5 ist nicht mehr viel (also eher gar nichts) übrig. Stattdessen wähnt man sich beim etwas schwülstigen Anblick des 124 Spider sofort auf irgendeinem sonnigen, von der Natur ungerecht stark begünstigten Küstenstreifen jenseits des Atlantiks. Verwunderlich ist das nicht. Schließlich orientiert sich der neue 124 Spider stilistisch doch recht detailreich am alten 124 Sport Spider von 1966. Selbiger war vor allem im Land von Freiheit, Burgern und Trump ein gewaltiger Erfolg. Über recht biestige Augen schaut der Neue in die Umwelt. Der Grill, die beiden Bubbles auf der Motorhaube, der Hüftknick sowie die rechteckigen Rückleuchten zitieren den geliebten Urahn, ohne peinlich oder aufgesetzt retro zu wirken. Lustigerweise ist der Fiat bei gleichem Radstand gut 13 Zentimeter länger als der MX-5. Die längeren Überhänge schreien nicht gerade "Performance", lassen den 124 aber irgendwie entspannter wirken. Und wie ein Auto, dass es eher mit einem Z4 aufnimmt als mit einem Daihatsu Copen (entschuldige bitte, lieber MX-5).
Mehr Drehmoment
Aus technischer Sicht liegt der größte Unterschied der Roadster-Twins sicher beim Antrieb. Während Mazda auf hochverdichtete, saugende, schnell ansprechende Drehorgeln setzt, die man aber richtig gemein behandeln muss, ehe etwas passiert, holt Fiat die hauseigene MultiAir-Turbo-Keule aus dem Konzern-Keller. 140 PS klingen zwar nicht gerade wie der Inbegriff von "Molto potente" (der MX-5 leistet 130 oder 160 PS), allerdings schmeißt der zwangsbeatmete 1,4-Liter-Motor schon ab 2.250 U/min sehr brauchbare 240 Newtonmeter auf den Tisch. Von 0-100 km/h geht es in 7,5 Sekunden, die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 217 km/h.
Am Fahrwerk erkannt
Trotz viel mehr Länge und ein bisschen mehr Turbo ist der 124 Spider lediglich 50 Kilo schwerer als der MX-5. Sprich: Für heutige Verhältnisse geht er noch immer als beinahe radikales Leichtgewicht durch. Fiat entschloss sich dennoch, das Fahrwerk auf die Mehrbelastung anzupassen. Wer das Fahrwerk des aktuellen MX-5 kennt, wird sich wundern, warum zum Teufel man irgendwas ändern wollte, aber vermutlich geht es auch darum, dem 124 Spider seinen ganz eigenen Charakter zu implantieren. Mehr Italo-Charme kommt also in Form einer anderen Dämpferabstimmung, geänderter Stabilisatoren sowie neuer Federraten.
Turbo tut gut
Die Charakter-OP ist Fiat im Prinzip sehr gut geglückt. Man wollte ein etwas geschmeidigeres, cruisigeres Auto bauen und das hat man auch geschafft. Beispielhaft hierfür steht die neue Maschine, die man - anders als im Mazda - nicht auswringen muss wie ein triefendes Handtuch, damit es einigermaßen Vortrieb gibt. Ja, es gibt ein Turboloch, aber ab etwas über 2.000 Touren ist der 1.4er-Turbo schon richtig glücklich. Der Rest ist Surfen auf einer unerwartet fülligen Drehmomentwelle. Der 124 Spider beschleunigt imposanter und nachdrücklicher, als es die Werte vermitteln und dreht auch williger als vermutet. Er macht die Leistung auf jeden Fall leichter erlebbar, als der MX-5 das tut. Dass man deutlich weniger schalten muss als im Mazda, heißt aber nicht, dass dies besonders empfehlenswert ist. Die Sechsgang-Handschaltung ist eine sehr kurzwegige, leicht durchklackende und wundervoll anschließende Freude. Vielleicht ein Mini-Eck weniger sensationell als im MX-5, aber alles in allem ein extrem vergnügliches Stück Getriebe.
Fader Sound
Weniger Heldenhaftes gibt es von der Audio-Front zu vermelden. Das Klangbild des Spider wurde mit wenig Fantasie gezeichnet. Im Prinzip existiert es gar nicht. Nur wenn man richtig anschiebt, kriegt man ein bisschen Geknurre und ein paar verschämte Pfiffe aus der Turbo-Abteilung. Wer weiß, wie eklatant Fiats Einsvierer-Motörchen in diversen Abarth-Versionen krawallieren kann, dürfte das ein wenig schade finden. Zum lässigen Gemüt des Fiat passt die klangliche Zurückhaltung aber dann doch auch irgendwie.
Weich und beweglich
Dass der 124 Spider die Dinge etwas gelassener angeht als sein japanischer Bruder, heißt übrigens nicht, dass man es hier mit einem fahrdynamischen Faulpelz zu tun hat. Er mag etwas weicher und nicht ganz so wepsig sein wie der MX-5, ein sehr kompetent und spaßorientiert abgestimmtes Auto ist der Fiat aber nichtsdestotrotz. Die neuen Sitze sind eine Genugtuung, Sitzposition, Lenkrad und Positionierung der Pedale passen wie ein hauchdünner Lederhandschuh und alles fühlt sich auf der Stelle locker leicht und genau richtig an. Auffällig ist, wie weich die Federung in diesem Roadster agiert. Er hebt sich beim Beschleunigen, er taucht beim Bremsen tief ein, generell bewegt sich ziemlich viel. Über kleinere Schläge und Unebenheiten stolpert er trotzdem recht harsch, aber das ist ein Malus, über den man leicht hinwegsehen kann.
Keine Heckschleuder
Zieht man das Tempo an, strafft sich auch der Spider mehr. Weil sich die Karosserie so neigt und bewegt, haben die Reifen allerdings jede Menge Arbeit. Der Spider lehnt sich extrem rein, es quietscht ein wenig und dann geht es schön flott, kompakt und neutral wieder raus aus der Biegung. Erwarten Sie also keine klassische Heckschleuder. Es bräuchte schon verdammt viel Enthusiasmus/Wahnsinn, um den 124-Hintern zum Fliegen zu überreden. Und sonderlich effizient wäre die Drifterei auch nicht, weil er keine Differenzialsperre an Bord hat. Besser freut man sich also über die entspannt-spaßige Chassis-Balance (keine Sorge, der Spider fühlt sich definitiv heckgetrieben an und macht alleine deswegen weitaus mehr Vergnügen als jedes vorderradgetriebene Klein-Cabrio), den kräftigen Motor und die 1.100-Kilo-Leichtigkeit-des-Seins.
Preislich in Ordnung
Mit seiner klassisch-italienischen Roadster-Linie und der begrüßenswerten Absenz jeglichen Schnickschnacks (es gibt keine adaptiven Dämpfer, keine Automatik und nur ein herrlich leicht zu bedienendes manuelles Stoffverdeck) weckt der 124 Spider augenblicklich diese Reinsetzen-Losfahren-Spaß-haben-Attitüde. Wie im MX-5 funktionieren Bedienung und Infotainment absolut eingängig, durch etwas mehr Farbe und Leder wirkt der Fiat im Cockpit aber einen Hauch luxuriöser. Ist der 124 Spider also der bessere MX-5? Nun, die beiden sind sich - trotz aller Differenzierungsbemühungen - fahrerisch schon noch sehr ähnlich. Wer gerne etwas eleganter und müheloser unterwegs sein will, darf aber gerne zum Fiat greifen. Preislich nehmen sich die beiden ebenfalls recht wenig. Der Fiat 124 Spider startet bei 23.990 Euro und ist damit einen glatten Tausender teurer als der Basis-MX-5 mit 130 PS. Der sehr gut ausgestattete 124 Spider "Lusso" (unter anderem Klimaautomatik, Leder, Sitzheizung) kostet mindestens 26.490 Euro. Das hochwertigere, erwachsenere, aber weniger charmante und pure Mini Cooper Cabrio liegt bei 23.950 Euro. Der Marktstart des 124 Spider erfolgt am 18. Juni 2016.