Erfahrungsbericht Opel Kadett 1200 S (60 PS) von Dr.W.Greiner, Dezember 2016
Mein Kadett war ein Kadett A Coupe (nicht C, auch das obige Bild völlig falsch - bitte DRINGEND mal Eingabemaske überarbeiten, damit man wenigstens Typ und Baujahr korrekt deklarieren kann!) mit 1000 ccm und 48 PS, Baujahr 65. 1971 kaufte ich ihn mit 80.000 km auf dem Tacho; es war mein zweites Auto nach kurzen, schlechten Erfahrungen mit einem Käfer.
Die Farbe des Coupes war cremeweiß (mit zunehmenden, rostroten Stellen) und ein dunkles Dach. Die bereits beim Kauf durchgerosteten, vorderen Kotflügel reparierte ich notdürftig in Eigenarbeit mit Glasfasermatten; die restliche Haltbarkeit des ganzen Autos war somit auf die laufende, zweijährige TÜV-Periode begrenzt. Durchrostung nach 6 Jahren war damals eher die Regel als die Ausnahme - nur die VWs rosteten dank ihres etwas dickeren Blechs "erst" nach 7-8 Jahren durch.
Unter "Coupe" verstand Opel damals keine eigenständige Karosserieform; da wurde nur an der ansonsten sehr kantig aufrecht daherkommenden Karosserie das Dach hinten abgeschrägt, zum Leidwesen der hinteren Passagiere. Das Coupe sah damit im wahrsten Sinn des Wortes "schräg" aus, elegant war das nicht :-) Sollte halt irgendwie "Sportlichkeit" signalisieren, zusammen mit den rechteckigen Scheinwerfer-Umfassungen (die A-Limousine hatte Rundscheinwerfer).
Leider hatte der Erstbesitzer die "Sportlichkeit" des Coupes wohl dahingehend mißverstanden, das Vierganggetriebe beim Schalten gefühllos brutal durchzureißen: die Synchronisation war völlig verschlissen, runterschalten nur noch mit Zwischengas möglich (weiß heute überhaupt noch jemand, wie das geht? Auskuppeln, Leerlauf, kurz einkuppeln, wieder auskuppeln, Gang rein, einkuppeln...). Notgedrungen habe ich mich daran gewöhnt; man konnte damit leben und hat sich eben jedes entbehrliche Runterschalten gespart.
Bei der ersten, längeren Fahrt brach mir die gesamte, verrottete Auspuffanlage runter und schleifte am Boden. Auspuffanlagen hielten damals im Schnitt zwei Jahre... Nach einem Vierteljahr lief der Motor plötzlich nur noch auf drei Zylindern: die Auslassventile mußten erneuert werden, weil eines verbrannt war. Das war's dann aber auch schon mit Reparaturen; die Ventil-Reparatur war an dem stocksimplen, stoßstangengesteuerten Zweiventiler keine große Sache, am nächsten Morgen konnte ich meine Fahrt schon wieder fortsetzen. Auf den weiteren 50.000 km bis zum TÜV-Ende gab es keine besonderen Vorkommnisse mehr.
Die Karosserie war mit genau 4m Länge und 1,5 m Breite recht kompakt, innen - vor allem hinten - entsprechend eng, dafür aber mustergültig übersichtlich. Vorne hatte man immerhin deutlich "mehr Luft" als im Käfer. Der Kofferraum war im Vergleich zum Käfer riesig - ein Klassenunterschied. Auch die Heizung war um Klassen besser: gut wirksam - und stank nicht wie im Käfer.
Der Motor holte 48 PS aus nur 1000 ccm. Er mußte dazu 1000 Umdrehungen höher drehen als der Käfer und war von "unten heraus" entsprechend schlapp. Allerdings wog das ganze Auto auch nur 700 kg, dafür brauchte man noch keinen Turbodiesel... Das Motorchen gefiel durch Drehfreude und relativ ruhigen, nähmaschinenartigen Lauf - kein Vergleich zu dem nervigen Rasseln und Heulen im Heck des Käfers. Er begnügte sich - allerdings bei selten mehr als 110 km/h - mit 7 Liter Superbenzin. Ein Liter davon kostete damals ca. 55 Pfennige. Die 2,75 l Öl für den Ölwechsel kriegte man für weniger als 1 Mark pro Liter. Zum Ausgleich für die etwas teurere Haftpflichtversicherung gegenüber dem Käfer (PS-Klassen) zahlte man etwas weniger Hubraumsteuer. Wenn man die durch Verrosten sehr begrenzte Gesamtlebensdauer mal außer acht ließ, war der Kadett damals eine Sparbüchse.
Der Fahrkomfort war durch eine relativ harte Federung und die starre Hinterachse beeinträchtigt. Dafür waren die Fahreigenschaften zwar nicht eben sportlich, aber - sehr im Gegensatz zum Käfer - unproblematisch: leicht untersteuernd, im Grenzbereich mit der trampeligen Hinterachse vielleicht mal kurz versetzend, aber immer gutmütig und leicht beherrschbar. Die Trommelbremsen waren freilich für heutige Maßstäbe kriminell: bei stärkerer Beanspruchung (z. B. Pass-Abfahrt) verloren sie drastisch an Wirkung. Da mußte man sich bergab wirklich sehr zurückhalten, um nicht in akute Schwierigkeiten zu geraten. Die Wintertauglichkeit war dagegen trotz wenig belasteter Hinterachse passabel: als Student konnte ich mir noch keine Winterreifen leisten - und brauchte sie auch nicht. Sogar zum Skifahren in die Berge fuhr ich mit dem Kadettchen problemlos mit den Sommerreifen. Ein Paar Ketten hatte ich sicherheitshalber dabei, habe sie aber nie gebraucht.
Insgesamt habe ich das kleine Coupe immer gerne gefahren: es war relativ spritzig bei gutmütigen Fahreigenschaften, hatte einen ruhig laufenden Motor, einen großen, praktischen Kofferraum und eine gute Heizung - und es war für einen armen Studenten bezahlbar. Was wolte ich mehr? Ein Autoradio. Das konnte ich mir nämlich damals nicht leisten, DAS war damals teuer.