Oh, den gab es ja auch mal! Mein erstes richtiges Auto!
Und da sind wieder diese schönen Erinnerungen an damals, als alles besser war (weil man noch nicht wußte, wieviel besser es noch werden würde!). Und genau das hat meine Erinnerung geprägt!
Eigentlich war das schon mein zweites Auto, aber nach einem Reinfall mit einem Unfallwagen (Ja, damals waren Kaufverträge unter Privat mit der Klausel "Gekauft wie besehen" noch so zu verstehen, dass der Käufer Unfallschäden gravierender Art selbst erkennen mußte. Klar, kein Thema für einen Zwanzigjährigen, der zumindest verstand, dass Autos zum Fahren da sind, und der noch davon ausging, dass nur echte Verbrecher betrügen.) sparte ich mir das Geld für einen Jahreswagen mühselig zusammen (11000 DM!!!), machte mich zu Autotechnik und Schadenserkennung schlau, um nicht noch einmal einen solchen Reinfall zu erleben, und fuhr mit einem Freund im Mai 1988 nach Bochum zum Opel-Jahreswagenmarkt.
Warum gerade Opel?
Mein Reinfall war ein VW Polo (BJ 1979, 40 PS) gewesen. Ich fand das Auto zwar toll, es war ja mein erstes, aber auch im Innern dunkel und bedrückend.
Ein Fiat Uno war finanziell nicht erreichbar, da gerade erst auf dem Markt und somit kaum als Gebrauchter zu bekommen (vor allem mit dem angespriesenen FIRE-Motor!). Ford fuhr schon die Verwandschaft und für mich war der Fiesta ebenfalls ein im Innern eng wirkendes Auto, das für mich auch äußerlich sehr banal aussah.
Andere Alternativen wie Nissan Micra (der mit den lustig klein aussehenden Rädern) oder Suzuki Swift, Daihatsu Charade etc. waren ebenfalls finanziell nicht erreichbar, da eigentlich nur neu zu bekommen.
Und am Corsa gefielen mir die ausgestellten Kotflügel, die den Wagen ein wenig stämmig wirken ließen. Dazu hatte ich im Innern eher das Gefühl von Luft und Licht (im Vergleich zu meinem Polo Baujahr 1979). Ach ja, da gab es noch den Polo, als Fox-Sondermodell, preislich auf der Höhe zu dem von mir anvisierten Corsa Cup, aber nur mit einem ärmlichen Spanntuch als Kofferraumsichtschutz. Das konnte der Corsa in der billigsten Variante besser mit einer richtigen Hutablage.
Solche Feinheiten waren damals schon kaufentscheidend für mich!
Und die Ehrenrührigkeit des Rufs war damals noch keine. Opel baute Autos wie VW, nur eben sparsamer und etwas günstiger, und geworben wurde mit Opel, dem Zuverlässigen, was im Rückblick meine volle Zustimmung findet.
War es Schicksal? Dort, wo wir auf dem Jahreswagenmarkt parkten, stand direkt ein kleiner weißer Corsa Cup, Baujahr 1987, knapp 8000 km gelaufen, immerhin schon mit dem 1,2 ltr Motor mit 45 PS aus dem Kadett B, der mehr Laufruhe und Kraft versprach als der bis dahin angebotene 1,0 ltr-Motor. und wartete zum von mir angepeilten Preis geduldig neben einem leicht angegrauten Herrn auf seinen neuen Besitzer. Treffer!
Es dauerte keine zwanzig Minuten und ich war Besitzer eines Wagens, der heute wohl als Arme-Leute-Kutsche durchgehen würde, damals aber als ein nur etwas sparsamer ausgestatteter Familienzweitwagen durchging.
Ok, ich investierte in Folge 200 DM für ein ordentliches Radio und zwei Lautsprecher (Montage in der Hutablage), 100 DM für eine Mittelkonsole und 70 DM für eine darin einsetzbare Fischer-Kassettenbox. Für ein paar Mark gab es dann noch weisse Zierstreifen für die grauen Stoßstangen. Irgendwann kamen dann noch Schonbezüge für die hellgrauen Sitze dazu, Unterbodenschutz und ein Jahr später ein ungeregelter Katalysator. Damit war das Auto auf einem guten Stand der Technik und stand auch dem Zweitwagen der Eltern meiner Freundin (Corsa A Swing mit besagtem 1,0-ltr Motor) kaum nach.
Nach zwei Jahren gönnte ich mir dann noch richtigen Luxus, ein Glashubdach, das heissen Sommern endgültig den Schrecken nahm.
Allerdings muss ich feststellen, dass ich keinen Sommer als unerträglich heiss in Erinnerung habe. Bis auf ein regelmäßig von der Sonne zu sehr erhitztes Lenkrad fand ich es nie wirklich zu heiss in diesem Wagen. Vielleicht auch deshalb, weil einfach noch nicht genug Dämmmaterial verbaut wurde, das Hitze lange und komprimiert speichern konnte?
Mein ganzer Stolz ließ mich in den nächsten sechs Jahren nie im Stich. Einmal mußte die Wasserpumpe getauscht werden, wie wohl bei fast allen Opel damals, aber damit war die Schadensbilanz
durch.
Er erduldete meine sportlichen Ambitionen, wies mich dezent zurecht, wenn ich Kurven zu schnell angehen wollte, und zeigte Ausdauer auf der Autobahn und Behendigkeit in der Stadt.
Von seiner Übersichtlichkeit kann man heute nur noch träumen. Gegen den Kofferraum dieses 3,5 m Autos sind ähnlich große Kleinwagen heute eine Zumutung. Drei Wasserkisten hatten nebeneinander gut Platz.
Auf der Rückbank drängelten sich auch einmal vier Personen und der Wagen zog die Gesamtlast von 6 Insassen klaglos zum Ziel.
Ohne ABS, das damals nur Oberklassemodellen vorbehalten war, war natürlich das Bremsen mit den niedlichen 145er Reifen etwas, das man geübt haben sollte, denn das ging im Notfall nur mit blockierender Bremse.
In einer Autobahnauffahrt lief ich einmal auf eine totale Schlafmütze auf. Mein Bemühen, den anderen Fahrer vor einem Unfall zu bewahren (mit mir!) hüllte mein Auto in dunkelgrauen Nebel, der von meinen Reifen stammte, die von da an recht unruhig abrollten, da sie einseitig abradiert waren.
Aquaplaning war noch eine echte Gefahr. Es erwischte auch mich einmal. Zum Glück rutschte ich einem anderen Wagen deswegen nur mit minimaler Geschwindigkeit ins Heck und der Schaden blieb überschaubar.
Aber so etwas übte und über eine Laufleistung von knapp 80000 km blieben wir gute Freunde.
Damals war dieser Wagen für mich die Erfüllung meines Traums von Mobilität. Er begleitete mich mein gesamtes Studium, war genügsam (6,5 ltr Normalbenzin/100 km, minimaler Ölverbrauch <0,5 ltr auf 15000 km, was ungefähr meiner Jahresfahrleistung entsprach).
Im Winter sprang er mit gefühlvollem Chokeeinsatz immer an. Im Sommer blieb er wohl auch wegen der Farbe noch akzeptabel warm (Ja, Klimaanlagen waren damals etwas für Luxus-Autos! Wir Kleinwagenfahrer hatten lieber die Fenster heruntergekurbelt (!) und genossen den Fahrtwind.
Natürlich war der Wagen etwas eng. Mit Winterjacke hatte man zum Beifahrer stets Armkontakt, aber so war das damals eben. Das Auto ist mir in guter Erinnerung geblieben, nicht nur, weil mir sogar mal ein GTI-Fahrer, dem ich minutenlang auf der linken Autobahnspur folgte, Platz machte, den ich nicht benötigte, da mein kleiner weißer Renner bereits am absoluten Limit lief.
Danke nochmals nachträglich an dieser Stelle an den netten Fahrer, der meinen Corsa so überschätzte! :)
Die angegebene Höchstgeschwindigkeit laut Hersteller war 143 km/h. Sicher lief mein Wagen etwas mehr, aber nicht genug für solche Begebenheiten. :)
Irgendwann trennten sich dann doch unsere Wege. Nach dem Abschluß meines Studiums benötigte ich wegen meines ersten Jobs ein schnelleres Auto. Dem weissen Corsa folgte ein roter Golf II mit 75 PS, noch ohne Kat, der sich im Vergleich wie eine Rennmaschine anfühlte. Aber das ist eine andere Story.
Den Corsa kaufte meine Schwester, die gerade den Führerschein gemacht hatte und nun auch ein Auto haben wollte.
Mein scheckheftgepflegtes, gut eingefahrenes Auto, absolut rostfrei im Alter von 6 Jahren, gefiel ihr sehr gut!
Für den Corsa war das kein guter Deal. Er erduldete von da an eine Reihe von schmerzhaften Karambolagen, Beulen und Blechrissen. Jedesmal, wenn ich "meinen" Corsa wiedersah, tat er mir mehr leid. Nur drei Jahre später verkaufte sie den ziemlich ramponierten Wagen, um ihn gegen das Nachfolgemodell auszutauschen, wieder in weiss, mit gleichem Motor, aber nun mit geregeltem Kat.
Scheinbar hatte der kleine Corsa Cup sie auch ein wenig beeindruckt!
Hätte ich heute etwas mehr Platz vor dem Haus, könnte ich mir gut vorstellen, mir diesen Wagen wieder zuzulegen, mich an schönen Tagen hineinzusetzen, das Glasdach zu öffnen, eine Bruce-Springsteen-Kassette einzulegen und gemütlich durch die Gegend zu fahren.
Ich glaub, das wär echt schön, so wie damals!