Mein Autoleben mit Geländewagen dauert mittlerweile bereits 15 Jahre. Neben einigen Landrover Discovery 200 u. 300 TDI als Erst- und Samurais als Zweitwagen, hatte ich zwischendurch einen Citroen C5 als Alltagswagen, übrigens ein Auto das sehr zu empfehlen ist. Aber nach dem Motto "einmal Allrad immer Allrad" machte ich mich voriges Jahr wieder auf die Suche nach einem passablen Landrover Discovery, leider ohne Erfolg. Mittlerweile scheint der Markt an guten Discoveryexemplaren älteren Baujahres weitestgehend ausgedünnt, oder hoffnungslos überteuert.
Als " Notlösung" bot sich dabei der Nissan Terrano II an. In einschlägigen Foren liest man über diesen Wagen relativ wenig, was man ja durchaus als positiv interpretieren kann. Nach einigen Besichtigungen und Probefahrten entschied ich mich im November 2014 für einen 2002 er Terrano 3,0 DI mit 160000 km und einem passablen Kaufpreis in Höhe von 4.500 € . Das Autohaus in Mainz machte auf mich einen sehr guten Eindruck, der Wagen war erstklassig aufbereitet und augenscheinlich technisch in Ordnung. Der Händler versicherte auch im Internet , dass alle Wagen werkstattgeprüft und technisch in Ordnung seien, was im Nachhinein wohl ein Trugschluss war.
Der jetzige Kilometerstand von 183000km, also 23000 gefahrenen Kilometern, berechtigt mich m. E. einen ersten Erfahrungsbericht für potentielle Interessenten abzugeben. Ich werde zunächst einmal chronologisch meine Werkstattbesuche aufzeigen. Ein Tipp noch: Bitte einen Allradspezialisten oder Vertragshändler aussuchen, der sich mit Geländewagen auskennt. 08/15 Werkstätten sind nach meinen Erfahrungen zu urteilen überfordert. Bitte von der Werkstattchronologie nicht abschrecken lassen. Mein Wagen wurde anscheinend von den Vorbesitzern nur "geritten" nicht gewartet.
Kauf 24.11.2014
Werkstattkosten:
1. Besuch bei Vertragshändler am 10.12.21014
defekter Kühler und defekte Airbagspirale repariert:
Pollenfilter , Luftfilter gewechselt 664,37 €
2. Besuch am 19.01.2015
defektes, gebrochenes Kupplungspedal, alle Öle gewechselt, Hupe repariert,
Kraftstofffilter eneuert 414,07€
3. Besuch am 18.05.2015
Kunststoffkappe an Vorderachse erneuert 9,38€
4. Besuch am 08.06.2015
Bremsen hinten erneuert, Teil der Bremsleitungen erneuert 407,81€
5. Besuch am 12.06.2015
Kreuzgelenk an Kardanwelle erneuert 236,08 €
6. Besuch am 30.07.2015
Keilriemen, Kettenspanner, Spannrolle erneuert 308,92€
(Ölwechsel von mir ausgeführt)
7. Ersatz des undichten Kraftstoffbehälters (Einbau eines gebrauchten Tanks) 435,57€
8. Besuch am 15.11.2015
1 Satz neuer Winterreifen 300,00€
zusammen 2.776,20€
Für den TÜV im Frühjahr 2016 müssen zusätzlich noch die ankorrodierten Bremsleitungen erneuert werden. Erst dann kann man davon ausgehen, dass sich der Wagen in einem technisch tadellosen Zustand befindet. Die Kosten zeigen aber auch (bis auf den Tank) auf , dass es sich hauptsächlich um Reparaturen von Verschleißteilen gehandelt hat, ein Indiz für die Zuverlässigkeit des Terranos, trotz der hohen Kilometerleistung. Außergewöhnliche Kosten, was Antrieb, Getriebe und Motor angehen fielen im Gegensatz zu meinen Landrovern demnach nicht an. Nachfolgend noch einige Produktdetails:
Zuverlässigkeit:
Bisher hatte ich keine außergewöhlichen Werkstattbesuche. Was störend ist, ist die Ölstandkontrollleuchte. Sie leuchtet nach Gutdünken, obwohl einer der Öldruckschalter ausgetauscht worden ist (der Andere wird noch ausgetauscht). Abhilfe: Im warmen Motorzustand dreht man den Zündschlüssel ohne Vorglühen um und die Lampe bleibt aus. Der Makel ist wohl bauartbedingt wie in den Foren berichtet wird.
Fahreigenschaften:
Im Gegensatz zum Discoverymotor ist der 3,0DI Motor des Terrano sehr agil. Selbst bei niedriger Drehzahl zieht der Wagen ohne "Turboloch" zügig hoch. Mit seinem hohen Drehmoment und den 158 PS ist dieser Wagen ein ideales Zugpferd für Bootseigner, Caravanfreaks und Pferdeliebhaber. Die Motorsteuerung erfolgt über eine wartungsarme Kette. Aufwändige, kostenintensive Zahnriemenwechsel entfallen demnach. Der zuschaltbare Allradantrieb und die sehr hohe Verschränkung garantieren eine sehr gute Geländegängigkeit und ein subjektiv sicheres Gefühl bei schlechten Witterungsbedingungen. Das Fahrwerk selbst ist für mein Gefühl etwas zu schwammig, im Gegensatz zum Discovery eher ein Nachteil. Nachteilig ist auch der relativ hohe Verbrauch. Zwischen 10 und 12l/100km sind realistische Werte für den Durst des 3,0DI Motors.
Für den Wagen gibts maximal Euro 3. Der Erwerb einer grünen Plakette ist leider nicht möglich.
Empfundene Qualität:
So gut die Technik des Fahrzeuges auch ist, bei der Qualität, insbesondere des Interieurs, muss man deutliche Abstriche machen. Die Karosserie und der Tragrahmen haben zwar einen sehr guten Rostschutz, die Qualität der Innenausstattung ist demgegenüber nur befriedigend. Die Plastikteile der Innengriffe verspröden und sind teilweise gebrochen. Die Sitze sind allerdings von guter Qualität und auch nach der Kilometerleistung weder verschlissen noch durchgesessen. Ersatz ist sehr teuer (es gibt z. B. nur ganze Seitenteile für gerade mal 400 €, statt der gebrochenen Griffe!) und daher unrentabel neu zu kaufen. Sehr negativ ist auch die Ersatzteilpolitik des Autoherstellers. Wer einen Tank benötigt oder Sicherheitsgurte, leider Fehlanzeige nicht mehr lieferbar! Da muss man schon die Bucht oder einen Verwerter bemühen.
Bedienung:
Im Wagen selbst findet man sich sehr schnell zurecht. Kein Schnickschnack, alles notwendige an Schalter und Hebeln ist übersichtlich und klar angeordnet. Ein Tempomat als Schmankerl ist leider nicht nachrüstbar. Der Allrad ist leicht zuschaltbar und macht bei der Bedienung und beim Fahren ebenfalls keine Probleme.
Platzangebot:
Als 5-Türer ist das Platzangebot unschlagbar. Ich denke, dass der Terrano neben Patrol, Landcruiser und Rangerover einer der größten Geländewagen ist.
Die Rundumsicht ist phänomenal.
Unterhaltskosten:
Die Steuer im Jahr schlägt mit 465 € bei Euro 2 zu Buche, bei Euro 3 nur unwesentlich weniger. Versicherungstechnisch ist er in der Typklasse 23 eingestuft, was bei SF14 (Versicherungskosten je nach Gesellschaft zwischen 500 und 800 € i. M.)
Mein Fazit:
Obwohl ich ein Landyfan bin, ist der Terrano eine sehr ernstzunehmende gute Alternative. Rostvorsorge ist absolut top, die Zuverlässigkeit ist hoch, insbesondere technisch auch nach so langer Zeit (mittlerweile 13 Jahre alt) sehr gut. Der Terrano wird eindeutig unter Wert (ab 2500 € aufwärts) verkauft. Bei den Angeboten sollte man aber schon Werkstattbesuche mit einkalkulieren (siehe oben) Da die Autos bereits seit 2006 (so meine ich mal) bei uns nicht mehr verkauft werden, sollte man bei Besichtigungen die rosarote Brille zuhause lassen (siehe oben) . Vorsicht auch, wenn überhaupt keine "Vita" vom Auto vorhanden ist .
Als Wegwerfprodukt ist der Terrano m. E. zu schade und hat mit seinen Qualitäten durchaus das Zeug zum Geländeklassiker.
Peter Ullinger