Erfahrungsbericht Kia Niro e-Niro (204 PS) von Anonymous, März 2024
Der Niro EV dient als Stadtwagen mit gelegentlich erweitertem Radius. Diese Aufgabe erfüllt er ordentlich. Und dank diverser Förderquellen und Kostenerleichterungen macht der Niro das zum günstigen Preis. Soweit, so ordentlich.
Trotzdem bin ich nach einem knappen Jahr Nutzung von dem Fahrzeug enttäuscht und sehe der Rückgabe vom Leasing-Fahrzeug frohgemut entgegen. Und dafür verantwortlich ist ein Bündel an Mängeln, unerfüllten Versprechungen und mit Sicherheit auch zu hohen Erwartungen, die ich an das Fahrzeug hatte.
- Das Bediensystem bietet viele Assistenzen. Zuverlässig funktioniert keiner davon. Das teil-autonome Fahren ist zu schnell verwirrt von fehlenden Markierungen. Der aktive Tempomat kann sich häufig nicht entscheiden, ob er einer vorgegebenen Geschwindigkeit folgen soll oder dem aktuell gültigen Tempolimit. In Kombination mit der miserablen Verkehrzeichen-Erkennung führt letzteres zu überraschenden Beschleunigungs- und Bremssequenzen. Meint das Fahrzeug ein Geisterfahrer-Manöver zu erkennen, schockt die einsetzende Sirene den Fahrer mehr als das vermeintlich falsche Manöver. Im Ergebnis sind nach 6 Monaten alle Assistenzen so gut es geht deaktiviert.
- Die Energiebedarf schwankt stark, zwischen 11-24 kWh pro 100km bei Stadt und auf der Landstraße. Das ist volatil, aber daran könnte ich mich gewöhnen. Ärgerlich sind die falschen Versprechen des Bordcomputers, der bei Abfahrt 400 km Reichweite in Aussicht stellt und nach tatsächlich gefahrenen 234 km nur noch eine klägliche Restreichweite von 44 km bietet. Autobahn-Fahrten sind im Hinblick auf die Reichweite zu vermeiden oder auf 110 km/h oder weniger zu begrenzen. Die auf der Langstrecke unbequemen Sitze tragen dazu ihr übriges bei.
- Zwei Wochen Standzeit im kalten Winter führen zu einer Akku-Entladung um zwei Drittel. Das kann doch nicht euer Ernst sein, liebe Kia-Entwickler.
- Die Bedienung über das große Touchfeld ist fummelig, die UX nicht mein Fall. Informationen, etwa beim Navi, sind in zu großer Zahl vorhanden und klein dargestellt. CarPlay ist als Alternative vorhanden, leider nicht Wireless.
- Das mittig Bedienfeld mit Drehreglern und Touch-Flächen wechselt seine Funktion zwischen Media- und Klima-Steuerung. Wer auch immer diese Idee zur Bedienung hatte, kann sich glücklich schätzen, eines der dämlichsten Bedienkonzepte zur Verbreitung verholfen zu haben. Murphys Law folgend, ist immer die unpassende Variante aktiv, was beim Wunsch, die Musiklautstärke schnell zu reduzieren, unweigerlich zu einer auf Hochtouren pustenden, eiskalten Klimaanlage führt (etwa, weil der Drehregler gerade im Temperatur-Modus und nicht dem Lautstärke-Modus lebt).
In einer Zeit, in der nahezu alle Autos das elementare Bedürfnis befriedigen, Personen und Last von Start ans Ziel zu bringen, entscheiden für mich die sekundären Tugenden. In denen müht sich der Niro EV zwar ab, scheitert am Ende aber kläglich.