Erfahrungsbericht Fiat 500 0.5 (18 PS) von Anonymous, Mai 2009
Hallo,
hier möchte ich von meinem allerersten Auto berichten, dem Ur-Cinquecento. Bin jetzt allerdings etwas verwirrt, da Auto-Plenum das Baujahr 1972 vorgibt. Meiner war allerdings Baujahr 1969, zumindest laut deutschem Brief. Es handelte sich um ein Importfahrzeug aus Italien, das ich 1982 in recht ordentlichem Zustand gekauft habe, das heißt kein Rost und 65.000 km auf dem Tacho.
Er war "Rosso Pomodoro", also tomatenrot, eine gute Farbe für das Auto. Eins vorweg: Ich hatte ihn etwas über zwei Jahre, und es verband mich eine echte Hass-Liebe mit ihm.
Angefangen hat es damit, dass ich den Wagen im Hochsommer, im Juli gekauft habe.
Da gab es hinter den Vordersitzen auf dem Tunnel so einen kleinen Hebel, da stand "aperto" und "chiuso", also "offen" und "geschlossen".
Ich wußte von anderen Kleinstfahrzeugen, die in den 50er Jahren entwickelt worden waren, wie zum Beispiel BMW Isetta (eigentlich eine italienische Entwicklung) oder das ebenfalls wunderschöne Goggomobil der Hans Glas GmbH aus Dingolfing in Niederbayern, dass eben diese Fahrzeuge einen Benzinhahn hatten, wie ein Moped oder Motorrad. Also schlußfolgerte ich, dass es sich bei besagtem Hebel im Fiat 500 auch um einen Benzinhahn handeln müsse.
Gott sei Dank traf ich nach etwa zwei Wochen einen anderen Fiat 500-Fahrer, den ich über das Auto ausfragte und der mir lauthals lachend erklärte, dass es sich um den Hebel für die Heizung handelte.
Da war mir dann schlagartig klar, warum ich immer derart heiße Füße hatte...
(Die Heizung war trotz des luftgekühlten Motors und fehlendem Gebläse übrigens auch im Winter recht kräftig).
Aber zum Ausgleich dafür hatte ich stets einen kühlen Kopf, denn der Wagen hatte das geniale Textil-Faltdach (gab's so ähnlich z.B. auch bei älteren Käfern oder der Ente), das sich leicht öffnen ließ,
und die ebenso genialen Dreiecksfenster vorne (die damals eigentlich fast alle Autos hatten), mit deren Hilfe man die Frischluft förmlich "reinschaufeln" konnte.
Soweit zum Komfort.
Technische Ausstattung im Innenraum: Am Armaturenbrett Tacho, drei Leuchten (rot "olio" - Öldruck; gelb "benzina"-Kraftstoffreserve, grün-Warnblinkanlage), drei Kippschalter (Scheibenwischer an-aus, Warnblinker an-aus, Licht zweistufig), Lenkrad, Blinkerhebel.
E basta così - das war's. Dann noch einen Schalthebel mit offener Kulisse, einen Handbremshebel, rechts und links davon ein kleines Hebelchen für den Choke ("Leerlaufbeschleuniger") und den Anlasser(seilzugbedient). Zur Komfortausstattung zählten noch ein schöner Blechaschenbecher am Armaturenbrett (gut zu erreichen, denn wirklich weit weg war ja nichts in dem Auto) sowie zurückklappende Sitzlehnen; wenn man nach der Party nicht mehr fahren durfte oder konnte eine feine Sache.
Der Motor war ein luftgekühlter Zweizylinder-Viertakt-Reihenmotor längs stehend im Heck eingebaut, mit ganzen 17 oder 18 PS.
Höchstgeschwindigkeit (nach einiger Zeit auch tatsächlich zu erreichen) ca. 110 km/h. Unterm Gaspedal gab's nur zwei oder drei Zentimeter Spiel - man mußte den Motor sowieso immer Volllast fahren :-)
Viergang-Schaltgetriebe, teilsynchronisiert, d.h. man mußte beim Runterschalten auskuppeln, Zwischengas geben, einkuppeln, weiterfahren. Nach einiger Zeit hatte ich das perfekt drauf und es hat irre Spaß gemacht - man hat sich gefühlt wie ein richtiger Rennfahrer - und dann noch die offene Schaltkulisse - wie im Ferrari!
Das absolut Grandiose am Ur-Cinquecento war das Fahrverhalten.
Durch den superkurzen Radstand konnte man mit dem Wägelchen echte Haken schlagen - einfach das Lenkrad rumreißen und man konnte in voller Fahrt fast ohne Gaswegnahme einfach mit unverminderter Geschwindigkeit rechtwinklig abbiegen -kein Witz!
In dieser Hinsicht war der Fiat sogar dem Ur-Mini noch deutlich überlegen, der das auch schon recht gut konnte. Aufgrund dieser Eigenschaften waren diese Fahrzeuge auch in den 50er und 60er Jahren bei Bergrennen fast nicht zu schlagen (natürlich mit stärkeren Motoren, etwa vom berühmten österreichischen Fiat-Tuner Carlo Abarth). Aber selbst der 17 PS- Wagen war auf sehr kurvigen und engen Landstrassen oder in engen Innenstadtgässchen wie etwa in Wien nicht einmal von einem 911er Porsche einzuholen oder abzuhängen. Das ist keine Legende, sondern real.
Leider hatte das Faszinosum Cinquecento auch seine Schattenseiten.
Der Motor an sich war zwar recht robust, neigte aber speziell im Sommer bei längerer Volllastfahrt zum Überhitzen. Und da es ja keine Kühlmitteltemperatur-Anzeige gab, muste der eine oder andere unerfahrene Fiat-Pilot dann eben mit Kolbenfressern oder Kurbelwellenlagerschäden Bekanntschaft machen. Ist mir zum Glück nie passiert. Dann der Zündverteiler, der Anlasser und die Lichtmaschine des Herstellers Magneti Marelli - echtes Teufelszeug. Zur Reparatur der Lichtmaschine habe ich in Italien mal gesehen, wie die Mechaniker der Einfachheit halber gleich den ganzen Motor ausgebaut und auf den Tisch gestellt haben. Hätte ich das nur ein halbes Jahr vorher gewußt - ich hab mir fast die Hände beim Ausbau des Generators gebrochen. Dann die Achsschenkelbolzen - wollten alle 5.000 km geschmiert werden - hat man das vergessen oder ignoriert, sind sie eben einfach festgegangen. Die Lenkung liess sich dann nur noch mit äußerster Kraftanstrengung und ruckweise bewegen. Aufwändige Instandsetzung.
Die (Trommel) Bremsen waren auch kein Spaß- zogen ständig in alle Richtungen, nur nicht geradeaus, und die Radbremszylinder waren kurze Zeit nach Einbau eines Rep-Satzes schon wieder undicht. Jedesmal eine aufwendige Prozedur.
Die Kurbelfenster haben sich zwischendrin immer mal wieder einfach aus ihrer Führung ausgehängt und sind dann halt in die Tür reingefallen. Ging aber leicht zu reparieren, da die Pappe an den Türen ruck-zuck zu demontieren war.
Wintertauglich war er übrigens durchaus, einmal war wie schon gesagt die Heizung gar nicht so übel, zum anderen konnte man mit dem Handbremshebel tolle Drifts hinlegen und auch auf Schnee die berühmten Haken schlagen. Auch auf Feldwegen konnte man ganz ordentlich heizen. Die Federung war übrigens erstaunlich gut.
Der Verbrauch war gemessen an Fahrleistungen und Gewicht mit ca. 5,5 -6 l viel zu hoch, absolut gesehen aber natürlich bezahlbar.
In der Summe ein echtes Fahrspaß-Gerät, mit dem ich super Auto fahren gelernt habe.
Aber eben auch einiges zum Thema Basteln und Schrauben.
Hätte ich in diesen Jahren nicht auch noch eine unverwüstliche Zündapp-Combinette gehabt; ich wäre wohl öfter mit dem Bus gefahren.
Insgesamt habe ich dem Cinquecento nicht nachgetrauert, obwohl ich heute gerne an ihn denke.
Aber für Oldie-Liebhaber, die ihr Auto gut behandeln, ist er schon eine Überlegung wert.
Neben den getunten Rennversionen von Abarth gab es auch einen Abarth-Roadster, ab Werk einen kleinen Kombi (Giardiniera -die Gärtnerin) sowie diverse Sondermodelle, vom Strandbuggy bis zum superleichten Militärjeep (gut in den italienischen Bergen zum Kraxeln - wenn man mal im Sand oder Schlamm steckenbleibt, genügen zwei kräftige Kerle und heben das Wägelchen einfach aus dem Dreck).
Allerdings sollte er gut restauriert sein, und hohlraumkonserviert, denn die alten Fiats sind wirklich im Zeitraffer-Tempo gerostet.
Ciao