Das war mein erstes Auto! Gebraucht gekauft im Jahr 1986 (also schon in einem fortgeschrittenen Alter von 7 Jahren (BJ 1979) für damalige Zeiten)!
Silbergrau,40 PS stark mit dem Wahnsinnshubraum von 900 ccm. Ausstattungslinie L: Chromzierränder, Sicherheitsgurte, Kopfstützen vorne, Kilometerzähler, Tankuhr, Fensterkurbeln, umklappbare Rückbank (einteilig), ein von außen einstellbarer Außenspiegel, ein Radio für UKW und MW, ein Aschenbecher und technische Finessen wie ein Bremskraftverstärker und sogar eine voll synchronisierte 4-Gang Schaltung (Stop, die war ja serienmäßig in allen Modellen).
Ich schwebte vor Besitzerstolz ein Stück über dem Boden.
Nach ein paar Monaten kaufte ich mir noch ein richtiges Kassettenradio und ein paar Boxen für die Hutablage (mit 40 Watt, was schon besser klang als die 20W Lautsprecher von VW)
Für einen Fahranfänger zu damaligen Zeiten ein unglaublicher Schritt Richtung Unabhängigkeit! Genauso unglaublich... das Auto war trotz seines Alters noch nicht verrostet (Zink kannte man noch nicht in der Autoindustrie)!
Gut, zu Zeiten, in denen in Kaufverträgen noch ein "Gekauft wie gesehen" stand, das bedeutete " Wenn Ich Dir einen Unfallwagen unterschieben kann, ist das Dein Problem!" war das auch gleich mein erster Reinfall.
Ein Nachbar nannte mir die Adresse eines Hinterhofschraubers, der mir ein kleines technisches Problem an meinem Wagen beseitigen sollte und sich das Auto gleich mal genau anschaute.
Diagnose: Beifahrerseite mit Unfallschaden! Zurechtgespachtelter Innenkotflügel rund um den Federbeindom. Seite leicht gestaucht, Tür läßt durch einen Spalt deswegen Fahrtwind in den Innenraum. Spur entsprechend angepaßt, damit der Wagen weiter geradeaus lief.
Wie der noch kurz vor dem Kauf seinen Tüv bestehen konnte?
Ich war das Opfer der Rechtsumstände geworden, ein Unfallwagen war mein Eigentum.
Aber das hielt mich nicht davon ab, den Wagen zu fahren, denn das tat er ja, sogar zickenfrei und spursicher.
Und das Risiko, mit so etwas unterwegs zu sein, war uns doch allen damals keinen Gedanken wert. (Es gab den 7.Sinn im Fernsehen, heute würde man das als Comedyshow bezeichnen, damals war das Verkehrserziehung. Und noch crashte niemand Autos, um ihre Sicherheit zu bewerten.
Ich lernte in den nächsten Monaten viel darüber, wie man genauso weiterfuschen konnte, damit der Wagen weiterhin lief.
Nach einem heftigen Frost rissen in beiden Türgriffen die Türöffner ab, also verlegte ich ein paar dünne Seile von den Innengriffen nach hinten zum Kofferraum, um die Türen öffnen zu können, bis ich Geld für ein paar gebrauchte Griffe vom Schrottplatz hatte.
Der Griff am Motorhaubenzug riß ebenfalls bald ab.
Und an den Chromleisten an den Fenstern löste sich ab, was sich ablösen konnte.
Der Wagen zeigte sich dann bald von seiner wahren Seite. Die sehr gut überlackierten Roststellen an der Karosserie unter der Frontstoßstange brachen bald auf und lösten das Silber durch ein Braun ab, das schnell um sich griff.
Beim Waschen erfühlte ich die dicken Rostlöcher der Türunterkanten.
Meine Freundin stellte bald fest, dass ihr rechtes Bein beim Fahren auf der Autobahn kalt und bei Regen sogar nass wurde.
Bei Minusgraden froren die Türschlösser zuverlässig zu.
Der Rost schuf Gemeinsamkeiten, denn ich traf mich ein paar Mal mit einem Freund zum gemeinsamen Abschleifen, Spachteln und Handlackieren unserer Rostlauben (Er fuhr einen blau/rostbraunen Käfer mit Halbautomatik).
Aber ich war mobil. Das Fahrwerk kam mit meinen Fahrkünsten in Kombination mit der PS-Leistung gut klar. Der Motor sprang immer an und begnügte sich mit geschätzten 7 ltr/100 km.
Geschätzt... richtig! Der Kilometerzähler stellte auch nach kurzer Zeit seinen Dienst ein und verharrte für den Rest der Zeit bei etwa 70000 km.
Und ich schaute im Wagen meiner Freundin auf dem KM-Zähler nach, wie lang unsere üblichen Strecken waren, um eine Basis für meine Schätzungen zu haben.
Ich lernte den Vorteil eines Schräghecks kennen. In das Heck des Wagens paßte ein Kühlschrank damaliger Standardgröße (also etwa 1 m hoch). Beim Transport zur Wohnung meiner Freundin rannte mein Silberfisch mit maximalem Tempo (laut Schein 132 km/h) über die Bahn und hob regelmäßig kurz mit der Vorderachse ab, setzte auf, zog wieder, hob ab, weil das Gewicht im Kofferraum zu einer ungünstigen Achslastverteilung führte. Meine 40 Pferde sprangen gefühlt wie im Galopp über die Bahn.
Binnen etwas mehr als einem halben Jahr schaffte ich (geschätzte) 10000 km. Dann passierte es an einer Ampel. Beim Anfahren ging der Motor aus und verharrte in Ruhe.
Mein Schrauber schleppte den Wagen ab und untersuchte ihn.
Neue Diagnose: Zahnriemendefekt. Leider kam er nicht auf die Idee, den Zylinderkopf abzunehmen und mal im Motor nachzuschauen, ob denn Ventile und Zylinder einen Begegnung hatten. Dem sanften Entschlafen des Motors nach (so sehe ich es heute) ist da vermutlich nichts großes passiert.
"Du brauchst einen neuen Motor" (und Geld!).
Beim Schrotthändler gab es einen Motor aus einem älteren Baujahr für 600 DM, mit einem Jahr Garantie!!!, allerdings ohne Bremskraftverstärker. Also bohrte der Schrauber ein Loch in den Block und montierte die Bremshilfe aus meinem alten Motor.
Vielleicht hätte er doch danach das Öl ein paar Mal wechseln sollen. Dann wären die Bohrspäne wohl nicht im Block geblieben, um sich auf den Weg Richtung Kurbelwelle zu machen.
Als ich im Luftfilter Öl fand, dachte ich mir noch nichts und wischte es weg.
Als ich nach einer halben Stunde Autobahnfahrt am Ziel an einer Ampel neben einem Diesel hielt, der nervig laut war, sogar als er längst weggefahren war, und ich immer noch an meiner roten Ampel auf der Abbiegespur wartete, schwante mir Böses aufgrund des merkwürdigen lauten klackernden Geräuschs.
Am nächsten Tag zog mich ein Bekannter an einer Schleppstange zurück nach Hause, eine Höllenfahrt über die Landstrasse, die mir unvergeßlich bleibt. Der Bekannte hätte vielleicht in meinem Auto sitzen sollen, um zu merken, wie sich das anfühlt, wenn man mit einem Meter Abstand zum Zugfahrzeug mit mindestens 70 km/h über die kurvenreiche Strasse gezogen wird, in der Abenddämmerung, nur mit zwei nervig blendend roten Rücklichtern knapp vor der eigenen Motorhaube.
Kurz vor dem Ziel nahm uns jemand die Vorfahrt, der nicht genau hinschaute und nur einen Blinker an unserem Zugfahrzeug wahrnahm. Also knallte ich mit fast vierzig km/h chancenlos meinem Vordermann ins Heck, der eine Notbremsung machen mußte.
Diagnose: Totalschaden an meinem Polo, aber alle Beteiligten unverletzt! Das Zugfahrzeug, ein Opel Rekord, hatte nur eine leicht eingedrückte Stoßstange!
(Resumé: Angurten ist akut wichtig! Große Autos sind stabiler als kleine!)
Reparatur zwecklos! Der Gutachter schaute sich die Reste meines Wagens kopfschüttelnd an und senkte den Daumen.
Statt meinem Wagen hatte ich nun eine kleine vierstellige DM-Summe in der Hand und übergab den Wagen dem Schrotthändler.
Mein erstes Auto hinterließ bei mir somit nicht nur ein paar Erinnerungen an die aufregende Zeit mit dem ersten Auto und die damit verbundene Unabhängigkeit. Ich lernte auch noch viel über Fahrzeugtechnik, Schadensdiagnose, Reparieren, Verkehrsrecht, Schadens- und Vertragsrecht. Und ich lernte auch Autofahren, weit über das hinaus, was man aus der Fahrschule mitnimmt.
Und ich lernte, wieviel Geld Autofahren kostet, mit einem schmalen Studentenbudget auch eine gute Lernlektion.
Hinter all dem Ärger und der Aufregung blieb aber der Spaß am Fahren nicht zurück. Immerhin konnte das Auto nichts für dafür, wie man mit ihm umgegangen war (inkl. Vorbesitzer).
Ich brauchte 9 Monate, bis ich wieder genug Geld zusammen hatte, um im zweiten Anlauf alles richtig zu machen.