30. November 2014
Haar, 1. Dezember 2014 - Es sind harte Zeiten für den großvolumigen Saugmotor. Auch im hochpreisigen Sportwagen-Segment geht nichts mehr ohne NEFZ-Zyklus und fadenscheinige Normverbräuche, die sich mit kleineren Hubräumen und Aufladung nun mal wesentlich besser trimmen lassen. BMW hat es beim neuen M3/M4 vorgemacht, Mercedes-AMG köpft seinen herrlichen 6,2-Liter-Sauger zugunsten eines 4,0-Liter-Biturbos und auch Porsche macht Schritt für Schritt Tabula rasa mit seinen frei atmenden, hochdrehenden Aggregaten. Sogar in der Ikone 911 gibt es ab kommendem Jahr mit Ausnahme von GTS und GT3 keine Sauger mehr. Die herrlichen 3,4- und 3,8-Liter-Boxer in Carrera und Carrera S werden durch kleinere Turbo-Maschinen ersetzt. Und was bitte hat das mit dem Cayenne S Facelift zu tun? Nun, auch hier wird jetzt zwangsbeatmet. Aus 4,8-Liter-V8 mach 3,6-Liter-V6-Biturbo. Alles im Sinne der Umwelt natürlich und besser gehen soll er auch noch. Wesentlich.
Motor aus dem Macan Turbo Dafür verantwortlich macht Porsche den Motor aus dem kleineren Macan Turbo. Im Cayenne S leistet die Eigenentwicklung allerdings nochmal 20 PS mehr. Mit 420 PS und 550 Newtonmeter übertrifft der Biturbo den alten V8 um Längen. Dazu knallt er das Sport-SUV vier Zehntel schneller auf 100 km/h (5,5 statt 5,9 Sekunden) und soll im Schnitt 0,9 Liter weniger verbrauchen. Ob es bei einem 2,2-Tonnen-Laster erwähnenswert ist, dass die Achtgang-Tiptronic nun in Verbindung mit dem optionalen Sport-Chrono-Paket über eine Launch-Control verfügt, weiß ich nicht. Erwähnt habe ich es jetzt aber. Und eine Zehntel-Sekunde von null auf 100 km/h bringt es auch noch. Also ist alles gut.
Mehr Schub, mehr BeliebigkeitDas Aggregat selbst teilt das Schicksal der meisten bockstarken Turbomotoren neuerer Prägung. Es macht das an ihm hängende Gefährt völlig mühelos unglaublich schnell und zwar relativ unabhängig von der Drehzahl. Das alles passiert sehr elegant, gleichmäßig und auch im letzten Viertel des Drehzahlmessers noch erfreulich motiviert. Bleibenden Eindruck, in Form von strammstehenden Härchen auf dem Unterarm oder dem Wunsch, aus dem Motor unverzüglich einen legendären Wohnzimmertisch zu bauen, hinterlässt die neue Antriebsquelle des Cayenne S aber nicht. Das könnte auch am etwas enttäuschenden Soundtrack liegen. Perfektion schlägt Emotion. Eine Feststellung, die sich bei der Achtgang-Box verbietet. Nein, keine Sorge, sie schaltet perfekt. Perfekter denn je höchstwahrscheinlich. Aber unter Volllast haut sie die nächste Stufe rein wie ein beleidigter Lamborghini Aventador. Da rappelts im Gebälk. Mir gefällt das, schließlich ist das hier das sportlichste SUV auf dem Markt. Das darf man hin und wieder auch mal spüren.
Fahrwerks-Spagat gelingt Und wo wir gerade dabei sind: Cayenne Facelift heißt auch Anpassung des Fahrwerks. Eine größere Spreizung der Fähigkeiten war das Ziel - also bitte komfortabler und dynamischer, wenn möglich. Um die hehren Ziele zu erreichen, wurde die grundsätzliche Fahrwerksabstimmung überdacht und ein wenig entstrafft. Gleichzeitig verbesserte man die Aufhängungspunkte und installierte für eine schärfere Radführung neue Lager an den Querlenkern sowie dem Hinterachsradträger. Klingt nach Kleinkram. Aber ist es Kleinkram der funktioniert? Fährt der Cayenne noch besser? Mal ehrlich, können Sie sich eine große Menge fleißiger, umtriebiger und vor allem schwäbischer Ingenieure vorstellen, die scheitert? Eben! Der Cayenne - in diesem Falle mit dem aufpreispflichtigen Luftfahrwerk - federt nun spürbar flauschiger, geht aber trotzdem mit kaum vorstellbarem Verve um die Ecke. Dabei spielt es nur bedingt eine Rolle, ob man sich nun im Normal- oder im Sport-Plus-Modus befindet. Die Unterschiede sind meiner Meinung nach nicht wirklich groß, lediglich das Getriebe macht in Sport-Plus etwas zu sehr auf Rennstrecke. Wer weiß, wie "dynamisch" ein Mercedes ML ist, kann kaum glauben, dass das hier die gleiche Fahrzeugklasse sein soll. Der Cayenne S ist wirklich beeindruckend handlich und er driftet sogar, wenn man das will. Leichte Innenraum-Politur Der Mehrheit der Cayenne-Kundschaft dürfte das lebendige Heck ihres SUVs jedoch reichlich egal sein. Viel mehr soll man sich gescheit wohlfühlen können in der großen weiten Kanzel. Aus diesem Grund hat Porsche dem Cayenne ein neues Sportlenkrad geschenkt, das so ähnlich auch in Zuffenhausens Hybrid-Mega-Sportler zu finden ist. Wüsste man es nicht besser, man könnte fast denken, man säße in einem Porsche 918, der auf einer Hebebühne steht. Ein bisschen Schliff an Material und Verarbeitung gab es auch noch und wären da nicht nach wie vor 375 Knöpfe auf der Mittelkonsole, das Cayenne-Cockpit wäre ein Muster an sportlich-technokratischer Hochwertigkeit. Wenn es auch in einem Range Rover Sport noch ein Eck verschwenderischer zugeht. Wenig zu meckern gibt es seit Cayenne-Generation Zwei ja beim Fond- oder Kofferraum. Hier hat sich mit dem Facelift völlig überraschend nichts geändert. Praktisch ist allerdings, dass sich - so man denn auch brav das Luftfahrwerk bestellt hat - die Ladekante nun per Knopfdruck um 5,2 Zentimeter senken lässt. Fazit Das alles hört sich ganz vortrefflich an und macht den gelifteten Cayenne auch zu einem tierisch starken Automobil. Aber müssen Sie deswegen sofort alles stehen und liegen lassen und unverzüglich zum Porsche-Händler sprinten? Wenn Sie auf eine schickere Optik mit leicht geschliffener Front und weniger gewaltigen Rückleuchten stehen, dann ja. Eine sanftere und noch zügigere Reise kann ich Ihnen ebenfalls versprechen. Das mit den 9,5 Liter Verbrauch könnte aber schwierig werden. Sonderlich wild wurde der große Sportler während unseres zweiwöchigen Tests eigentlich nie bewegt, gut 13,5 Liter im Schnitt kamen am Ende aber dennoch zustande. Damit ist man in der Realität immerhin besser dran, als mit dem alten V8. Und ganz ehrlich: Irgendwo müssen die 420 PS und 2,2 Tonnen ja auflaufen. Preislich hat sich im Vergleich zum Vorgänger übrigens fast gar nichts verändert. Der Cayenne S verteuert sich um die Unsumme von 70 Euro und kostet nun mindestens 80.183 Euro. Unser bis in die Haarspitzen mit Extras gedopter Testwagen kommt auf 114.359 Euro. Zum Vergleich: Der 450 PS starke BMW X6 50i ist ab 82.500 Euro zu haben.
Fazit
Mit dem neuen Biturbo-V6 wird der Porsche Cayenne S schneller und ein wenig sparsamer, verliert aber auch ein Stück weit an Charakter. Die Fahrwerksmodifikationen machen das Sport-SUV spürbar komfortabler, ohne an seiner nach wie vor verblüffenden Fahrdynamik zu rütteln. Wer auch nur ein Fünkchen für Fahrspaß übrig hat, kommt in dieser Klasse am Cayenne nicht vorbei. Schwächen gibt es, auch dank des verbesserten Interieurs, so gut wie keine. Das Infotainment ist bei anderen Herstellern wie BMW allerdings besser umgesetzt. + durchzugsstarker Motor, grandiose Fahrdynamik, besserer Federungskomfort, gutes Platzangebot - Motor weniger emotional, Normverbrauch in weiter Ferne, Infotainment etwas veraltet