Test Fiat 500C 1.2 – Landaulet minus zwei Meter
Testbericht
Was macht ihn aus, den Fahrspaß? Das 911 Turbo Cabrio rauscht vorbei. Sieben Mal so stark (480 PS) , zehn Mal so teuer (154.000 Euro). Aber Neid? Bleibt nicht zurück. Im Gegenteil: Flotte 135.000 Euro gespart, denn ein 500C kostet soviel wie im Porsche die Keramikbremse plus einige Extras. Und: Die Sträßchen rund um den Comer See sind so schmal, dass man sich spätestens an der nächsten Hausecke eh wieder trifft. Und wenn nicht, auch egal, der Fahrspaß wird im Fiat genau vom gleichen Wind genährt – zumindest theoretisch.
Denn alle sind gleich, aber manche eben gleicher. Lüften Vollcabrios wie der Mini ihre Besatzung mit der vollen Dosis, gibt es hier nur den von den Säulen zersägten Restanteil Wind. Restwind wäre zu böse gesagt, aber das Ergebnis ist zumeist eher eine Brise als stürmisch. Warum, liegt an der Rolle und an den Säulen. Wie im Ur-500 von 1957 rollt sich obenherum ein Stoff-Faltdach, und die B- und C-Säulen bilden eine steife Flanke. Die beim Überschlag fraglos mehr Sicherheit bietet, aber auch dem Cabriofeeling zusetzt. In seiner Tradition ist der 500C damit zwar ein korrekter Typ, aber tatsächlich eher viersitziges Landaulet als echtes Cabrio – oder sagen wir mal: Landaulet minus 2 Meter.
3,55 lang, 1,65 breit, 1,49 hoch, Kopfraum mindestens 10.000 Meter. Die Heckscheibe besteht aus Glas und ist beheizbar. Der flott offene Stoffdeckel (erhältlich in Rot, Schwarz oder schmutzempfindlicherem Elfenbein) arbeitet serienmäßig elektrisch. Scheibe weg, Übersicht weg: Wird das Stoffrollo komplett ausgerollt, sieht man im Rückspiegel Stoff und Autodächer. Wird nur oben geöffnet (praktisch im Winter: auch bis auf Schiebedachbreite), erblickt man kompletten Verkehr hinter dem Auto, weil die Heckscheibe stehen bleibt.
Öffnen und Schließen geht bis 60 km/h. Die dritte Bremsleuchte bleibt auch bei geöffnetem Dach sichtbar. Die putzige Heckklappe wird bei voll geöffnetem Dach klug von der Elektronik überwacht. Nach dem Drücken des Griffs surrt das Verdeck automatisch ein wenig nach oben und gibt das Kofferabteil frei. Wobei der Begriff „Koffer“ hier schon ziemlich ambitioniert ist. Auch von den beiden Sitzplätzen im Fond sollte man sich nicht allzuviel erwarten. Nicht vom Platz her, nicht von den Frischluftfreuden: Wenn das Stoffbündel ganz hinten aufliegt, kriegen die armen Mitfahrer hier die Luft nicht mehr zum Atmen, sondern regelrecht zum Saufen. Wohl bekomm´s auch der Frisur.
Die Sitzposition ist wie im Hartdach-500 zu hoch. Trotzdem sitzen Sesselriesen auf den Vordersitzen auch auf Langstrecke bequem (allerdings sind die Kopfstützen ziemlich hart). Zudem besser als im 500 mit Glasdach, wo der Dachhimmel schon mal touchiert wird. Die Schaltposition des leicht hakeligen Fünfganggetriebes passt perfekt. Das Spiel um die Ablesbarkeit des hübschen Zeigerineinandergewirrs von Tacho und Drehzahlmesser verlieren Sitzriesen über 1,90 Meter trotz der er serienmäßigen Längs- und Höhenverstellung gelegentlich. Ansonsten erklärt sich die Bedienung von selbst. Die retroperspektiven Cockpitlandschaften mit in Wagenfarbe lackierten Planken stechen den Panda aus. Nicht funktional, aber optisch. So raumpfiffig, wie das günstigere und mit der Kastenform und der verschiebbaren Rücksitzbank praktischere Schwestermodell, tritt der Cinquecento jedoch nicht an. Der 500C ist zwar ein viersitziges Cabriolet, aber der kurze Radstand von 2,30 Meter macht im hinteren Fußraum nicht allzuviel her.
Der 500 füllt Parklücken, die mit anderen leer bleiben. Mit engen Parkplätzen macht er kurzen Prozess – Rangierwertung: Platz zwei hinter dem Smart Cabrio (Fahrbericht Smart Fortwo Cabrio, Test Smart Fortwo Cabrio Brabus). Dem etwas sperrigen Schwabenknödel hat er allerdings die Leichtigkeit des Seins im Handling voraus. Der 500C schluckt die Kurven wie ein hungriger Italiener die Tortellini. Das Einlenken geschieht fast so direkt wie im Abarth. Ziemlich lange bleibt der kurze C neutral. Und was vorne in die Kurve ziemlich schnell und pflegeleicht hinein geht, kommt hinten auch wieder flott und problemlos heraus. Mancher stärker motorisierte bleibt hinten an. Ein Statement für das gut abgestimmte Fahrwerk des 500C.
Und die 69 PS? Für nur 1,2 Liter Hubraum agiert der Motor recht harmonisch, ist nicht aufdringlich laut, und ab einem gewissen Drehzahlmaß elastisch genug. Durchzug und Beschleunigung sind zwar nicht so dolle, die Fahrleistungen gehen aber in Ordnung, weil Tempo gerade Openair etwas relatives ist: 300 km/h offen, und die Glatze wird zur Traumfrisur. Also sitzt man objektiv schon im 500C prächtig. Ganz sicher ein windfestes Plädoyer für die kleinsten und schwachen Cabrios dieser Welt.
Und wenn man den Kleinen doch schimpfen möchte? Komfort kann er, der vom Belag streng getaktet wird, nicht wirklich. Alles, was nötig ist (und etwas mehr) ist zwar schon im Einstiegsmodell mit an Bord und die Sicherheitsausstattung ist gut (sieben Airbags), aber ESP kostet unverständliche 350 Euro extra. Kleine Makel bleiben beim Dach. Bei Teilöffnung wummert es, je nach Lufteinfall ab ca. 80 km/h, tieffrequent am Ohr. Und richtig offen ist der 500C, auch wenn die Italiener „vom maximalen Frischluftvergnügen zu jeder Jahreszeit“ vorschwärmen, nie. „Zu jeder Jahreszeit“ stimmt zwar, das mit dem „maximal“ ist aber ein wenig geflunkert. Das mit dem „Vergnügen“ allerdings nicht. (le)
Quelle: automobilmagazin, 2010-10-14
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