Rolls-Royce Dawn - Quartett-Spielerei
Designer von Cabriolets und Coupés haben es bekanntlich etwas leichter als andere. Die eleganten Formen dieser Fahrzeugklassen sprechen das Auge besonders einfach an. Seichte Designlinien sind oftmals gepaart mit einer kraftvollen Karosserie und einer entsprechend souveränen Motorisierung. Dass alles bietet völlig selbstverständlich auch der Rolls-Royce Dawn. Und doch schafft es der 5,29 Meter lange Brite mehr als andere Modelle zwei höchst unterschiedliche Fahrzeuge in einem zu sein. Er spart sich die das polarisierende Fastback-Gedankengut, das die hintere Hälfte des Coupébruders Wraith einzigartig, aber eben nicht nach jedermanns Geschmack werden ließ. Wollte man es wenig charmant ausdrücken, ist der Rolls-Royce Dawn mit geschlossenem Dach das schönste Coupé, das die Briten je auf Reifen gestellt haben. 22 Sekunden später, nachdem sich die 4,7 Quadratmeter schwere Stoffmütze erst in den Himmel erhoben und dann im Hinterwagen versenkt hat, ist das mindestens 329.630 Euro teure Luxusgefährt ein völlig anderes Auto. Ein Cabriolet, das gerade in dunklen Farbtönen schöner nicht sein könnte und die winzige Konkurrenz aus Mercedes S-Klasse Cabriolet und Bentley Continental GTC nicht nur visuell vor scheinbar unlösbare Aufgaben stellt.
Das Fahren im Dawn ist reine Nebensache. Der Fahrer kümmert sich ebenso wenig wie die anderen drei Insassen um Tempi, Beschleunigungen und die allgegenwärtige Reisezeit. Jeder Kilometer für sich wird so stilvoll inszeniert wie man es von einer automobilen Sonnenterasse dieser Königsklasse erwarten darf. Die Luftfederung lässt den 2.560 Kilogramm schweren Koloss über alle nur erdenklichen Unwägbarkeiten der Fahrbahnoberfläche hinwegsegeln. Das gewohnt einen Hauch zu dünne und nach wie vor unbeheizte Lederlenkrad frei von tastbaren Nähten lässt einen zusammen mit den perfekten Ledersitzen nach wenigen Sekunden spüren, in einem Rolls-Royce zu sitzen. Sicher eine der sportlichsten Ausgestaltungen des historischen Gedankenguts der Herren Rolls und Royce; doch alles andere als eine Fahrmaschine. Zwar ist der Dawn keine gleitende Luxuswolke wie das aktuell auslaufende Drophead Coupé der in die Jahre gekommenen Phantom-Baureihe, doch auch der britische Sonnenaufgang (engl. "Dawn") ist schon aufgrund von Masse, Fahrzeugdimensionen und Luftfederfahrwerk keiner, der sich fahrdynamisch durch enge Kehren pressen will.
Der Rolls-Royce Dawn ist ein Reisecoupé allererste Güte und bei diesem Coupé lässt sich ganz nebenbei auch noch das Dach öffnen. "Ein Klappdach kam für uns natürlich nicht in Frage", unterstreicht Produktmanager Jonathan Shears, "dieses Dach bewegt sich genauso majestätisch und geräuschlos, wie man es von einem Rolls-Royce erwartet. Das Geräuschniveau ist Dank der French-Seam-Nähte identisch mit dem des Wraith." Das geringe Geräuschniveau ist insbesondere bei geschlossenem Dach eine Schau. Fahrtwinde ziehen weitgehend unabhängig von der Geschwindigkeit Dank vielfach gefüttertem Dach und Doppelglas rundum an den Insassen vorbei. Bei geöffnetem Dach wird es hinten schnell stürmisch. Doch die Reisenden genießen die üppigen Platzverhältnisse und den Reisekomfort eben nicht nur vorne, sondern auch auf den beiden Einzelsitzen im Fond, wo separate Klimatisierungen und eine Sitzheizung den Aufenthaltswert steigern. Was fehlt, sind ebenso wie vorne wohlig beheizte Paneele in den Türen oder den Mittelarmlehnen, die man bei anderen Modellen - auch aus dem BMW-Konzern - längst finden kann.
Dafür haben die Fondbesetzer auf dem belederten Luxusgestühl einen perfekten Blick auf die "Flying Lady", wie die ausfahrbare Kühlerfigur Spirit of Ectasy im hausinternen Sprachgebrauch des Rolls-Royce-Werkes in Goodwood bevorzugt heißt. "Dafür haben wie die Figur extra ein Inch höher gesetzt", erklärt Chefdesigner Giles Taylor, "so ist sie nun auch aus dem Fond perfekt zu sehen." Erscheint alles andere als erwähnenswert bevor man einmal im Fond Platz genommen hat und zwischen den beiden Lederstühlen am betagten Cockpit vorbei über die konturierte Endlos-Motorhaube auf das glitzernde Flügelwerk des Flying Lady blickt. Illusionen gehören in dieser Liga mehr als irgendwo sonst dazu. Schließlich gibt es auch andere Luxuscabriolets, die einem jedoch nicht derart hintergründig die Sinne rauben wie der Dawn. Dass das Windschott nur die vorderen Insassen schützt und dann wenig standesgemäß auch noch manuell installiert und bedient werden muss, führt es im Alltag wohl eher ad absurdum. Schließlich will man sich damit auch nicht den 260 bis 321 Liter großen Laderaum verbauen.
Wer denkt, dass er in dem über 2,5 Tonnen schweren Luxusgefährt allein lässig cruisen kann, sieht sich dann schneller als schnell eines Besseren belehrt. Kaum merklich beschleunigt der 6,6 Liter große Zwölfzylinder-Turbo den Briten zu jeder nur erdenklichen Geschwindigkeit. Das stattliche Drehmoment von 780 Nm steht weitgehend geräuschlos ab niedrigen 1.500 U/min zur freien Verfügung - 420 kW / 571 PS sei Dank. Dass bei 250 km/h Schluss ist, obschon der Rolls-Royce Dawn Richtung 300er-Marke laufen könnte, stört am Steuer der Cabrioversion weniger als im sportlicher positionierten Wraith. Und nach eben ihm ist der Dawn ist der rechte Schritt in die rechte Richtung, denn mehr als die meisten anderen Luxusmarken sollte sich Rolls-Royce zeitgemäßer als bisher für die nächsten Jahre aufstellen, wo die Kundschaft mit dem alten Geld eine zunehmend kleinere Rolle spielen wird. Für die gibt es ab 2018 das neue Luxusflaggschiff Phantom und ab 2019 blicken alle dem ersten SUV mit einer Flying Lady ins Antlitz - und leicht erhöht sicher auch von hinten auf die Flügel.
Antrieb: | Hinterradantrieb |
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Getriebe: | Achtgang-Automatik |
Motor Bauart: | V12 mit Doppelturbo |
Hubraum: | 5960 |
Leistung: | 420 kW (571 PS) bei UPM |
Drehmoment: | 780 Nm bei 1.500 U/min UPM |
Quelle: Autoplenum, 2016-03-14
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