Praxistest: Opel Tigra TwinTop 1.4 - Offene Beziehung
An den Namen Tigra erinnert man sich bei Opel eigentlich gar nicht so gerne: Der als Rüsselsheimer Kugelblitz gedachte Kompakt-Sportwagen erwies sich als Knallfrosch - die Produktion wurde 2000 eingestellt. Dabei war er vor allem deshalb gebaut worden, weil die entsprechende Studie seinerzeit auf allen Automessen begeistert gefeiert worden war. Nur die Umsetzung des Entwurfs in die Praxis haben die Opelaner dann nicht geschafft - zu viel biedere Hausmannskost im Detail bremste die Emotionen, die von der Studie noch in Wallung gebracht worden waren. Kurz: Idee gut - Umsetzung eine Pleite.
Aber gute Ideen reifen mit der Zeit - und so dachte man sich bei Opel: Geben wir dem Tigra noch eine zweite Chance. Und das ist gut so. Denn als schnuckeliges Cabrio-Coupé mit Alltagsnutzen liegt der Tigra Twin Top nun voll auf der Linie, die einst von der Studie so überzeugend vorgezeichnet worden war. Mit einem Mal übersieht man auch gnädig die kleinen Sünden, die man dem "alten" Tigra nie verziehen hat. Zum Beispiel, dass die Instrumentierung links und rechts des Lenkrades aus dem Opel-Einstiegsmodell Corsa stammt. Was soll's: Ein Auto ohne Fehler ist ein Auto ohne Charakter.
Und Charakter hat der 3,92 Meter kurze Twin Top. Der Grill mit dem dominanten Opel-Blitz, die ausgeprägte Keilform, die von der opel-typischen Bügelfalte noch unterstrichen wird, die matten Chromflächen und formprägenden Klarglasleuchten vorne, die üppigen Lufteinlässe in der Frontschürze - da schaut man doch gerne hin. Zumal die Ingenieure bei Opel so manches optische Problem elegant gelöst haben, mit dem sich die Konkurrenz noch herumschlägt: Die spezielle Faltmechanik des Daches sorgt beim Twin Top dafür, dass er ohne das anderswo konstruktionsbedingte Pummelheck auskommt.
Geschlossen ist der Tigra Twin Top nicht nur wohlproportioniert sondern auch ganzjahrestauglich. Ein formschönes Coupé, das schlüpfrig im Wind liegt, gut nach außen isoliert ist - und über einen für diese Klasse rekordverdächtigen Kofferraum verfügt: 440 Liter Volumen bieten Platz genug für gleich ein paar Getränkekisten samt Wocheneinkauf oder für das Gepäck auch eines längeren Urlaubs. Die Ladekante ist zwar etwas hoch, was Muskelarbeit beim Beladen nötig macht. Aber dafür ist die Kofferraumöffnung so groß und ausladend, dass man alles ohne zu viel Maßarbeit hineinhieven kann. Etwas lästig ist, dass sich die Kofferraumklappe nur elektromotorisch öffnen und schließen läßt. Ab und an ist Handarbeit einfach schneller. Ärgerlich auch, dass man nur bei geschlossenem Verdeck und leerem Laderaum an das Reserverad kommt. Immerhin: Selbst mit offenem Dach bietet der Laderaum unter dem Klappdach auch noch 250 Liter - auch das ist mehr als ordentlich. Dazu kommt ein 70 Liter großes praktisches Staufach hinter den Sitzen.
Vom geschlossenen in den offenen Zustand läßt sich der Twin Top elektrohydraulisch auf Knopfdruck binnen 18 Sekunden versetzen. Das ist ampeltauglich - wenn man sich nicht verheddert. Denn um das Dach unter der Kofferraumhaube verschwinden zu lassen, muss man sich streng an ein vorgeschriebenes Ritual halten. Wer dabei was falsch macht, wird mit protestierendem Pfeifen bestraft. Aber: Alles ist lernbar, auch das. Und wer die Handlungsfolge verinnerlicht hat, wird mit einem gepflegten Open-Air-Feeling belohnt. Die Verwirbelungen halten sich ebenso in Grenzen wie die Lärmentwicklung, solange man sich in humanen Geschwindigkeiten bewegt. Aber wer will mit dem Tigra schon offen über die Autobahn brettern. Der ist eher war für kurvige Landstraßen und städtische Boulevards.
Allerdings: Über 1,85 sollte man als Twin Top-Fan nicht sein. Dann ragt der Haaransatz doch schon bedenklich weit über den Dachholm in den Wind. Große haben es im Tigra ohnehin schwer: Die Sitze lassen sich nie so weit nach unten stellen, dass nicht irgend etwas dem Kopf bedrohlich nahe käme - Dachhimmel oder Dachholm sind immer irgendwie im Wege. Alle anderen werden sich im Innenraum des Tigra schnell heimisch fühlen. Die Sportsitze passen wie angegossen und bieten guten Seitenhalt, die Instrumente sind übersichtlich und gut erreichbar angeordnet, das Lenkrad höhenverstellbar. Nur anfangs verwechselt man noch die gleichförmigen Schalter für Fensterheber und Verdeck.
Ein markantes Schmuckstück ist der große, wellenförmig geschwungene Überrollbügel aus stabilem, mattem Alu. Die Verarbeitung ist ordentlich, die Geräuschkulisse auch: Laut wird der Tigra eigentlich nie - beim Bremsen kann man gelegentlich sogar das Benzin im Tank schwappen hören. Offen ist die Rundumsicht bestens, nur der Dachholmen verdeckt immer wieder mal die Sicht - zum Beispiel auf Ampeln. Die Handschaltung ist ein wenig hakelig aber präzise, die Bremsen fein dosierbar. Die direkte Lenkung vermittelt einen präzisen Kontakt zur Fahrbahn. Der 1,4-Liter-Motor markiert beim Tigra Twin Top den Einstieg in die Frischluftklasse. Und wenn man nicht regelmäßig lange Autobahn-Strecken fährt sondern mehr in Stadt und Land unterwegs ist, reichen seine 66 kW/90 PS völlig aus. 180 km/h Spitze und 12,4 sec. von 0 auf 100 km/h sind nicht spektakulär, aber akzeptabel. Offen interessieren einen solche Zahlen ohnehin kaum noch. Wer schneller unterwegs sein will, kann sich ja den 1,8-Liter-Benziner unter die Haube packen lassen. Der schafft dann 204 km/h Spitze und 9,4 sec. für den Sprint. Uns hat der stärkere Motor nur auf der Autobahn gefehlt. Und am allerwenigsten an der Tankstelle: Der kleine Motor kommt laut Werksangabe mit 6,1 Litern Super auf 100 km aus. Unser Testverbrauch lag nach insgesamt 2070 Kilometern knapp über acht Litern.
Das Fahrwerk sorgt zusammen mit dem präzise arbeitenden ESP dafür, dass man über den Tigra nie die Kontrolle verliert. Auf schlechter Fahrbahn verwindet sich die Karosserie etwas, wenn das Dach geöffnet ist. Die Federung ist geschmeidig und schluckt auch größere Unebenheiten rückenschonend. In Kurven untersteuert der Tigra leicht - auch das regelt die Elektronik schnell und sicher. Mit einem Grundpreis von 16.895 Euro bietet der Tigra Twin Top 1.4 Enjoy einen vergleichsweise preiswerten Einstieg in die Klapp-Top-Klasse und liegt knapp unter dem - allerdings 19 PS stärker motorisierten - Peugeot 206 CC. Die Aufpreisliste ist für Opel-Verhältnisse moderat ausgefallen. Darin unter anderem enthalten: Windschott (220 Euro), Lederausstattung (1145 Euro), Automatikgetriebe (650 Euro), Armlehne (123 Euro) - und Reserverad (50 Euro).
Quelle: Autoplenum, 2008-12-01
auto-news, 2006-03-10
Macht der Sinn? Opel Tigra TwinTop mit Spardiesel 1.3 CDT...auto-news, 2004-08-11
Opel Tigra TwinTop 1.8: Frischluft-Spaß für zweiAutoplenum, 2020-05-14
Test: Opel Grandland X Hybrid4 - Potz-Plug-in-BlitzAutoplenum, 2020-02-25
50 Jahre Opel Ascona - Spiel, Satz, SiegAutoplenum, 2020-02-13
Test: Opel Corsa 1.2 DI Turbo - Der Kleine macht auf Sport