Praxistest: BMW 120d Cabriolet - Münchner Freiheit
Zumindest beim 1er-Cabrio ist BMW noch auf der Seite der Traditionalisten: Anders als beim offenen Dreier mit seinem faltbaren Blechdach spannen sich in dem "kleinen" Münchner klassische Stoffbahnen über die Köpfe der Passagiere. Selbst im Winter ist das nicht wirklich ein Nachteil: Die gute Isolierung hält die Kälte draußen und auch bei flotter Fahrt - immerhin schafft der 120d über 220 km/h Spitze - halten sich die Windgeräusche noch in Grenzen. Wenn die Sonne lacht, faltet sich das Verdeck in gut 20 Sekunden auf Knopfdruck vollautomatisch zusammen und verschwindet unter der Abdeckung im Heck. Wie es sich für ein modernes Cabrio gehört, funktioniert das auch im Fahren bei bis zu 40 km/h Geschwindigkeit. Das verhindert peinliche Hupkonzerte etwa an Ampeln, wenn die Rotphase mal kürzer ist als die Zeit zum öffnen oder schließen.
Wenn das Verdeck im Kofferraum verstaut ist, wird der Platz dort wie in jedem Cabrio ziemlich knapp: 260 Liter passen dann noch hinein. Ohne verpackte Mütze sind es immerhin 305 Liter. Für üppiges Urlaubsgepäck reicht das selbst dann kaum, wenn man nur zu zweit unterwegs ist. Aber was soll's: Die engen und vor allem geschlossen nur beschwerlich zu erkletternden Sitze im Fond taugen ohnehin nicht für einen Kleingruppen-Ausflug. Und wenn man statt der klobigen Hartschalenkoffer weiche und verformbare Reisetaschen unter dem Zwischenboden (der den Laderaum vom Verdeck trennt) verstaut, kann man sogar offen zum Kurzurlaub am Gardasee starten. Um den ohnehin schon kappen Kofferraum nicht noch mehr zu schmälern hat das BMW-Cabrio einen Reservereifen gar nicht erst an Bord. Statt dessen läuft es serienmäßig auf Run-Flat-Pneus. Die sind zwar beim Ersatz teurer, helfen aber bei einem Reifenplatzer und selbst auf verschneiter Fahrbahn durchaus weiter, wie wir im Test erleben durften. Trotz Druckverlust schafft man ziemlich problemlos bis zu 150 Kilometer zur nächsten Werkstatt - wenn auch mit maximal 80 km/h. Allerdings sollte man vorher per Handy abklären, ob dort überhaupt die passenden Run-Flats als Ersatz auf Lager sind. Sonst sind die 150 Kilometer für das Pendeln zwischen den Werkstätten schnell beisammen.
Innen weist das 1er Cabrio die üblichen Annehmlichkeiten auf, die man so auch in Limousine und Coupé findet: Gewohnt hochwertige Materialien und Verarbeitung, Wohlfühlambiente, bequeme Sitze, in den sich auch groß gewachsene Passagiere wohlfühlen, eine klare und durchdachte Bedienung sowie diverse elektronische Helferlein, deren Anzahl vor allem von der Liquidität des Bankkontos definiert wird. Natürlich ist der 1er der "kleine" BMW und insofern kein Raumwunder. Aber selbst bei geschlossenem Verdeck fühlt man sich nicht eingepfercht - obwohl es ab 1,85 m Körpergröße um den Kopf herum etwas eng wird. Die Sicht nach hinten ist bei geschlossenem Verdeck - wie bei Cabrios üblich - nicht die allerbeste. Vor allem die breite C-Säule stört.
Der 2,0-Liter-Diesel unter der Haube ist auch für ein Cabrio eine gute Wahl. Mit erstaunlicher Laufruhe schiebt er den offenen Bayern souverän und durchzugsstark über die Heckräder voran. 130 kW/177 PS und ein Drehmoment von 350 Nm bereits ab 1750 U/min. reichen jederzeit, um so sportlich voran zu kommen, wie man sich fühlt. Den Spurt von 0 auf 100 km/h schafft das 1,5 Tonnen schwere 120d Cabrio in 8,1 Sekunden, eine halbe Sekunde länger als das gleich motorisierte, aber mindestens 40 Kilo leichtere Coupé. Das lässt sich gut verschmerzen - wer Cabrio fährt, der fährt eh genussvoller und gelassener. Hauptsache, man hat weder beim Überholen noch am Berg je das Gefühl, untermotorisiert zu sein. Und dieses Gefühl hat man im 120d beileibe nicht. Maßgeblich zum Fahrvergnügen trägt die sechsstufige Automatik (2050 Euro Aufpreis) bei. Die ist gut abgestuft und die Wechsel zwischen den Fahrstufen erfolgen sauber und sanft. Die straffe Federung passt gut zum sportlichen Charakter des Cabrios - sie lässt dennoch nur grobe Unebenheiten bis zu den Passagieren durch. Auf schlechten Straßen zeigt sich auch, dass BMW die offene Karosserie sehr verwindungssteif hinbekommen hat - Versetzungen sind kaum wahrzunehmen.
Wie es sich für einen BMW gehört, lässt sich auch der 120d genussvoll, flott und souverän um die Kurven zirkeln. Ein bisschen Untersteuern manchmal, das meist eh schon vorher vom ESP abgefangen wird, immer gutmütig, immer gut beherrschbar. Dazu eine Lenkung, die präzise und schnell reagiert, einen guten Kontakt zur Fahrbahn vermittelt - ein BMW eben. Mit offiziell 5,1 Liter Durchschnittsverbrauch zeigt sich der 120d fast so sparsam wie die windschlüpfrigere, geschlossene Version. Die Enthaltsamkeit ist allerdings nicht allein dem Motor zu verdanken. Dazu kommen etliche der bei BMW mittlerweile üblichen Spritspartechniken: verkleideter Unterboden, Bremsenergie-Rückgewinnung, Steuerung der Nebenaggregate, Start-Stopp-Automatik. Letztere funktionier bequem und unkompliziert - wenn sie funktioniert. Im Testwagen gab es immer wieder Ampelstopps, bei denen der Motor munter weiter nagelte, statt bei Auskuppeln und Stillstand brav keinen Mucks mehr zu machen. Immerhin: Der Testverbrauch lag nur knapp einen Liter über den offiziellen Angaben.
Mit einem Basispreis von 34.250 Euro ist das 120d-Cabrio beileibe kein Schnäppchen - zumal man angesichts des üblichen Geizes der Münchner um viele meist zu Paketen geschnürte Optionen aus der Aufpreisliste nicht herum kommen wird - akustische Parksensoren gehören dazu, Windschott, Sportsitze, automatisch abblendbare Spiegel oder Kurven- und Abbiegelicht. Innerhalb der BMW-Hierarchie ist der offene 120d allerdings auch preislich keine schlechte Wahl. Für den Spaß am Offenfahren muss man zum entsprechenden Coupé 4750 Euro drauflegen, das 320d-Cabrio dagegen ist gut 10.000 Euro teurer. Wer im Audi A3 an der frischen Luft fahren will, zahlt zwar für den 2,0-Liter-Diesel 30.200 Euro, hat aber auch 37 PS weniger zur Verfügung. Das Mini Cabrio gibt es derzeit nur als Benziner, der Cooper S mit 175 PS kostet dann 26.500 Euro. München war schon immer ein etwas teureres Pflaster.
Quelle: Autoplenum, 2009-04-25
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