Mini Roadster John Cooper Works: Test
Das mit der Vernunft ist wegen soviel gewollter Unvernunft nicht leicht vermittelbar. In den Kriterien Meter/Euro und Sitzplätze/Euro fällt der Kurze aus Britannien glatt durch. Kaum hat er begonnen, endet er auch schon wieder. Zwei Sitzplätze verliert er dabei gegenüber dem Mini Cabrio. Dessen praktische „Schiebedach“-Funktion bleibt ebenso auf der Strecke. Auch die voll elektrifizierte Kapuze. Ein Dreh am Griff per Hand öffnet die Hülle einen Spalt, ein Ziehen am Hebel erledigt den Rest elektrisch. Deshalb lässt sich das Verdeck zwar flott, aber nicht wie gewohnt mal eben rasch in Fahrt öffnen oder schließen. Und hellhörig und laut geht es im Roadster auch zu. Liegt an der dünnen Verdeckhülle, liegt am 1,6 Liter-Turbo.
Der krallt sich, ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, mit dem TwinScrollTurbo die Vorderräder und massiert sie mal eben flott mit 280 Newtonmetern ab 1.850 Umdrehungen und ab 6.000 U/min mit 211 PS. Damit gehen die knapp 1,3 Tonnen in fluxen 6,5 Sekündchen hoch auf 100. Erst bei 237 km/h – früher eine Hausnummer für große Sportwagen – sagen die Fahrtwiderstände zum wilden Oxforder: Stopp, Kleiner.
Wer im Mini Roadster (Leistungsspanne: 122 bis 211 PS) auf den John Cooper Works (JCW) setzt, bezahlt dafür mehr als mit dem zweiten Überzeugungsmotor.
Der 143 PS leistende SD ist emotional-rational die erste Wahl: bullig, bärig, aber man investiert im 100 km-Takt lediglich 4,3 Liter Diesel in 305 Newtonmeter Drehmoment (Normverbrauch; Praxisverbrauch im Cooper SD: 5,8 l/100 km). Der JCW kostet mehr an der Tanke. Im Testbetrieb genehmigt er sich 8,3 Liter Super. OK. Und höchst spaßig. Von wegen Köter, die bellen, beißen nicht. Die Sporttaste macht dabei den Unterschied zwischen „love“ und „like“, das direkte, feinfühlig rückmeldende Fahrwerk erledigt cool die Haftung.
Und den Komfort. Vorne auf der Vorderachse machen sich heftige Uppercuts auf den Weg zu den Unterarmen. Das Komfortbild weckt Erinnerungen an die Kindheit – nur dass es die Prügel jetzt nicht mehr von oben setzt, sondern von unten. Der elektrisch ab ca. 100 km/h ausfahrende und bei etwa 60 Stundenkilometern wieder einrückende Heckspoiler zuckt im Takt. Gefühl: Manche Kurve gab es, so dynamisch, vor dem JCW in der Kleinwagenklasse noch nicht. Mit serienmäßigem elektronischen Sperrdifferenzial, Traktionskontrolle und ESP ist es mit einem warm gefahrenen Satz 205/45 R17 um die Traktion prächtig bestellt. Mit dem Handwerkszeug, egal ob Lenkung, Federung oder Schaltung, geht´s so voran, wie in jedem Mini: Kreise um den Mitverkehr fahren – nicht ganz. Aber fast.
Dann setzt´s Insekt: Weil der Scheibenrahmen mit 1,39 Meterchen über Grund tief baut, schlagen die Mücken dem Sitzriesen auf der Stirnplatte ein. Normal gewachsenen bleibt´s erspart. Die weitere Portion Zug wird vom winzigen, zwischen die hübschen Chrombügel des Überrollschutzes gezwängten Windschott abgebügelt. Erstaunlich, geschlossen kommen in der Sitzhöhle auch 1,95 Meter messende Sitzriesen unter. Umringt von all dem Charme, den Mini seit Jahren exklusiv, und schon bald in der siebten Ausbaustufe (Dreitürer, Clubman, Cabrio, Countryman, Coupé, Roadster und demnächst der Paceman), für sich verbucht: die Retro-Instrumente, die Kipphebelarmada und der so sinnliche wie in der Armaturenbrettmitte sinnschwache Tachometer im Blick-off (deshalb gibt´s noch eine zweite Tempoanzeige im Bordcomputerdisplay direkt hinter dem Lenkrad). Die Rundumsicht stirbt, geschlossen, den Tod aller toten Winkel. Der Kaltstart im Winter, wenn die Scheiben rundum auf Beschlag machen, wird zum Blindflug – man sieht nichts, zumindest hören sie einen beim Kaltstart.
Und die Vernunft? Wegen dem Fahrwerk kauft man Mini, wegen dem Motor den John Cooper Works und wegen der Sonne das Cabrio. Frage, warum es der Roadster sein muss? Unerwartete Antwort. Vielleicht wegen dem Kofferraum. Im viersitzigen Mini Cabrio kauern dünne 125 Liter im Heckabteil. Im Roadster setzt es ein Volumen von 240 Litern. Damit erfüllt er im doppelten Wortsinn, was das andere Mini Cabrio nicht hält: Koffer-Raum. Aber es ist auch so: Was man an Kofferraum gewinnt, verliert man an Sitzplätzen. Wohl doch nur ein Anflug von Vernunft. Vier Plätze im Cabrio John Cooper Works (Grundpreis: 32.750 Euro) kosten nur 800 Euro mehr – Mensch, Junge, sei wenigstens einmal vernünftig.
(Lothar Erfert)
Quelle: automobilmagazin, 2012-12-06
auto-reporter.net, 2014-02-17
MINI Cabrio und Roadster: Gokart-Feeling unter freiem HimmelAutoplenum, 2013-09-01
Mini Roadster auf Hawaii - Bye-Bye Magnumauto-reporter.net, 2013-07-09
MINI Cabrio und MINI Roadster – zwei Highlights auf der n...auto-news, 2012-01-30
Mini Cooper S Roadster im Test: Sport-PlatzAutoplenum, 2012-01-28
BMW Mini Roadster - Kleiner Lückenfüller (Kurzfassung)