17. April 2012
Malaga (Spanien), 17. April 2012 - Wer kennt das nicht vom Abi-Treffen: Viele, die früher in der Schule Außenseiter waren, sind Jahre später zu attraktiven und interessanten Gestalten gereift. Ähnlich ist es mit den Fahrzeugen von Kia: Sie waren noch vor nicht allzu langer Zeit zwar günstig, aber in Sachen Design und Ambiente eher farblos. Doch diese Zeiten sind vorbei. Das jüngste Kia-Highlight ist der neue Cee'd. Setzt er die Erfolgsstory fort?
Messi am Zeichenblock
Ein wichtiger Baustein für den Aufschwung von Kia in den letzten Jahren, ist der Mann, den der europäische Kia-Marketingchef Benny Oeyen stolz mit Fußball-Megastar Lionel Messi vergleicht: Chefdesigner Peter Schreyer. In der Tat hat Schreyer auch mit dem neuen Cee'd wieder einen Volltreffer gelandet. Dynamische Falze im Blech und eine nach hinten ansteigende Gürtellinie machen den Fünftürer zum Hingucker, auch wenn in der Optik ein Schuss Opel Astra mitschwingt. Auf die meisten Betrachter wirkt der Cee'd deutlich harmonischer als der eng mit ihm verwandte Hyundai i30. Erkauft wird die schöne Linie jedoch mit Einschränkungen bei der Übersichtlichkeit: Trotz eines Extra-Fensters im vorderen Dachholm und sichtbarer Kotflügelansätze ist für den Fahrer nicht erkennbar, wo der Wagen vorne beginnt. Der Blick nach hinten wird durch eine breite C-Säule mit Mikro-Fenster erschwert, immerhin ist das Heckfenster vernünftig groß. Trotzdem sind Parkpiepser Pflicht. Wer will, bekommt sogar eine automatische Lenkhilfe für Parklücken.
Sinnvoll gewachsen
Lobenswert: Der neue Cee'd ist im Verhältnis zum mehr als 630.000-mal verkauften Vorgänger nicht übertrieben aus dem Leim gegangen. Die Gesamtlänge wächst um fünf Zentimeter auf 4,31 Meter, die Höhe sinkt minimal auf 1,47 Meter, während der Radstand mit 2,65 Meter gleich geblieben ist. Das merkt man im Innenraum: Fondpassagiere freuen sich über eine gute Kopffreiheit, während der Platz für die Beine ausreichend, aber nicht üppig dimensioniert ist. 380 Liter Gepäck passen nun in den Kofferraum, das sind 40 Liter mehr als bisher. Werden nur die Rücklehnen umgelegt, entsteht eine leicht ansteigende Fläche, für eine richtige Ebene müssen auch die Sitzpolster geklappt werden. Dann bietet das Abteil bis zu 1.318 Liter Volumen.
Zwischen Prunk und Praxis
Den großen Auftritt zelebriert der neue Cee'd im Cockpit. Die Kommandozentrale beeindruckt mit ansehnlicher Optik und hochwertigen Materialien. Abgesehen vom leicht überfrachteten Multifunktionslenkrad überzeugt die Bedienung: Auf der Mittelkonsole thront ein einfaches Display für die Uhrzeit, der Tür-Offen-Warnung und der Temperatur. Darunter befinden sich Radio und Navigation, nochmals tiefer trifft man auf die Klimatisierung. Ein Kritikpunkt ist das etwas schlichte Plastik um den Infotainmentbereich. Es wird in den höheren Ausstattungen durch eine Einlage in Klavierlackoptik ersetzt. Gleiches gilt für den unteren Lenkradbereich, hinzu kommen mehr verchromte Rahmen. Das sieht zwar alles schick aus, sorgt aber neben Fingerabdrücken vor allem für störende Blendung bei Sonnenschein. Weniger ist in diesem Fall also mehr. Stets mit an Bord sind Anschlüsse für AUX, USB sowie eine 12-Volt-Steckdose samt einer großen Ablagefläche. Diese wird von zwei Bügeln abgegrenzt, von denen der linke an das rechte Bein größerer Fahrer stößt. Immerhin kann das Bein so auf längeren Strecken zur Entlastung angelehnt werden. Ein besonderer Clou ist das optional erhältliche Sieben-Zoll-HD-Display anstelle des Tachos. Zeiger und Zahlen werden hier digital erzeugt, hinzu kommt ein großes Infodisplay. Das sieht scharf aus, aber seltsamerweise können dort keine Navigationshinweise angezeigt werden. Ergo: eine nette Spielerei, die aber nur derjenige braucht, der gelegentlich eine Meilen-Anzeige benötigt.
Gemütliche Basis
Weniger ist mehr: Gilt das auch für die Motoren? Kia erwartet den größten Kundenanteil für den Einstiegsbenziner mit 1,4 Liter Hubraum und 100 PS. Zehn PS mehr als bislang, das klingt auf dem Papier vielversprechend. In der Praxis entpuppt sich der Basis-Benziner als braver Antrieb zum gemütlichen Gleiten. Erst nach 12,8 Sekunden fällt die 100-km/h-Marke, erst bei 4.200 Umdrehungen liegen die maximalen 137 Newtonmeter an. Besonders im unteren Drehzahlbereich wirkt der Cee'd damit träge, für zügige Überholvorgänge muss fleißig geschaltet werden. Immerhin macht der Griff zum serienmäßigen Sechsgang-Schaltgetriebe Spaß, die Wege sind kurz, die Anschlüsse passen. Eine Schaltpunktanzeige ist ebenfalls inklusive, sie findet meist den richtigen Moment. Absolut überraschend ist die Laufruhe des kleinsten Benziners, erst bei höherem Autobahntempo schiebt sich eine brummige Note in den Vordergrund. Den spontanen Schub eines Turboaggregats sucht man vergeblich, aber eine Aufladung birgt auch Risiken in Sachen Zuverlässigkeit. Für den normalen Alltagsbetrieb ist der 1.4 absolut ausreichend, wer nur gelegentlich die Autobahn aufsucht, wird mit dem Motor zufrieden sein.
Moderne Zeiten für Automatik-Freunde
Welche Alternativen hält Kia im Cee'd noch bereit? Im Ottobereich ist es ein neuer 1,6-Liter-Direkteinspritzer mit 135 PS, der als Premiere mit dem ersten Doppelkupplungsgetriebe der Marke ausgerüstet werden kann. Dieselfreunde haben die Wahl aus zwei Selbstzündern mit 90 und 128 PS. Für alle Motorisierungen mit Schaltung wird übrigens ein "EcoDynamics"-Paket mit Start-Stopp-System und weiteren Effizienzmaßnahmen angeboten. Interessant ist der 1.6 CRDi mit 128 PS. Hatte Kia bislang nur veraltete Vier-Gang-Automaten im Einsatz, so kommt hier nun endlich ein System mit sechs Gängen zum Einsatz.
Saubere Handarbeit
Die Freude an der modernen Automatik währt aber nur ein paar Meter. Träge schiebt der große Diesel an, unterstützt wird dieser Eindruck von den späten Schaltvorgängen. Rein subjektiv glaubt man, dass sich mindestens ein Viertel der Pferdestärken heimlich aus dem Staub gemacht haben. Doch die Zahlen zeigen: 260 Newtonmeter maximales Drehmoment sind da, sie liegen jedoch erst bei 1.900 Touren an. Deutlich mehr Spaß macht der Selbstzünder mit manueller Schaltung. Hier ist zwar immer noch eine Anfahrschwäche spürbar, der Griff zum Knüppel überbrückt sie aber besser. Beim zügigen Wechseln der Gänge entwickelt der Motor deutlich mehr Temperament und bleibt auch bei Tempo 130 akustisch dezent. Einzig die Windgeräusche schieben sich dann in den Vordergrund. Lobenswert: In der EcoDynamics-Ausführung soll der 1.6 CRDi nur 3,7 Liter Diesel auf 100 Kilometer konsumieren, das entspricht CO2-Emissionen von 97 Gramm pro Kilometer.
Neutrale Note
Ausgesprochen ausgewogen ist das Fahrwerk des neuen Kia Cee'd. Lediglich bei groben Querfugen stößt die Federung im wahrsten Wortsinne an ihre Grenzen. Ein Tipp: Lieber kleinere Felgen wählen, da die großen 17-Zöller den Abrollkomfort schmälern. Eine interessante Neuheit ist die variable, elektrisch unterstützte Servolenkung "Flex Steer". Mit einer Taste auf dem Lenkrad kann der Fahrer aus drei Modi wählen: "Comfort" bietet viel Lenkspiel für die Stadt, "Normal" eine ausgewogene Mischung, während bei "Sport" die Lenkung etwas verhärtet, so dass es mit wenig Aufwand durch flotte Landstraßenkurven geht. Diese Unterschiede sind durchaus spürbar, aber denkt der Fahrer tatsächlich immer daran, den richtigen Modus einzustellen? Für den Durchschnittskunden ist dieses Extra verzichtbar, zumal die Serienlenkung ordentlich abgestimmt ist.
Auf die Linie achten
Nun zum sicherlich wichtigsten Cee'd-Kapitel: dem Preis. Hier hält sich Kia noch bedeckt, allerdings sollen die Preise auf bisherigem Niveau bleiben. Das wären mindestens 14.430 Euro. Auch in Zukunft heißt die Basisversion "Attract", aber sie rollt praktisch nackt zum Kunden. Ein CD-Radio und elektrische Fensterheber vorne sind an Bord, doch eine Klimaanlage gibt es nicht für Geld und gute Worte. So relativiert sich der Abstand zur Konkurrenz: Der neue Hyundai i30 startet mit 99 PS bei 15.850 Euro, hat aber die Klimaanlage serienmäßig. Gleiches gilt für den VW Golf, der aber mit 80 PS und fünf Türen schon 17.760 Euro kostet. Zurück zum Kia Cee'd: Hier sollte es mindestens die "Edition7"-Ausstattung mit Klimaanlage inklusive sein. Apropos Sieben: Stets dabei ist eine üppige Fahrzeuggarantie über sieben Jahre oder 150.000 Kilometer. Die klare Empfehlung lautet jedoch "Business Line". Jenes dauerhafte Sondermodell, wie Kia es bezeichnet, findet sich nicht überall im Schauraum, kann aber von jedem Händler bestellt werden. An Bord ist hier alles, was das Fahren angenehm macht: Außenspiegel mit integrierten Blinkleuchten, ein Brillenfach im Dachhimmel, ein beheizbares Lenkrad, Sitzheizung vorne, ein Navigationssystem mit Rückfahrkamera, elektrisch einstell- und anklappbare Außenspiegel, ein Tempomat, Parksensoren hinten und sogar die variable Servolenkung. Wer aber einen Spurhalteassistenten, den LCD-Tacho oder die automatische Einparkhilfe will, muss zur Topversion "Spirit" greifen, denn nur dort gibt es diese Technik in aufpreispflichtigen Paketen.