Der Opel Kadett B wurde nach zwei Fiats und einem VW Käfer mein nächstes Auto. Das hier angegebene Baujahr ist nicht ganz zutreffend, denn den B-Kadett gab's schon seit August 1967. Mit zunächst 1100 ccm und 45 PS (Normalbenzin, deshalb 1,1 N) und 55 PS (Super, 1,1 S).
Ab 1968 gab's bereits ein paar Änderungen: Andere (breitere) Heckleuchten, hinten Schrauben- statt wie bisher Blattfedern, 1200 ccm mit 50 (N) und 60 (S) PS. Außerdem voll schaumummanteltes Armaturenbrett (vorher in Wagenfarbe lackiertes Blech mit ein wenig Chromzierrat und nur oben ein aufgeschäumtes "Dach" - war schöner), mittlere kreisrunde Luftaustrittsöffnungen. Dreispeichenlenkrad (vorher zwei). Ach ja, 13" statt 12" Felgen als Standard.
Und es wurde überwiegend französisches, englisches, belgisches und US- Elektroequipment verbaut statt wie bisher überwiegend Bosch.
Es gab viele verschiedene Karosserievarianten: Limousine 2- und 4-türig, Coupé mit nach innen gewölbter Heckscheibe wie auf dem Bild oben (Coupé F - "Fließheck" - ähnlich als Opel Olympia auch mit 4 Türen und 1500 und 1700 ccm, in aller Regel mit Vinyldach),Coupé mit nach außen gewölbter Panorama-Heckscheibe
und an der C-Säule angedeutete 3 Luftschlitze à la Ford Mustang (das so genannte "Fastback"-Coupé), Kombi mit 3 und 5 Türen.
Mein erster war eine 2-türige Limousine Bj. '72, leider kein L, das heißt ohne die wunderbaren hinteren Ausstellfenster (zusammen mit den vorderen Dreiecksfenstern war eine fast zugfreie Durchlüftung möglich). Motor1,2 N.
Der Wagen war eine Offenbarung nach dem Kübelwagen (Käfer).
Sah nicht nur aus wie ein "richtiges" Auto, fuhr auch so. Leiser, schneller, komfortabler, riesengroßer Kofferraum, Platz auch auf der Rücksitzbank.Viel sparsamer (ca. 7-8 l / 100 km). Richtige und vor allem gute Heizung im Winter! Recht gute Schaltung ( 2 Varianten : Langer Knüppel oder kurzer- die sog. Sportschaltung). Der Wagen war sehr robust in allen Lebenslagen und hat mich so wie viele andere nie im Stich gelassen. Diese Opels haben dem Beinamen "der Zuverlässige", den sie seit den 50er Jahren hatten, alle Ehre gemacht. Eigentlich gab's nur eine Achillesferse: Der im Kofferraumdeckel steckende Quecksilberschalter für die Beleuchtung - Quecksilber verflüchtigt sich> Dauerstrom> Batterie leer. Anderen Schalter eingebaut oder einfach abgeklemmt> Problem gelöst.
Mein zweiter war ein Fließheck-Coupé 1,2 N L Bj. '72, also diesmal mit Heckausstellfenstern. Den habe ich irgendwann
im Hochsommer auf der Autobahn zu Schanden geheizt - da lief er nur noch auf drei Töpfen und hat 2 L Öl auf 100 km verbraucht (eigentlich mehr verloren) - aber er lief, und zwar immer noch 110 km/h. Ein ganzes Jahr lang. Beim Parken Ölkanister mit der Auffangseite unter den Motor gelegt, beim Losfahren oben wieder reingekippt. Nur Altöl. Macht so schnell kein anderes Auto mit, auch damals nicht. Dann hatte ich ein Fastback-Coupé Bj. '67 mit den schmalen Rückleuchten, weiß mit roten Kunstledersitzen. Sehr schönes Auto. War der älteste und der kleinste Motor - 1,1 N, 45 PS, aber er war der schnellste. Lief echte 160 (die anderen je ca. 145). Kam durch die strömungsgünstige Karosserieform.
Nur im Stau im Sommer ist er immer sehr warm geworden (hatte nur einen Zweiflügel-Propeller am Ventilator, ab '68 dann ein 5-Schaufel-Rad).
Gekocht hat er aber nie. Der Kühler war recht groß dimensioniert.
Danach hatte ich noch einen 3-türigen Kombi (bei Opel "Caravan"), den mochte ich aber irgendwie nicht, hab' ich dann bald wieder verkauft.
Gefahren ist er aber genauso gut wie die anderen.
Die Hauptmängel waren die Wasserpumpe (im Austausch ca. 35- D-Mark), die Benzin-Pumpe (ähnlicher Preis) und sonst eigentlich nix.
Sehr stabiles Fahrwerk und gute Fahreigenschaften (nur im Winter hinten etwas zu leicht - 20 l- Farbeimer mit Sand war eine gute Lösung).
Superstabile Lenkung. Die Radlager haben sehr hohe Laufleistungen mitgemacht und konnten ganz leicht nachgestellt werden (kenn ich von neueren Produkten namentlich aus Wolfsburg leider anders). Ganz einfache Wartung: Alle 10.000 Öl mit Filter,
alle 15.000 Ventilspiel bei laufendem Motor einstellen (30 min Zeitaufwand, Materialkosten ca. 5.- bis 7.- Mark für eine Korkdichtung).
Zündkerzen und Luftfilter alle 20.000 (da bin ich mir jetzt nicht mehr 100%ig sicher, vieleicht waren's bei den älteren Motoren auch 15.000). Unterbrecherkontakt nur ganz selten. Das war's. Getriebe- und Differentialöl nicht mehr wechseln, sondern nur noch kontrollieren und evtl. auffüllen. Das waren zu dieser Zeit lange Wartungsintervalle und echte Vereinfachungen. Außerdem war alles so gut zugänglich, dass es wirklich jeder machen konnte.
Das robuste Fahrwerk war übrigens auch der Grund, warum der B-Kadett eigentlich der Ur-GTI wurde. 1967 kam der Ralleye-Kadett auf den Markt, d.h. die Fastback-Variante mit dem 1,1 l SR (Dopelvergaser)-Motor; ab Modelljahr 1968 dann mit der F-Coupé-Karosserie und auch 1,9 l-Motor des Rekord und entsprechend stärkeren (vorne Scheiben-) Bremsen sowie angepasster Radaufhängung. 90 PS oder auch125 PS (Doppelvergaser-Motor). Dieses Auto mit nur ca. 800 kg Leergewicht war der erste echte BMW- Killer aus der Arbeiterklasse.
15 Jahre vor dem Golf I GTI. Er hat auch wirklich mit großem Erfolg an vielen Ralleyes teilgenommen.
Dieses dankbare und unverwüstliche Auto hat ohne Probleme Laufleistungen bis mindestens 250.000 km gemacht, bevor viellleicht das Getriebe ein wenig ausgenudelt wirkte oder die Radaufhängung etwas weicher wurde. Die Motoren haben eigentlich auch dann noch keine Probleme gemacht. Wenn man ihn gut gepflegt hat, war auch der Rost kein allzu arger Feind, das Blech war von guter Qualität und anständig lackiert.
Für Oldie-Liebhaber ein absolut guter Tip: Alltagstauglich, relativ preiswert in Anschaffung und Unterhalt und durchaus charmant, vor allem die Coupés oder der Olympia. Übrigens lassen sich auch Modelle
mit den kleinen Motoren relativ einfach auf größere Motoren und stärkere Bremsanlagen und andere Hinterachsen umbauen, der Aufwand hierfür ist geringer als bei den meisten anderen Automodellen.
Bei den alten Opels passte fast jeder Motor in fast jede Karosserie.
Und so ein Ralleye-Kadett läßt bestimmt auch heute noch so manchen aufgespoilerten Rowdy oder BMW-Fünfer-Fahrer mit offenem Mund zurück...
Seine Freunde nannten ihn immer "Kadettilac" :-)
Schade, dass Opel in den frühen 70ern beschlossen hat, zwar die robuste Technik nur leicht verbessert beizubehalten (genau das, was Toyota mit großem Erfolg auch immer gemacht hat), aber die enge Anlehnung an das amerikanische Design aufzugeben. Die Opels der Nachkreigszeit sahen bis ca. 1973 alle so aus wie kleinere Ausgaben der amerikanischen Brüder, und das machte einen nicht unerheblichen Teil am großen Erfolg der Marke aus (der B-Kadett hat sich einige Jahre lang sogar öfter verkaufen lassen als der Käfer).
Ein Grund mehr vielleicht, einen der echten alten Opels zu fahren.