Hier berichte ich über meine "neue" E430 4Matic Avantgarde-Limousine, Erstzulassung September 2002, eines der letzten Exemplare aus der Baureihe W 210. Zuvor habe ich 200.000 km mit meinem zweiten BMW E39 abgespult, ein 540 iA touring aus Ende 1999, also ein von den Maßen, der Fahrzeugmasse und der Motorleistung her vergleichbares Fahrzeug.
Es ist mein zehnter Mercedes (und es war mein dritter BMW) ...
vielleicht ist es ja für den einen oder anderen Leser eine Entscheidungshilfe:
Motor: Der Mercedes dreht williger und kultivierter hoch, wie bei den kleineren Mercedes-V8 typisch und nicht anders zu erwarten. Er hängt besser am Gas. Der um 100 ccm volumigere BMW-V8 (4,4 statt 4,3 Liter Hubraum) bietet 440 statt 400 nM Drehmoment, was man spürt. Der BMW ist eher ein sportlicher Kombi, der Mercedes ein braver, aber motormäßig immer ausreichend kräftiger Leisetreter.
Verbrauch: Dazu werde ich nach vielen 1.000 km mehr berichten. In der Stadt ist der Mercedes "auch zum Brötchen holen" deutlich unter 20 Litern zu fahren, der BMW nicht. Dafür kann man den BMW in Schleichfahrt (Autobahn, kaum schneller als die LKWs) unter 8 Litern bewegen - den knapp zwei Zentner leichteren Mercedes dürstet es immer zumindest in Richtung zehn Liter - man sieht daran, dass ich bin kein Raser bin, sondern ein sehr entspannter Faher, der die Kraft der acht Töpfe nur in brenzligen Überholsituationen nutzt - und weil die größeren Motoren wunderbar lange halten, wenn man sie gut behandelt. Letztlich laufen sie auch leiser als die Sechszylinder (vor allem beim Mercedes).
Akustik: Der BMW ist leiser, das ist angenehm - auch das offene Schiebedach (gleich, ob ganz offen oder in Hebestellung) ist beim BMW leiser. Wenn man Leistung abverlangt, wird der BMW-Motor heiser, der Mercedes liefert eine Spur weniger Schub, aber dafür kultivierter. Der Pokal für das Motor-Flüstern geht also an Mercedes, das Fahr-Flüster-Geräusch insgesamt an BMW. Beides ist nicht um einen Hauch auseinander, sondern deutlich und vernehmlich. Da ich während der Fahrt lieber Musik genieße als Fahrgeräusche, wäre mir ein BMW mit Mercedes-V8 lieb. Aber bei weniger als acht Töpfen ... nur am Rande hier ... sechs Töpfe unbedingt besser von BMW nehmen. Es sei denn, man mag lieber einen einfachen, kleinen Vierzylinder mit Benzinantrieb ... konsequenterweise hat BMW den gar nicht erst im E39 verbaut. Die in den meisten Mercedes-Modellen verbauten kleinen Vierzylinder-Benziner dieser Zeit sind eine Symbiose aus gehobenem Mittelkasse-Flair, was den Karossierie-Eindruck angeht, und eine Mischung aus Lärmbelästigung und Klackern, als hätte man bei Trabant oder beim neuen VW-Bus T5 Industriespionage betrieben, wie man mit möglichst wenig Kraftstoffeinsatz am frühen Morgen alle Nachbarn in einem Kilometer Umkreis wecken kann, wenn man den eigenen Wagen mit kaltem Motor warm fährt.
Understatement: Beiden Autos sieht man, wenn das Typenschild entfernt ist, an keiner Stelle an, dass sie "kräftig" sind. Beim Benz versteckt sich der Doppelauspuff komplett unter der Heckschürze, während beim BMW der extra dicke und einzelne Edelstahl-Auspuff nur Kennern als "das ist ein Achtzylinder" offenbart. Beide tragen bescheiden irgendwie zwischen 250 und 300 Pferde perfekt auf die Straße, falls es einmal notwendig ist ... ohne Anlehnung an die Gegenwart, wo viele fast gleich schwere Autos mit 100-PS-Motoren manchmal auch noch eines ihrer knappen PS für das Herumschleppen der serienmäßigen doppelflutigen Auspuffprotzanlage abzweigen müssen. Dazu kommt vielleicht noch eine weitere Abzweig-Pferdestärke für das Herumschleppen von Reifen in LKW-Breite. Immerhin muss man diese Fahrzeuge nicht schieben, die Kraft reicht doch für die Auto-Mobilität. Der Mercedes E 430 und der BMW 540 i übersetzen Bescheidenheit auf ihre Weise. Nicht beim Kaufpreis, aber doch beim Auftritt in der Öffentlichkeit. Bis ins Detail. Dafür gebührt beiden ein Pokal, ein erster Platz. Beide gab es "ab 30.000 Euro" zu kaufen, voll gestopft waren aber eher 70.000 Euro fällig. Vielfahrer kennen das: Es soll leise zugehen, wirtschaftlich, langlebig - und wenn alle Stricke reissen, möchte man bei Tritt aufs Gaspedal einfach stets ausreichend Reserve an Kraft haben.
Und ja ... auch ich überhole auf Landstraßen vorsichtig, bin noch nie bis an die 250 km/h-Abregelung gefahren und lasse Omas den Vortritt auf der Straße, auch wenn die Fußgängerampel auf Rot steht und die Ampel für Autos auf Grün. Der TÜV probiert alle zwei Jahre aus,ob die Hupe noch funktioniert, ich benötige sie meistens in der Zwischenzeit nicht. Aber ich würde kein Auto mit Breitreifen und Vierfachauspuff kaufen, sondern lieber eines ohne Metalliclack und 200 PS in Reserve. Einfach zur Beruhigung, falls es dann und wann mal an Aufmerksamkeit mangelt, entweder bei einem anderen Verkehrsteilnehmer oder eben bei mir.
Noch immer nicht langweilig? Dann hilft dieser Bericht bestimmt beim Auswählen.
Getriebe: Beide haben eine fünf-Stufen-Automatik. Der BMW lässt sich intuitiv schalten ("Steptronic"), der Mercedes schaltet auch ohne Kickdown vorsichtshalber gern zurück, wenn der Gasfuß nervös wird. Mir gefällt das Abzapfen von Leistungsreserven beim BMW besser, er ist handlicher. Der Mercedes schaltet noch eine Spur weicher als der BMW hoch und herunter - und das sogar mit Allrad- statt Heckantrieb.
Musikanlage/Lautsprecher: Wie immer, wenn man beide Hersteller kennt ... bei BMW muss man mindestens die "zweitbilligste" Variante, die "HiFi-Lautsprecher" ordern, wenn man mehr als Verkehrsfunk damit hören will. Im Mercedes sind die einfachen Standardlautsprecher den "besseren" im BMW mindestens ebenbürtig, wobei im Benz sogar auf einen Subwoofer verzichtet wird. Dieses Kapitel geht regelmäßig - und auch dieses Mal - klar an Mercedes. Ist aber nur für Musikliebhaber interessant, vermute ich.
Sitze: Im BMW waren die aufpreispflichtigen Sportsitze verbaut, im Mercedes sind Komfortsitze mit Multikontureinstellung und Sitzbelüftung. Heizung der Ledersitze ist bei beiden Autos normal.
"Auf" dem Mercedes sitzt man ein wenig wie auf einem Kutschbock, egal, wieviel man an allen Sitzknöpfen spielt. "Im" BMW sitzt man näher am Fußboden und irgendwie integrierter. Bei BMW muss (!) man Komfort- oder Sportsitze haben, sonst sitzt man wie auf einer Wartebank im Bahnhof. Bei Mercedes sind sogar die einfachen Standard-Aussattungssitze einigermaßen bequem. Hier (in beiden Autos gute, teurere Sitze) bleibt es Geschmackssache ... ein "1:1" und typisch für die Hersteller - einmal betont bequem, einmal hm "sportlich". In beiden Autos kann man mit den jeweils guten und aufpreispflichigen Sitzen (wenn der Tank nicht zu klein wäre ...) tausend Kilometer fahren, sich anschließend einmal strecken und dann den Tag beginnen. (Seitenhieb: Das gab es ohne Aufpreis auch schon im Opel Omega B, aber den lassen wir jetzt hier weg).
Bedienung: Der BMW wirkt wie aus der Neuzeit, wenn man die Anordnung der Schalter, Hebel, das Navi in Kombination mit Bordcomputer und anderen Helferlein betrachtet. Der Mercedes bietet, verstreut über das halbe Fahrzeug, auch alles Sinnvolle, aber nichts aus einem Guss. Ob man eine Sicherung wechseln will oder eine Information aus Bildschirm/Tachoanzeige sucht, alles wirkt wie mit wachsenden Kundenanforderungen aneinendergeflickt, nicht "geschöpft". Dieser Punkt geht neben dem agileren Gesamteindruck eindeutig und ganz klar an die Marke mit dem Propeller.
Der Mercedes bietet dafür mehr Platz (vor allem auf den Rücksitzen) und -speziell in diesem Vergleich und für mich- das Ende der Angst vor dem Winter. Allradantrieb (das gab es beim BMW E39 nicht) bedeutet eben, dass man nicht stecken bleibt. Jedenfalls nicht in einer Parkbox auf ebener Straße, nur weil sich ein paar Schneeflocken um die guten und nagelneuen Winterreifen versammelt haben. Ein wenig ist es ungerecht, Heck- und Allradantrieb zu vergleichen. Das habe ich hier trotzdem getan, weil die Autos vergleichbar schwer sind (der eine schleppt fast zwei Zentner extra für den Kombiaufbau, der andere ebenso viel für das schwerere Allradgetriebe und die zusätzlichen Antriebsstränge - und damals beim Neuerwerb in etwa gleich teuer "70.000-Euro-Klasse".)
Der BMW kennt bei etwas Pflege eines nicht: Rost. Den Mercedes kann man trotz aller Pflege vor etwas nicht ganz bewahren: Rost. Wenn es kein Allradler sein soll (den es ja von BMW in der konkurrierenden Baureihe nicht gibt), würde ich eher einen guten gebrauchten BMW statt eines Mercedes kaufen. Lieber einmal alles an der Vorderachse auswechseln (s. weiter unten) als nie wissen, wo evtl. noch eine und wieder noch eine (neue oder alte) Roststelle versteckt ist. Bei meinem Mercedes war an jeder einzelnen (bereits ausgewechselten und dann halb totgepflegten Tür) mehr Rost als an dem noch einmal drei Jahre älteren BMW rundherum - das muss man wissen und berücksichtigen, selbst bei einem der "rostarmen" älteren Benz. Der BMW hat dafür eine empfindliche Vorderachse, bei der über das Autoleben hinweg jedes Teil ein- oder mehrmals ausgetauscht werden will. Er fährt auch sonst, auch der TÜV gibt seinen Segen. Aber bei mangelnder Aufmerksamkeit fährt er dann nach einer Weile "wie ein Mercedes". Also fährt man mit 160 um die Kurve und schwitzt dabei, obwohl sie eigentlich für 180 gut ist. Bei einem heilen Mercedes fährt man besser gleich gemütlich, dazu lädt er auch ein. Ein sehr gut durchreparierter BMW nimmt die selbe Schikane wie im Flug, wesentlich schneller und "ohne mit dem Scheinwerfer zu zucken". Aber dafür muss das Fahrwerk immer top sein, und das immer nahe 100% zu halten ist kein billiges Vergnügen. Auch viele Werkstätten sind damit überfordert - sie machen Probefahrten und sagen "wieder heil". Dieses Stückchen "Sportwagen-Gen" fehlt sogar vielen KFZ-Meistern. Sie wissen nicht, wie ein BMW fahren kann, wenn er so ganz gesund ist.
Da ich aber meistens 100 statt 200 fahre, nehme ich jetzt die vielen genannten und ungenannten Mercedes-Eigentümlichkeiten in Kauf und freue mich, auch im Winter einen zuverlässigen Begleiter vor der Tür zu wissen. Dies ist keine Hommage für Mercedes, eher eine für BMW. Und doch ist das "willkommen Zuhause"-Gefühl nie mehr vergangen, seit der erste Mercedes (so 1980) vor der Tür stand, in einer Zeit, als man einen BMW wirklich noch nicht unbedingt als ernsthafte Alternative zu einem Mercedes kaufen konnte. Beiden Herstellern wünsche ich, dass sie sich weiter Kopf-an-Kopf-Rennen liefern, David und Goliath. Dies hat unserer Maschinenbau-Nation bisher viel Wohstand und internationale Achtung beschert. Als passionierter Autofahrer und Schrauber verneige ich mich vor den Ingenieuren beider Hersteller ... Wenn man das Beste aus diesen beiden Welten zusammenfügte, dann würde kein vernünftiger vielfahrender Mensch mehr ein Auto bestellen, das nicht in Deutschland entwickelt wurde. Das aber wollen wir unseren europäischen Nachbarn -und denen in Übersee- nicht wirklich wünschen ... oder?
Fahren würde so ein Teil jedenfalls toll - und für die erste Dekade nach dem Kauf würde man nach der schmerzhaften Überweisung eines gerade noch fünfstelligen Kaufpreises nur Benzin und Öl nachkippen müssen. Das Pendant wäre die Summe aller Nachteile beider Premium-Hersteller-Baustellen: Eine Karre, die an jeder Schneeflocke stecken bleibt und auch noch rostet wie Sau.
Für jene Leser, die mit Geduld und Interesse bis hier alles Geschriebene als hilfreich für die Anschaffung des nächsten Autos betrachten ... danke für die Geduld. Ich hoffe, es hilft beim Auswählen zwischen einem sehr guten und einem sehr guten Auto. Wer die Auswahl vergrößern will, sollte auch das mit den vier Ringen ausprobieren ... einfach der Vollständigekit halber. Vermutlich bleibt es anschließend doch dabei, dass nur zwei in die Zielgerade fahren: Einer mit Propeller und einer mit Stern.
Für mich waren es bis hier mehr als eine Million Kilometer, abwechselnd mit Propellern oder Sternen im Logo ... Von hier an ist es (die Damen unter den LeserInnen mögen verzeihen) ein wenig wie mit zwei wunderbaren Frauen ... man(n) muss sich irgendwie für eine entscheiden, ohne die Zeit zu überziehen, sonst ist man beide los. Und in Wahrheit sind es doch die Frauen, die das letzte Wort in der Liebe und in dieser wirklich wichtigeren Entscheidung haben.
Wie kann man das auf's Blech übersetzen? Vielleicht mit Probefahrt? Für mich war situativ die Wintertauglichkeit entscheidend. Wer einen wie an den Körper angegossenen Kurvenräuber sucht, der greift sowieso zum agilen und leichteren 3er BMW, ob mit oder ohne Allrad. Wer ein wirtschaftliches und unkompliziertes Auto zurückhaltend fährt, wird die C-Klasse von Mercedes bevorzugen. Wer es gern wirklich leise und komfortabel hat und sich um die Aussenwirkung nicht sorgen muss, hat die Qual der Wahl zwischen den wundervollen 7ern und den S-Klassen, dem A8 und dem Phaeton. Aber das sind jeweils andere Geschichten.