Ich fahre seit 15.000 km beruflich den Fiat Scudo Multijet 140 (136PS) mit langem Radstand, Erstzulassung März 2008.
Das erste was bei diesem Fahrzeug auffält ist das geringe Platzangebot in der Fahrgastzelle. Die Sitzhöheneinstellung hätte auch gleich weg gelassen werden können - über 175 bleiben die Kopf- und Beinfreiheit erheblich eingeschränkt.
Was die "zwei" Beifahrerplätze angeht, ist der mittlere Platz allenfalls für edas Mitführen eines Kindersitzes geeignet. Hier fehlt die Beinfreiheit zu Lasten der Schaltung und eines Einbaus mit einer mir unbekannten Funktion in den Fahrgastraum.
Für den Einsatz im Gewerblichen Bereich fehlt es an wirklich nutzbaren Ablageflächen. Die "Wanne" auf der Beifahrerseite erinnert hier eher an ein Handwaschbecken im Campingbereich. Die in die Rückenlehne des mittleren Sitzes eingearbeite "Ablage" ist nicht wirklich zu gebrauchen. Eine Abstellmäglichkeit die ein Absetzen von Getränkebechern, wie bei Renault, sicher ermöglicht gibt es nicht. Die Ablagefächer an den Türverkleidungen bieten ebenfalls keinen Halt.
Die Technische Beschaffenheit lässt mit Hinsicht auf die Bedienung gleichfalls erheblich daran Zweifeln, dass das Fahrzeug Sinnvoll durchdacht ist:
So ist der Leuchtweiteneinsteller für die Scheinwerfer irgendwie im unteren Bereich der Armaturenabdeckung verbaut und nur durch tasten zu finden.
Die Einstellvorrichtung für die elektrischen Aussenspiegel und Fensterheber ist aus unerklärlichen Gründen ziemlich in die Mitte auf der Türverkleidung verlegt. So muss zum Bedienen der Schalter für Aussenspiegel oder Seitenfenster der Ellenbogen irgendwie zwischen Rückenlehne und Seitenscheibe geschoben und die Hand abgewinkelt werden. Besonders interessant bleibt die Frage, wie die elektrische Bedieneinrichtung für Aussenspiegel und Seitenscheibe auf Dauer mit Regenwetter zurecht kommt da beim öffnen der Fahrertür diese Einrichtung sofort unter Wasser gesetzt wird.
Der Innenspiegel ist eigentlich auch überflüssig, da die Sicht allenfals das Betrachten der Kopfstützen der Beifahrersitzbank ermöglicht. Die Scheibe der Zwischenwand ist hier gleichfalls dazu angetan den Sinn des Innenspiegels zu bezweifeln: Nachts sieht man hier nur noch die Instrumente und den voraus ausgeleuchteten Strassenverlauf.
Die Seitenfenster sind leider alles andere als dicht. Durch eine offensichtliche Schwäche in der Montage ist auch die Führung in den Schienen so, dass die Fenster bei höherer Geschwindigkeit flattern und im Fahrzeug Zugluft entsteht.
Unter dem Dach wurde eine Zwei-Kammer-Ablage verbaut, in die auch die Innenbeleuchtung über dem Amaturenbrett eingebaut ist. Diese Ablage ist so wackelig montiert, dass es an Gottvertrauen grenz dort etwas abzulegen, was schwerer ist als eine Zeitung. Die Innenbeleuchtung ist Nachts nicht während der Fahrt zu gebrauchen, da sie den Fahrer direkt blendet.
Im Zeitalter der Zusatzverbraucher ist ein portables Navigationsgerät ein oft genutztes Gerät. Da hat man bei Fiat wohl vergessen, das die Bordnetzsteckdose eine notwendige Einrichtung zur Stromversorgung dastellt. Schlecht nur, wenn der Strom bei abgeschalteter Zündung weg ist. Das gleiche gilt für die Stromversorgung des Autoradio: muss an einem Bahnübergang oder aus anderen Gründen länger gewartet werde, soll nach Energiesparrichtlinien der Motor abgeschaltet werden. Traurig nur, dass dann nach einiger Zeit die Bordelektrik auf "Energiesparmodus" schaltet und man Radio oder Bordnetzsteckdose erst wieder aktivieren kann, indem der Motor gestrtet und laufen gelassen wird. Dagegen wird bei Abschalten des Motors nicht automatisch auf Stand-/Begrenzungslicht geschaltet.
Auch die Ladefläche birgt leider einige Nachteile:
So ragt die Trennwand zwischen Fahrgastzelle und Ladefläche im Bereich der Rückenlehnen erheblich in denLaderaum hinein. Dadurch ist die tatsächliche Öffnung der Schiebetür nur im unteren Bereich nutzbar, was das verladen von Euro-Palleten an der Seitentür nahezu unmöglich macht. Die Innenbeleuchtung der Ladefläche schaltet sich beim Wechsel der Bordelektrik auf Energiesparmodus ebenfalls aus und läßt sich erst wieder durch Starten des Motors wieder dauerhaft einschalten.
Da die hinteren Türen (Zweitür-Ausführung) sich bei vollständigem Öffnen nicht sichern lassen, bekommt man diese, bei stärkerem Wind, schon mal "ins Kreuz geschlagen". Auch ist so das vollständige Öffnen, selbst in einer leichten Steigung, nicht mehr möglich.
Im Transportbetrieb macht sich die zu schwach dimensionierte Federung der Hinterachse schnell bemerkbar: die Scheinwerferhöheneinstellung muss schon bei geringer Beladung stark korigiert werden und die Spurtreue lässt wegen der Entlastung der Vorderachse erheblich nach.
Der Motor - hier ein 136 PS-Diesel - ist dynamisch und elastisch durch alle Drehzahlbereiche. Über 2500 Umdr/min ist es aber mit dem sparsammen Verbrauch vorbei. Daher ist nur eine Reisegeschwindigkeit von 100-120 km/h wirtschaftlich. Fahrtechnisch erweist sich das Fahrzeug jedoch als Seitenwindempfindlich. Auch hat die Spurtreue bei Spurrillen wie sie der BAB im rechten Fahrstreifen vorhanden sind schnell ein Ende (Erfahrungswert bei langem Radstand).
Die Bedienungsanleitung stellt auch keine wirkliche Hilfe dar, da die Beschreibungen vielfach nur ungenau oder gänzlich unzutreffend sind. So sucht man vergeblich nach verlässlichen Angaben zu Bereifung, Luftdruck in Bar oder einem Ratgeber bei Pannen wie sie schon mal auftreten können.
Auch die Bedienungsanleitung zum Radio beschreibt tatsächlich nur den CD-Player und die Handhabung von CD's.
Vielfach werden Bedienungseinrichtungen angeführt, die es so nicht wirklich gibt. Ersatzhalber wird dafür gerne auf den Kundendienst oder die Fachwerkstatt verwiesen.
Alles in allem sollte man von dem Fahrzeug nicht zu viel erwarten. Es wurde viel versucht aber nichts wirklich durchdacht oder sinnvoll ausgeführt. Auch ist die Geräuschemission in der Fahrgastzelle nicht unbeachtlich.