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Testbericht

Stefan Grundhoff, 9. Dezember 2020
Europa machte den Anfang und mittlerweile ziehen die USA und selbst China nach. Limousinen sind bei den Kunden immer weniger gefragt. Viele werden verschwinden oder haben das bereits getan.

Vom europäischen Automarkt waren ein Opel Rekord, Ford Granada, Peugeot 605 oder VW Passat jahrzehntelang kaum wegzudenken. Doch die Zeiten, in denen die europäischen Hersteller den gigantischen US-Limousinen in Design und ihren Proportionen nacheiferten, sind lange vorbei. Bei Opel gibt es nicht erst seit der PSA-Übernahme keine klassischen Limousinen mehr. Der große Insignia ist entweder als Fließheckversion oder als Kombi im Angebot. Rekord, Omega, Senator oder deren Ahnen sind verschwunden. Man setzt gemäß Kundeninteresse auf Crossover - bevorzugt in kleinen und mittleren Dimensionen. Das sieht beim direkten Wettbewerber Ford nicht anders aus. Auch Granada, Taunus oder Sierra wurden ausgemustert und auch der Mondeo ist keine Limousine mehr im eigentlichen Sinne. Wie beim Massenmodell VW Passat sind die meisten verkauften Fahrzeuge Kombiversionen und auch die sind durch die allgegenwärtigen SUV mehr denn je unter Druck.

Auf den Straßen der USA, Japan, Frankreich, Italien oder selbst dem zur Autonation Nummer eins aufgestiegenen China rollten jahrzehntelang in erster Linie klassische Limousinen. Sie hießen je nach Landessprache auch Sedan oder Berline und standen bei den Menschen hoch im Kurs. Wer es sich leisten konnte, belächelte Klein- oder Kompaktmodell und stieg in eine Limousine der Mittel-, Ober- oder gar Luxusklasse. Eine Limousine charakterisiert sich als Fahrzeug für vier bis sechs Personen in zwei Sitzreihen mit festem Dach. Zumeist verfügt das Modell über vier Türen sowie Motor- und Heckklappe. Allen gemein ist, dass ihnen die Fahrbahn unter den schwarzen Reifen in den vergangenen Jahren immer dünner wird, denn aus der einstigen SUV-Welle ist viel längst mehr als nur ein Fahrzeugtrend geworden.

Egal ob Kleinwagen oder Luxusmodell - scheinbar jeder steht mittlerweile auf einen SUV. Das macht nicht nur den klassischen Limousinen das Leben schwer, sondern insbesondere auch den Schrägheckmodellen und Coupés, deren Bedeutung in den vergangenen Jahren trotz viertüriger Designeskapaden immer kleiner wurde. Ohnehin nur auf einigen wenigen Märkten gefragt sind Kombis und Caravans. Sie erfreuen sich in Ländern wie England, Deutschland, Schweiz, Österreich und Italien einer nach wie vor nennenswerten Beliebtheit; sind in den USA jedoch von wenigen Ausnahmen abgesehen längst von den Straßen verschwunden.

Da wundert es nicht, dass Volkswagen die US-Version seines Passat hat jüngst auslaufen lassen. Marken-CEO Ralf Brandstetter räumt dem Mittelklassemodell, das anders als die europäische Version noch auf der alten PQ35-Plattform unterwegs war, keine Chance gegen die Massenkonkurrenz der zumeist asiatischen Konzernmarken ein. Wenn die neue Generation des VW Passat - erstmals wieder als Weltmodell - 2023 auf die Märkte kommt, dürfte es für die Limousine vorbei sein. Wurde das Straßenbild in Europa, Asien und Amerika von den 40ers bis in die frühen 2000er-Jahre von Limousinen bestimmt, so sieht dies mittlerweile anders aus. So überrascht es nicht, dass Hersteller in Japan oder den USA nunmehr weitere Modelle vom Markt genommen haben, die einst echte Bestseller waren. Auch in unseren Breiten sucht man einen Ford Granada, einen Fiat 131 oder einen VW Jetta längst vergeblich. Fahrzeuge mit dem einst so charakterstarken Drei-Box-Design tun sich beim Kunden schwerer denn je und es scheint, als könnte der Trend niemals wieder zurückkommen.

Wenn überhaupt lassen sich Limousinen nur noch ertrag- und volumenreich verkaufen, wenn das Markenlogo eines Premiumherstellers auf Motorhaube und Radnaben prangt. Ein Siebener BMW, eine Mercedes E-Klasse oder ein Audi A6 verkaufen sich mit ihrem klassischen Design trotz einer steigenden Zahl von Coupé-Ableitungen gut, aber nicht mehr so exzellent wie einst. Gerade in der Mittelklasse dürften die Limousinen mittelfristig noch weiter unter Druck geraten. Dabei kommt die Gefahr nicht allein von der Konkurrenz oder den übermächtigen Crossovern, sondern nicht zuletzt aus dem eigenen Hause. Ein allemal dynamisch gezeichneter BMW 3er hat mächtig mit dem 4er Gran Coupé zu kämpfen und die Mercedes C-Klasse bekommt seit Jahren Druck von den deutlich moderner wirkenden Versionen des CLA. Die meisten Kundenabgänge gibt es allerdings von den SUV und zahlreicher gewordenen SUV Coupés. Bei Mercedes hat der GLC längst die C-Klasse als meistverkauftes Modell abgelöst und bei VW bekommt der einst unangefochtene Golf kräftigen Wind von Tiguan, T-Roc und T-Cross.

Derweil sind in den USA die einstigen Dauerbrenner-Limousinen nahezu komplett aus den Modellportfolios verschwunden. Auch wenn die Nachfrage nach Limousinen hier gerade in der Volumenmittelklasse noch groß ist. In den USA wurden im vergangenen Jahr gut 17 Millionen Autos verkauft, etwa fünf Millionen davon waren Limousinen. Das sind weitem nicht die prächtigen Zahlen des letzten Jahrhunderts, als die berühmten Straßenkreuzer das Straßenbild zwischen New York und Los Angeles beherrschten. Chevrolet Impala, Ford Fusion / Taurus und wohl auch der Chrysler 300 sind längst Altmetall. US-Klassiker wie der Ford 500 oder der Chrysler New Yorker / Intrepid gibt es zwischen Los Angeles und New York nicht mehr und auch der Polizei- und Taxi-Dauerläufer Ford Crown Victoria hat als Limousine längst das zeitliche gesegnet.

Auch im Autoland Nummer eins China mit einem Gesamtvolumen von zuletzt bis zu 24 Millionen Einheiten pro Jahr spielen klassische Limousine noch eine nennenswerte Rolle. 2019 hat Volkswagen in China 1,6 Millionen kompakte Limousinen verkauft: Modelle, wie der SAIC-Volkswagen Santana, der FAW-Volkswagen Sagitar oder der Jetta VA3 sind im Reich der Mitte gefragt. Der Toyota Camry legte in China im vergangenen Jahr um mehr als 20.000 Einheiten zu und fand in China 2019 genau 185.245 Käufer, der Honda Accord schnitt sogar noch besser ab, legte um fast 50.000 Verkäufe zu und schaffte insgesamt 223.706.

Die großen Limousinen könnten jedoch zumindest in der Luxusliga eine Nachfolgegeneration bekommen. Mercedes bringt mit dem EQS eine elektrische Fließheckversion der S-Klasse, Audi lässt seine Kunden mit dem Gedankenspiel eines realen Aicon träumen und auch BMW kann sich ein multifunktionales Luxuskonzept vorstellen, das dann hoffentlich mehr Erfolg hat als ein 5er GT / 6er GT. Alle diese Konzepte haben gemeinsam, dass sie nicht nur elektrisch angetrieben werden, sondern auch teilautonome Fahrfunktionen in sich tragen.

Quelle: Autoplenum, 2020-12-09

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